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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Das elternhaus


1. Drama
2. Liebe

Kafkas Vater Herrmann wurde 1852 in Wossek in Südböhmen, einem winzigen Dorf von knapp hundert
Einwohnern, geboren. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen. Sein Vater, Jakob Kafka, war Fleischhauer und
heiratete 1849, als Fünfunddreißigjähriger, seine Nachbarin Franziska Platowski. Jakob Kafka hatte sechs
Kinder, zwei Töchter und vier Söhne, die schon in jungen Jahren und frühmorgens, auch im Winter und oft
barfuß, die Fleischwaren mit einem Handkarren in die umliegenden Dörfer bringen mußten. Die
Lebensverhältnisse der Familie waren äußerst bescheiden, die Schulbildung scheint jedoch, den Verhältnissen
entsprechend, überdurchschnittlich gewesen zu sein. In Wosek existierte damals noch eine jüdische Schule, und
hier hat wohl Kafkas Vater (dessen Umgangssprache damals tschechisch war) deutsch lesen und schreiben
gelernt. Als Vierzehnjähriger verließ Herrmann Kafka Wossek und versuchte als Wanderhändler sein Glück.
Nach dem Militärdienst siedelte er nach Prag über und gründete dort ein paar Jahre später,
mit einigen Mitteln seiner Braut, der vermögenderen Brauerstochter Julie Löwy, ein Galanteriewarengeschäft.
Julie Löwy wurde in Bad Podêbrad geboren. Ihr Großvater war ein sehr jüdisch gebildeter Mann. Sie hatten ein
ziemlich großes Geschäft, welches sehr vernachlässigt wurde, da der Großvater sich lieber mit dem Talmud
beschäftigte. Julie Löwys Mutter war die einzige Tochter des frommen Talmudisten. Sie starb mit 28 Jahren an
Tifus-Epedemie und hinterließ die drei Jahre alte Julie und ihre drei Brüder. Ihr Vater hatte nach einem Jahr
wieder geheiratet, aus dieser Ehe stammen zwei Söhne, verkaufte das Haus und auch das Geschäft ihrer Eltern
und übersiedelte nach Prag. So wuchs Julie seit ihrem vierten Lebensjahr nur unter der Obhut der Stiefmutter und

des Vaters auf.
Empfindlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl, Unruhe 1 - so charakterisierte Kafka das Löwysche Erbteil. Einige dieser
Eigenschaften waren auch in Kafka stark ausgeprägt, besonders die schüchterne, beinahe übermäßig ängstliche
Bescheidenheit, die Scheu und eine gewisse Kontaktarmut. Der Kafkasche Lebens-, Geschäfts- und
Eroberungswillen 2 war hingegen nicht auf Kafka übergegangen.
Hermann Kafka vergaß seine schwere Jugend nie, hielt sie beständig seinen Kindern vor Augen und akzeptierte
lediglich die gesellschaftliche Anerkennung als erstrebenswertes Ziel. Die gesellschaftliche Anerkennung war in
der altösterreichischen Provinzhauptstadt nur auf dem Umweg über die schmale deutsche Oberschicht zu
erlangen. Der deutlichste Hinweis für die entschlossenen Anschlußversuche an die deutsche Gesellschaft ist die
Schulbildung der Kinder - sämtliche Kinder der Familie Kafkas besuchte ausschließlich deutsche Schulen.

 
 

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