Entstehungsgeschichte und Interpretation
In den Jahren 1805, 1806 in Königsberg überträgt Kleist Molieres \"Amphitryo\" und gibt dem alten griechischen Mythenstoff, eine neue Gestalt.
1807 während Kleists französischer Gefangenschaft hat er dieses Stück fertig gestellt. Christoph G. Körner brachte das Stück als Verleger, und herausgegeben von Adam Müller, im Arnold Verlag in Dresden heraus.
Kleist gestaltet mit diesem Werk, dass er bescheiden \"Lustspiel nach Moliere\" nennt, den uralten, oft behandelten Mythos vom Gott, der sich mit einem Erdenweib vermählt, auf seine eigene tiefsinnige Weise. Die Grundzüge der Handlung und große Teile entnahm er zwar Moelieres Komödie, doch während diese mit viel Grazie und Humor auf die Pointe zusteuert, dass es keine Schande für einen Ehemann sei, mit Jupiter zu teilen, ging es Kleist um das Bild einer Frau, wie sie reiner nicht gedacht werden kann. Alkmene ist die eigentlich Heldin des Stücks, die einem raffinierten Gefühl und Sinne verwirrenden Experiment Kleists Beurteilung unterzogen wird. Mit der unbeirrbaren Sicherheit ihres reinen Gefühls bleibt sie sich und ihrem Gatten treu: auch Jupiter vermag mit seiner Liebessehnsucht, mit seinem Appell an ihre religiöse Ergebenheit ihn nicht aus ihrer Seele zu verdrängen und muss zugeben, nur in der Gestalt Amphitryons bei ihr eindringen konnte. Dem äußerst differenzierten Spiel zwischen Jupiter, Alkmene und Amphitryon, das zu Momenten größter Tragik und bis in die tiefen des Mysteriums führt, stehen die komödiantischen Szenen zwischen dem Dienerpaar Merkur und Sosias gegenüber. Diese gelungene Gegenüberstellung von tragischem und komödiantischem zeichnet den Dichter aus.
Handlung
Sosias der Diener des Feldherrn Amphitryon, hat von seinem Herrn den Auftrag erhalten, in Theben Alkmene, der jungen Gemahlin Amphitryons von dem großen Sieg erzählen den er über die Athener errungen hat. Als Sosias bei Nacht vor dem Schlosse in Theben eintrifft stellt sich ihm sein Ebenbild entgegen das ihm den Eintritt verweigert und ihn obendrein noch prügelt weil er es wage sich als Sosias auszugeben. Es ist Merkur in der Gestalt des Sosias der hier ein Liebesabenteuer seines Herrn des Göttervaters bewacht. Jupiter hat ich bei Alkmene in der Gestalt Amphitryons eingeschlichen. Nachdem Merkur den geschlagenen Sosias der nicht mehr weiß für was er sich selbst halten soll fortgetrieben hat, erscheint Jupiter um Abschied von Alkmene zu nehmen. Der Gott möchte die junge Frau die ihn für den Gatten nahm veranlassen zwischen den Begriffen \"Gemahl\" und \"Geliebter\" zu unterscheiden. Für Alkmene sind sie jedoch nicht zu trennen, auch möchte er gar zu gerne von ihr bestätigt wissen. daß diese Nacht, die er bei ihr verbrachte, ihr kürzer und seliger erschien als andere, worauf Alkemene nur ein tiefbewegtes \"Ach\" zu erwidern hat. Nachdem der Gott sich zurückgezogen hat Merkur Mühe, sich der Dienerin Charis zu erwehren, die in ihm ihren Mann Sosias zurückgekommen denkt und nach dem Vorbild des fürstlichen Ehepaares ihrerseits auf eine zärtliche hofft. Merkur begegnet ihr ziemlich roh und zieht sich eilig aus der Schlinge. Bei Tagesanbruch kehrt Amphitryon nach Theben zurück. Was ihm Sosias von einem zweiten Sosias zu erzählen weiß, erklärt er ist \" Irrgewäsch\", \" Wischwaseh\" und ,,Gehirnverückung\". Sosias weist zur Beglaubigung seinen geschlagenen Buckel vor. Doch was Amphitryon dem Diener nicht glauben kann und will, muss das Wiedersehen mit Alkmene alsbald zur Gewißheit werden lassen. Ihr Bericht, dass er doch schon am gestrigen Tage \"um die Abenddämmerung\" bei ihr ganz plötzlich ankam, mit ihr gescherzt und sich dann \"jede Freiheit\" erlaubt habe, die nur dem Gemahl zustehe, muss ihn völlig in Verwirrung bringen. Die ganze Dienerschaft sei Zeuge gewesen, dass er kam, sagt Alkmene. Nun reißt Amphitryon die Geduld. Er erklärt offen dass er nicht in Theben war und dass derjenige, der sich um die Dämmerung hier als Amphitryon eingeschlichen habe der \"nichtswürdigste der Lotterbuben\" gewesen sei Alkmene, ihrerseits tief empört, sieht darin nichts als einen \"abscheulichen Kunstgriff\" ihres Gemahls der sich ,,einer anderen zugewendet\" habe und sich auf diese Weise von ihr lösen will. Amphitryon will die Feldherren zu Zeugen rufen, dass er die letzte Nacht nicht in Theben war. Was sieh zwischen Alkmene und Amphitryon abspielt, wiederholt sich auf niederer Ebene wisenen Sosias und Charis. Auch hier Streit. Nur hat Merkur- Sosias Charis gemieden, was diese tief \"gewurmt\" hat und was sie den echten Sosias nun ausbaden lässt. Zum Höhepunkt der Verwicklung und der vom Dichter angestrebten \"Gefühlsverwirrung\" Alkmenes wird die Handlung getrieben, als nun Jupiter abermals vor Alkmene in der Gestalt ihres Gatten erscheint. Schon das Diadem, das ihr Jupiter-Amphitryon hinterließ und in dem sie plötzlich statt des erwarteten ,,A\" als Namenszug ein \"J\" eingraviert entdeckt, hat sie außer Fassung gebracht. Vollends verwirrt wird sie, als Jupiter-Amphitryon ihr erklärt, es sei Jupiter gewesen, der ihr zur Nacht erschienen sei: \"Es war kein Sterblicher, der dir erschienen, Zeus selbst, der Donnergott, hat dich besucht.