1. Wortbedeutung
Das Wort \"Barock\" (\"der\" oder \"das\" Barock) kommt aus dem portugiesischen \"barocco\" und bedeutet \"seltsam geformte, schiefrunde Perle\"; es wurde im 18. Jh. in Frankreich als Bezeichnung für Kunstformen gebraucht, die dem klassischen Geschmack der Franzosen nicht entsprachen; der Begriff war also ursprünglich abwertend gemeint.
2. Grundlagen
Das Zeitalter des Barock wurde von drei wesentlichen Grundlagen bestimmt: dem Absolutismus, der Kirche und der Tradition der Antike.
Sichtbarer Ausdruck des Absolutismus ist das Schloss:
Ein Schloss, das in Barockkunst gebaut wurde, ist groß, ausladend, geschmückt mit Marmorsäulen, breiten Treppen, raffinierten Wand- und Deckenmalereien. Alles soll überwältigend wirken, um dem Besucher zu zeigen, wie mächtig und bedeutend der Besitzer des Schlosses ist. Denn ein barockes Schloss war mehr als ein Wohnsitz, sondern es war das Zentrum der fürstlichen Macht. Der Besitzer entfaltete in dem Schloss und in der großen Parkanlage, die zum Schloss gehörte, seine prachtvolle Hofhaltung. Sie war bestimmt von glanzvollen Auftritten des Besitzers, von Hoffesten mit Balletteinlagen, Opernaufführungen, Theaterstücken, von ausgedehnten Jagden, Bällen und Empfängen. Zu diesem Zweck war viel Personal nötig, das im Dienst des Besitzers stand. Der Schriftsteller war dabei nicht einmal der wichtigste Person. Viel wichtiger waren z.B. der Kapellmeister, der Architekt, der Hofmaler. Doch auch der Poet erhielt vom Fürstenhof seine Aufträge und seinen Lohn. Je nach den Bedürfnissen des Besitzers hatte er zu dessen oder der Hofgesellschaft Unterhaltung Gedichte zu schreiben oder spannende Romane, musste Theaterstücke verfassen, häufiger aber kleine Szenen und Spiele, die anlässlich eines Geburtstages oder einer Thronfeier oder einer siegreichen Rückkehr aus einem Krieg zur Ehre des Besitzers aufgeführt wurden.
Ein weiterer Auftraggeber der Dichter war die Kirche, vor allem die katholische Kirche. Der Dichtung fiel die Aufgabe zu, geistliche Gedanken in Liedern, Gedichten oder Schauspielen zu verbreiten. Solche Literatur fand ihr Publikum. Die Menschen waren für Religiöses empfänglich, nicht zuletzt infolge der Zerstörungen durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648).
Die dritte bestimmende Grundlage des Barock war die Tradition der Antike. In einer Weise, die heute kaum noch nachvollziehbar ist, galten antike Schriftsteller und ihre Werke als die großen Vorbilder. Zu den antiken Autoren kamen Autoren der Renaissance, desjenigen Zeitalters, das sich als \"Wiedergeburt\" der Antike verstand. Anweisungen und Vorschriften über die Literatur, die die antiken Schriften enthielten, versuchte man zu erfüllen. Man versuchte, Werke zu schaffen, die den antiken vergleichbar waren. Für einen Dichter galt es als höchste Ehre, wenn er als der \"Deutsche Horaz\" bezeichnet wurde. Die Antike war nämlich heidnisch, oft sinnenfroh, lebenslustig und im christlichen Sinne \"sündhaft\" und \"unmoralisch\". Die christliche Religion sah das Leben nur als Forum zum Tod, die Antike aber feierte oft die Freude des Lebens. Die Kirche verbot offiziell vieles, was die antiken Autoren schrieben. Dennoch standen religiöse Einstellung und heidnisch-antiken in Werken von Dichtern unmittelbar gegenüber.
3. Merkmale der Barockliteratur
Die Literatur war eingeteilt in ganz bestimmte Arten. Jede Art hatte verbindliche Inhalte und vorgeschriebene Formen. Die Regeln für diese Arten waren in Dichtungslehren (Poetiken) formuliert. Diese Dichtungslehren stützten sich natürlich auf antike Vorbilder, nämlich Poetiken oder Rhetoriken (Redelehren), die man übernahm, aber oft auch erweiterte. Große Bedeutung hatte z.B. die Lehre von den Stilebenen. Sie ordnete alle Dichtungen drei Stilen zu.
Der hohe Stil: wundervoll, kreative und ausgeschmückte Sprache
Der mittlere Stil: komisch-witzig und trotzdem niveauvolle Sprache
Der niedrige Stil: derb formulierte Wortspiele
Diese Einteilung in Stile war auch Ausdruck des ständischen Denkens der damaligen Zeit. Man teilte nämlich die Gesellschaft in drei Stände ein, die den Stilen entsprechen: Adel/Hof - Bürger/Stadt - Bauern/Land.
