Die Stärke des Stückes liegt nicht im Programm (dem Kampf zwischen den lebensstarken Naturen und engstirnigen Spießbürgern), sondern in der Art und Weise, wie der die Jugendlichen bedrängende Zwischenzustand zwischen Mädchen und Frau, zwischen Jüngling und Mann gestaltet wird. Dieser Zustand wird von ihnen mehr gespürt als gewusst, und ihr dumpfes Spüren überträgt sich auf den Zuschauer, indem gerade das Atmosphärische zum Träger des Dichterischen wird. Dieses Stimmungshafte ist sowohl in den Naturszenerien , als auch den Bühnenanweisungen zu finden. "Alles Argumentative und Diskursive, woran das Stück an sich gar nicht arm ist, wird - eingetaucht in dieses Element - aufgelöst und seiner Aggressivität beraubt." Die umfangreiche Skala der Töne die "die gesamte Spannweite juvenilen Empfindens zwischen Zartheit und Rohheit, Naivität und Altklugheit, Eselei und Tiefsinn, kindlichem Frohmut und bohrender Lebensnot" umfasst, öffnet den Blick auf die Abgründe der jugendlichen Psyche. Wedekind lässt die Natur mit ihren lebenserhaltenden wie zerstörenden Kräften für sich selber sprechen und stützt dadurch eindrucksvoll die verbale Stellungnahme für eine ,bessere' Erziehung.
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