Angeregt durch eine Zeitungsmeldung, schrieb Heinrich Mann den Roman \"Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen\" 1903 und 1904 in Florenz und Ulten, Südtirol; 1905 erschien das Buch in München bei Albert Langen, der bereits die vorausgehenden Romane des Autors - "Im Schlaraffenland", "Die Göttinnen oder die drei Romane der Herzogin von Assy" und "Die Jagt nach Liebe" herausgebracht hatte. Die Niederschrift nahm nach Aussage des Autors nur wenige Monate in Anspruch. Doch blieb Professor Unrat zunächst unbeachtet - wie die meisten Werke Heinrich Manns vor dem ersten Weltkrieg. Mit dem Einverständnis des Autors entstand 1931 eine Filmfassung von Carl Zuckmayer unter dem Titel \"Der blaue Engel\" (Regie: Josef von Sternberg, in den Hauptrollen Emil Jannings und Marlene Dietrich). Hier endet der Gymnasialprofessor aber auf klägliche und mitleiderregende Weise. Durch den Film sieht man Heinrich Manns Werk als karikierende Schulsatire. Bei genauer Betrachtung aber ist es möglich, die Doppelsinnigkeit, die in siebzehn Kapiteln locker erzählt wird, zu sehen. Die Handlung (Ein tyrannischer verknöcherte Gymnasialprofessor lernt bei der nächtlichen Jagd auf Schüler die Künstlerin Rosa Fröhlich kennen, verliebt sich in sie, wird geächtet und verliert deswegen seine Stellung) bewahrt ganz den Anschein satirischer Lächerlichkeit; daß aber diese \"lebensfeindliche\" Lehrerfigur unversehens die bürgerliche Umwelt enthemmt und eine anarchistische Revolte gegen sie unternimmt, verstört das Lachen des Lesers.
Der Roman stellt sich als sozialpathologische Studie dar, in der die psychologische Motivation des Leidens und Handelns den einzelnen auch dann noch prägt, wenn er den politischen Mechanismus seiner Gesellschaft durchschaut und gegen sie revoltiert. Professor Raat ordnet sein Verhältnis zu den Schülern psychologisch demselben Machtprinzip unter, das er - ein glühender Chauvinist (Chauvinismus = übertriebenes Nationalgefühl) - politisch vertritt. Seiner tyrannischen Herrschsucht, die sich in unumstößlichen Strafen, ungerechten Zensuren und sinnwidrigen Anordnungen zeigt, entspricht innere Ohnmacht und der Verdrängung des Triebes. Durch seine Sucht, die Schüler zu fassen, es den Aufsässigen zu beweisen und seine Erbfeinde an ihrer Laufbahn zu hindern, verirrt er sich in einen fremdartigen, verwirrend - erotischen Dunstkreis; seine Machtvorstellung wird allmählich von der bislang zurückgedrängten, triebhaften Sinnlichkeit untergraben. Je öfter Professor Unrat bei Rosa Fröhlich verkehrt, desto mehr untergräbt er seine autoritäre Stellung bei den Schülern und rückt den von ihm Tyrannisierten immer näher; der in seiner Macht geschwächte Tyrann begegnet seinen Untertanen auf der gleichen Stufe: als ein Untertan.
Heinrich Mann behandelt in seinen Werken vorwiegend den Verfallszustand der bürgerlichen Gesellschaft. Er beschreibt und kritisiert die politischen und gesellschaftlichen Zustände des wilhelminischen Kaiserreichs, und setzt sich mit dem Imperialismus dieser Zeit auseinander. Das Frühwerk Heinrich Manns wurde vom Fin de siecle (= frz. Jahrhundertende; die dekadente Überfeinerung von Gefühl und Geschmack am Ende des 19. Jahrhunderts) geprägt. Auch zeigt Mann Tendenzen zum Konservatismus. Er besaß eine konsequent demokratische Weltanschauung, und war starker Gegner des Nationalsozialismus. Heinrich Mann wendet sich gegen den Chauvinismus und Militarismus. Auch das zentrale Problem von Kunst und leben behandelt er in einer Reihe von Novellen.
Im Buch \"Professor Unrat\" wird der Konflikt zwischen Macht und Liebe behandelt, besonders aber das Tyrann-Untertan-Verhältnis. Dieses Verhältnis wird in dem Buch \"Der Untertan\" wieder aufgenommen und weiterbehandelt. Die Vertreibung und Ausbürgerung Heinrich Manns bei der Preußischen Akademie der Künste durch die Nationalsozialisten sowie seine überragende Bedeutung als Symbolfigur der antifaschistischen Exilanten dokumentieren Manns singuläre Erscheinung als \"demokratischer Ideenbildner\". Der ist er als Schriftsteller zuerst im Roman Professor Unrat. Hier überwindet er den Ästhetizismus und verbindet zum ersten Mal sein generelles Hauptthema, den Konflikt zwischen Macht und Liebe, mit seiner Vorstellung von Demokratie. In \"Professor Unrat\" ist Mann ein Meister der Satire und Groteske, noch mehr aber in dem Roman \"Der Untertan\". Die norddeutsche Kleinstadt in der das ganze Buch spielt ist unschwer als das Lübeck des Schülers Heinrich Mann zu erkennen. Der Schüler Lohmann weist viele Gemeinsamkeiten mit dem Autor auf. Eine Äußerung Heinrich Manns: \"Unrat, dieses lächerliche Scheusal hatdoch einige Ähnlichkeit mit mir\" und die groteske Umkehrung der kleinstädtischen Verhältnisse weisen darauf hin, daß die Hauptfigur nicht nur als typisiertes Objekt der Satire, sonders auch als Vexierbild des Satirikers zu verstehen ist (Vexierbild ein Rätselbild, aus dem ein verborgen gezeichnetes anderes Bild herausgefunden werden soll.)
|