\" Und wiederum - wie schon zu Beginn des Stückes - möchte Jupiter ihr das Geständnis abringen, dass sie bereit sei, den Gott wenn er sich ihr zeige, noch mehr zu lieben als Amphitryon. Hat er doch als Allwissender feststellen müssen, dass sie im Gebet nicht vor Jupiter, sondern vor Arnphitryon im Staub lag. Und verwirrt bekennt Alkmene: Ich brauche Züge nun, um ihn zu denken.\" So fragt er sie dann, wie sie sich verhalten würde, wenn er in aller seiner Macht ihr erscheine und von ihr Liebe erflehen würde. Denn:
\"Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.\" Er will geliebt
sein, \"nicht ihr Wahn von ihm\". Alkmene aber bleibt fest. Selbst wenn sie \"vom Schicksal bestimmt wäre, vieler Millionen Wesen Dank, ihm seine ganze Forderung an die Schöpfung in einem einzigen Lächeln auszuzahlen\", so bliebe sie doch immer nur Jupiter in Ehrfurcht, Amphitryon aber in Liebe zugetan. Beschämt und beglückt zugleich muss der Gott bekennen: \"Mein süßes, angebetetes Geschöpf! In dem so selig ich mich, selig preise! So urgemäß dem göttlichen Gedanken, in Form und Maß, und Sait und Klang, wie\'s meiner Hand Äonen nicht entschlüpfte! Es wird sich alles dir zum Siege lösen. Es drängt den Gott Begier, sich dir zu zeigen.\" Er verlässt sie, und wiederum beschließt eine Sosias-Charis-Szene, als grotesk-satirisches Widerspiel des Vorangegangenen, den auf höchster Ebene ausgetragenen göttlich-menschlichen Konflikt. Noch immer aber bleibt für die Umwelt das Rätsel um den doppelten Amphitryon. Merkur-Soias gefällt sich darin, den eifersüchtigen Amphitryon aufs äußerste aufzustacheln. Er lässt ihn nicht in sein Schloss, weil dort Amphitryon bei Alkmene weile: \"Hüte dich, das Glück der beiden Liebenden zu stören. \" Rasend vor Eifersucht will Amphitryon mit den Feldherren Thebens, die an ihn glauben, dem \"lügnerischen Höllengeist\", der sich seine Gestalt und seinen Namen anmaßte. mit Gewalt zu Leibe gehen. Da tritt Jupiter aus dem Schloss, und die beiden Amphitryonen stehen sich gegenüber. Die Feldherren neigen dazu, Jupiter-Amphitryon als den rechtmäßigen zu bezeichnen. Verzweifelt will Amphitryon neue Zeugen aus der Stadt herbeirufen, wogegen Jupiter-Amphitryon nichts einzuwenden hat. In der Zwischenzeit lässt Merkur-Sosias noch einmal den armen Sosias, der vergeblich einen Kompromiss mit seinem Zwillingsbruder\" anstrebt, seine ganze Macht fühlen. Als dann Amphitryon mit den Obersten des Heeres und mit dem Volk zurückkehrt, wird die Entscheidung darüber. wer der richtige Amphitryon sei, in die Hände Alkmenes gelegt. Sie entscheidet sich für Jupiter-Amphitryon, und cfer echte muß sich verzweifelt zu der Erkenntnis durchringen, dass jener ,,Amphitryon ihr ist\". Doch nun lässt Jupiter die Maske fallen. Unter Blitz und Donnerschlag erscheint der Adler, der ihm den Donnerkeil reicht. Der Gott gibt sich zu erkennen: \"Zeus hat in deinem Hause sich gefallen\" und verheißt dem Mann, dessen Gestalt er annahm: \"Dir ,wird ein Sohn geboren werden, mit Namen Herkules es wird an Ruhm kein Heros sich, der Vorwelt, mit messen. Alkmene, die ohnmächtig in Amphitryons Arme gesunken ist, wird bei ihm bleiben. Mit dem wehmütigen-schmerzlichen ,,Ach\", das sich von den Lippen der wieder Erwachten losringt, schließt das Stück.
Sagenumfeld
Der große Held Perseus hatte drei Söhne - Elektryon, Alkaios und Sthenelos. Alkmene, des Elektryon Tochter, heiratete ihren Cousin Amphitryon, den Sohn des Alkaios. Da Amphitryon versehentlich seinen Schwiegervater erschlagen hatte und darum die Rache des Sthenelos fürchten musste, floh er zum König Kreon von Theben. Während er auf einem Feldzug von daheim abwesend war, versuchte Zeus, die schöne Alkmene zu seiner Geliebten zu machen; sie aber war ihrem Gatten so treu, dass der Gott die Gestalt des Amphitryon annehmen musste um sich ihr zu nähern. Durch diese Täuschung zeugte er mit ihr Herkules, den gewaltigsten unter den griechischen Helden.
Dies ist die Geschichte Amphitryons wie sie in Sagebüchern steht. Hier wird jener als Nebenfigur geschildert, doch in Kleists spielt er eine Hauptrolle.
|