2.3.1. Die Botschaft für Kinderbr /
Der ,Froschkönig' ist wohl eines der bekanntesten Märchen, wenn vom lehrreichen Charakter von Märchen gesprochen wird. Anfangs verspricht die junge Königstochter dem Frosch, dass er ihr Geselle werden könne, wenn er ihr ihre goldene Kugel vom Grund des Brunnens wieder heraufbringe. Als sie ihre Kugel jedoch wieder hat, läuft sie schnell weg und ignoriert den Frosch, der nun seinen Lohn einfordert. Das hartnäckige Tier kommt daraufhin zum Schloss der Prinzessin, um seinen Verdienst erneut zu verlangen, doch sie weigert sich immer noch. den Frosch bei sich aufzunehmen, bis der König eingreift und seine Tochter belehrt:
"Was du versprochen hast, musst du auch halten..." 16
Diese Aussage ist für jedes Kind klar verständlich. Durch diesen Sinn des Märchens ist der ,Froschkönig' zu einem der beliebtesten und bekanntesten Märchen der ,Kinder- und Hausmärchen' geworden. Doch kaum jemand hinterfragt den Schluss des Märchens. Warum wird die treulose Prinzessin mit dem Prinzen belohnt, nachdem sie ihn erst noch gegen die Wand geworfen hat? Dieser Schluss passt eigentlich gar nicht zur Handlung. Dieser Frage wird später nachgegangen, wenn das ganze Märchen genauer betrachtet wurde.
2.3.2. Zur Betrachtungsweise des Märchens
,Der Froschkönig' kann auf verschiedene Weisen untersucht werden, wie auch ,Frau Holle' unter natur-mythologischen und unter philosophisch-religiösen Aspekten betrachtet wurde. In diesem Kapitel wird ein extremer Blickwinkel gewählt, um zu zeigen, dass Märchen nicht ausschliesslich als Kinderliteratur verstanden werden können.
2.3.3. Der Lohn des Frosches
Als der Frosch die Prinzessin weinen hört, scheint er grosses Mitleid mit ihr zu haben, versucht sie zu trösten und bietet seine Hilfe an. Dies sieht auf den ersten Blick recht ehrenhaft aus, doch er würde der Prinzessin nicht umsonst helfen. Gleich auf sein Angebot, ihr zu helfen, folgt nämlich die Frage, was er ihr denn geben würde, wenn er ihr ihr liebstes Spielzeug aus dem Brunnen holen würde. Die Prinzessin bietet ihm darauf alles an, was sie hat, die grössten Kostbarkeiten. Der Frosch allerdings hat schon eine genaue Vorstellung davon, was er von der Prinzessin gerne hätte. Den Reichtum lehnt er ab, dafür äussert er folgenden Wunsch:
"...ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, ... in deinem Bettlein schlafen. ... so will ich dir die goldene Kugel wieder heraufholen." 17
Diese Aussage zeigt schon den schlechten Charakter des Frosches, weil er sofort nach einer Belohnung verlangt, als er sieht, wie verzweifelt die Prinzessin ist und er der einzige ist, der ihr helfen kann und weil er dem jungen Mädchen einen unsittlichen Antrag macht.
2.3.4. Die Reaktion der Prinzessin
Die in Tränen aufgelöste Prinzessin willigt natürlich sofort ein, da sie ja ihr Lieblingsspielzeug wiederhaben will und antwortet dem Frosch:
"Ach ja, ...ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wiederbringst." 18
Aus diesen Worten spricht das grosse Unglück der Königstochter. Denn sie glaubt auch, dass der Frosch ihr nichts anhaben könne, wenn sie seinem schamlosen Angebot auch nicht nachkommt, weil er ja im Wasser lebt und ziemlich dumm ist. So handelt sie recht überlegt, lässt sich nicht ausnutzen und befreit sich geschickt aus dieser verzwickten Situation, in der sich andere auf Grund ihrer Verzweiflung nicht mehr zu helfen gewusst häten. Sie scheint mit diesem scheinbar schlauen Schachzug ihre Kugel zurückzubekommen, ohne dem Frosch seine Gelüste befriedigen zu müssen. Ihr Plan wäre auch erfolgreich gewesen, wenn sie den Frosch nicht unterschätzt hätte.
2.3.5. Der Zwang des Versprechens
Als die Prinzessin jedoch am nächsten Tag beim Mittagessen sitzt, da
"...klopfte es an die Tür... Sie lief und wollte sehen, wer draussen wäre; als sie aber aufmachte, sass der Frosch davor. Da warf sie die Tür rasch zu, setzte sich wieder an den Tisch, und sie bekam Angst." 19
Als sie dem Vater erzählen muss, warum sie so verängstigt ist, da befiehlt ihr der Vater ihr Versprechen zu halten. Der König muss so handeln, da alle Hofleute die Geschichte gehört hatten und er als Staatsoberhaupt nicht dulden kann, dass seine Tochter ihr Ehrenwort bricht. So muss er sein Kind zwingen den Frosch hereinzubitten. Die Prinzessin muss diesem Befehl natürlich nachkommen, was der Frosch wieder schamlos ausnützt, als sie in ihrem Zimmer sind und sie sich so ekelt, dass sie ihn nicht in ihr Bett nehmen will. Da droht ihr der Frosch, ihrem Vater zu erzählen, dass sie ihn nicht ins Bett nehmen will.
2.3.6. Der scheinbar paradoxe Schluss
Wie bereits an Anfang erwähnt, scheint der Schluss überhaupt nicht zum Schema der Handlung zu passen. Denn als die Prinzessin keinen anderen Weg als die Brutalität mehr sieht, wird sie belohnt. Die Verzweiflung, der Ekel und die Angst, die zu der folgenden Tat geführt haben, werden gar nicht beachtet.
"Da wurde sie bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn mit aller Kraft gegen die Wand: 'Nun wirst du Ruhe geben, du garstiger Frosch!'
Als er aber herabfiel, war er kein Frosch mehr, sondern ein Königssohn mit schönen, freundlichen Augen." 20
Bereits in ihrem Ausruf bei dieser Verzweiflungstat drückt sie wieder den verständlichen Ekel aus, den sie für dieses Tier empfindet. So wird sie zum Schluss für ihre Qualen entschädigt, die sie erlitten hat und der Prinz, der von einer bösen Hexe verzaubert worden war, hat nun endlich sein hässliches Äusseres und Inneres ablegen können.
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