Als Beispiel sind die Gedichte genommen, die wir heute als \"Liebeslyrik\" bezeichnen. Im Barock gab es eine solche Dichtungsart nicht, sondern drei klar getrennte Arten:
Der hohe Stil ist die Liebeslyrik, erotische Dichtungen des mittleren Stils und die unanständigen Dichtungen des niederen Stils. In der hohen Liebeslyrik preist das lyrische "Ich" die Schönheit und Tugend einer Geliebten. Diese ist für das lyrische "Ich" unerreichbar, weshalb die Grundstimmung eher traurig ist. Dabei werden die charakterlichen Eigenschaften und die Körperteile der Frau bis einschließlich zum Busen mittels Vergleichen und Bildern geschildert.
Die mittlere Liebeslyrik preist die sinnlich, erotische Liebe. Das lyrische "Ich" versucht die nahe Geliebte zum sexuellen Kontakt zu überreden. Dabei dienen zweideutige Naturbilder dazu, die einschlägigen Körperteile und Aktionen zu umschreiben. Der Grundton dieser Dichtung ist scherzhaft, heiter.
In der niederen Liebesdichtung werden vorwiegend pervers-sexuelle Vorgänge sehr direkt, drastisch dargestellt. Die Form der hohen Liebesdichtung ist das Sonett. Mittlere und niedere Liebesdichtung kann in verschiedenen Formen vorkommen, allerdings nicht im Sonett.
Im Gegensatz zu unserem heutigen Verständnis von Dichtung kam es im Barock nicht darauf an, möglichst originell zu sein, sich von seinen Konkurrenten zu unterscheiden, etwas zu schaffen, was als \"neu\" und \"einmalig\" galt. Im Gegenteil, die getreue Einhaltung der Vorgaben war das, was man erwartete. Ein Leser des Barock wollte, wenn er ein Liebesgedicht des hohen Stils las, das wieder finden, was er gewohnt war (ähnlich wie ein Fan von Fernsehserien heutzutage).
Der Wert eines Barockdichters maß sich daran, ob er fähig war, das vorgegebene Muster zu erfüllen, dabei durfte und sollte er sich durchaus verschiedene Muster erlauben, z.B. einen neuen Vergleich für die Wangen und die Augen einer schönen Frau in der hohen Liebeslyrik. Auf keinen Fall ging es darum, einmalige Erlebnisse, persönliche Anschauungen in ganz eigener Weise zu umschreiben. Dies bedeutet nicht, dass ein Barockdichter nicht empfand oder glaubte, was er schrieb, sondern dies galt vor allem bei geistlicher oder ernster Dichtung. Bei der Liebesdichtung jedoch sagt das Werk nichts über die Empfindungen und Erlebnisse des Dichters aus.
Quer durch alle Arten barocker Dichtung ziehen sich einige Stilmerkmale:
Insistierende Nennung:
Erweiterung einer Aussage durch wiederholte Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven, Variieren und Umkreisen einer Hauptidee.
Häufung:
Wiederholung und Variation von Wörtern, Beispielen, Vergleichen, Bildern, Satzgliedern und Sätzen, ohne dass sich immer der Aussageinhalt verändert.
Besonderheiten des Satzbaus:
Wegfall von Konjunktionen und bereits schon einmal genannter Satzglieder, verselanges Nichtnennen des Subjekts und Prädikats, die oft mehreren Sätzen gemeinsam sind.
Antithetik:
Wörter, Versteile, Halbverse, ganze Verse und Strophen werden einander gegenübergestellt.
Emblematik:
besondere Bildsprache des Barock. Die Embleme (wörtlich \"Sinnbilder\") waren allgemein bekannt, ihre Bedeutung festgelegt und durch Tradition verbürgt. Sie wurden in Büchern gesammelt und von dort in die Malerei und in die Literatur übernommen. Ein Emblem besteht aus drei Teilen: einer Überschrift (inscriptio), die eine Sentenz, ein Sprichwort, eine moralische Forderung enthält, einem Bild (pictura), das z.B. Pflanzen, Tiere, Geräte, Tätigkeiten, Vorgänge des menschlichen Lebens, eine mythologische, biblische, historische Figur oder Szene zeigt, und einer meist in Versen verfassten Erklärungen (subscriptio).
4. Wichtige Autoren und Werke
Die meisten Romane und Dramen des Barock sind heute so gut wie unbekannt. Barocklyrik ist schon eher verbreitet.
Bedeutende Lyriker sind:
Georg Rodolf Weckherlin (1584-1653),
Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617-1679),
Andreas Gryphius (1616-1664, auch Autor bedeutender Dramen und damals populärer Romane).
Neben der Lyrik hat noch der Schelmenroman \"Der abenteuerliche Simplicissimus" von Christoffel von Grimmelshausen (1621-1676) die Jahrhunderte überdauert.
Einer der populärsten Barockdichter zur damaligen Zeit war Daniel Caspar von Lohenstein (1635-1683), der heute weit gehend unbekannt ist.
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