Romantik
...... als Romantik bezeichnet man die Zeit ungefähr zwischen 1795 und 1830, als sich eine philosophisch-literarische Bewegung um die Gebrüder Schlegel entfaltete. Das Wort \"romantisch\" bedeutet zunächst \"im Roman vorkommend\", \"wunderbar\", \'Phantastisch\", \"unwirklich\", \"unwahr\", \"lebensfern\" und \"erfunden Heute versteht man darunter das Vorherrschen von Gefühlen und Phantasie, von Introvertiertheit, Weltfremdheit und Naturgebundenheit.
Die deutsche Romantik war keine nur literarische, sondern eine das gesamte Geistesleben der Zeit prägende Bewegung, die einen neuen Lebensstil, eine neue Kunst- und Weltanschauung hervorbringen und die Krise der Gesellschaftsordnung um 1800 überwinden wollte.
Den Romantikern ging es darum, die Menschen zum Poesiehaften in der Welt hinzufahren, alle Künste sollten sich zu einem Kunstwerk vereinen, alles Welterleben sollte zu einem romantischen Erlebnis werden.
Die sozialen und politischen Probleme der Epoche waren realhistorisch nicht lösbar und so kam es zur Romantisierung der Wirklichkeit - zu einer Flucht aus der Wirklichkeit, wobei auf keine Kritik an der Realität verzichtet werden muß. Allerdings widersprach die Literatur der Romantik und die Poetisierung realer Bedingungen der Realität vollkommen.
So herrschte in den Werken \"Der goldene Topf \'und \"Der blonde Eckbert \" eine Ambivalenz vor. Es handelt sich um das Nach-- und Nebeneinander zweier Welten - ein erfahrungsrealistischer Ort und eine unbekannte Welt - eine Ambivalenz zwischen \"Existenz von real Erfahrbarem \" und \"Märchenhaftem \".
Laut Hoffscher Märchendefinition sind Marchen gekennzeichnet durch \"die Einmischung eines fabelhaften Zaubers in das gewöhnliche Menschenleben \".
Im \"Goldenen Topf\' ist nicht deutlich, was \"real\" und was \"irreal\" ist - die Erfahrungsrealität verschmitzt mit dem magischen Bereich zu einer \'poetischen Wirklichkeit Im Gegensatz dazu bleibt im \"Blonden Eckbert\" die Kritik der realen Verhältnisse aus, und es kommt zu keiner Konstruktion eines harmonischen Ideals.
E.T.A. Hoffmann: \"Der goldene Topf\"
AUTOR
...... Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wurde am 24.01.1776 in Königsberg (Pr.) geboren. Er
war Schriftsteller, Komponist und Zeichner.
Von 1792-98 studierte er Rechtswissenschaften und arbeitete anschließend am Kammergericht
in Berlin bevor er 1800 nach Posen versetzt wurde. E.T.A. Hoffmann pflegte neben dem Studium stets seine zeichnerische und musikalische Begabung. Sein Leben war geprägt von der konfliktreichen Spannung zwischen dem Streben nach Ausbildung seiner künstlerischen Anlagen und bloßer Existenzsicherung.
Eine Reihe von Karikaturen führte dann zu einer Strafversetzung nach Plock und 1804 kam er als Regierungsrat nach Warschau. Als Mitglied der \"musikalischen Gesellschaft\" wirkte er dort als Organisator und Dirigent bei Veranstaltungen mit.
Nach dem Einmarsch der Franzosen mußte er Warschau verlassen und ging 1807 nach Berlin, wo er vergeblich versuchte, eine Anstellung zu finden. 1808 wurde er Theaterkapellmeister in Bamberg, wo er auch als Musikkritiker, Direktionsgehilfe, Komponist und Bühnenbildner wirkte. 1813-14 war er Musikdirektor der Theatergruppe von Joseph Seconda in Dresden und Leipzig. Ende 1814 war er Richter am Kammergericht in Berlin, entfaltete aber seine dichterische Begabung um so stärker. 1816 erfolgte seine Ernennung zum Kammergerichtsrat. 1819 wurde Hoffmann ohne sein Zutun Mitglied einer Kommission, die auf Veranlassung Mettemichs gegen politische \"Aufwiegler\", gegen Burschen- und Turnerschaften vorgehen sollte. Hoffmann setzte sich mit viel Zivilcourage für die Betroffenen ein, weswegen ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Zudem wurde er auch selbst Opfer der preußischen Zensur.
In dieser Lage starb Hoffmann in 25.06.1822 in Berlin, krank und vereinsamt.
Werke: \"Der goldene Topf\', \"Das Fräulein von Scuderi \", \"Don Juan \" (Erzählsammlung mit
musikalischer Thematik), \"Die Elixiere des Teufels \" (Roman), \"Lebens-Ansichten des Katers Murr... \"
Der goldene Topf
... Der im Alltag ungeschickte Student Anselmus sitzt am Abend des Himmelfahrtstages am Elbufer in Dresden unter einem Holunderbusch und hängst seinen trüben Gedanken nach. Plötzlich bemerkt er \"drei in grünem Gold erglänzende Schlangen\", die ein glühendes Verlangen in ihm erwecken.
... ; er schaute hinauf und erblickte drei in grünem Gold erglänzende Schlänglein, die sich um die Zweige gewickelt hatten und die Köpfchen der Abendsonne entgegenstreckten. Da flüsterte und lispelte es von neuem in jenen Worten, und die Schlänglein schlüpften und kosten auf und nieder durch die Blätter und Zweige, und wie sie sich so schnell rührten, da war es, als streue der Holunderbusch tausend funkelnde Smaragde durch seine dunklen Blätter. \"Das ist die Abendsonne, die so in dem Holunderbusch spielt\", dachte der Student Anselmus, aber da ertönten die Glocken wieder, und Anselmus sah, wie eine Schlange ihr Köpfchen nach ihm herabstreckte. Durch alle Glieder fuhr es ihm wie ein elektrischer Schlag, er erbebte im Innersten - er starrte hinauf, und ein paar herrliche dunkelblauen Augen blickten ihn an mit unaussprechlicher Sehnsucht, so daß ein nie gekanntes Gefühl der höchsten Seligkeit und des tiefsten Schmerzes seine Brust zersprangen wollte. Und wie er voll heißen Verlangens immer in die holdseligen Augen schaute, da ertönten stärker in lieblichen Akkorden die Kristallglocken, und die funkelnden Smaragde fielen auf ihn herab und umspannen ihn mit schimmernden Goldfaden. Der Holunderbusch rührte sich und sprach: \"Du lagst in meinem Schatten, mein Duft umfloß dich, aber du verstandest mich nicht. Der Duft ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet. \" Der Abendwind strich vorüber und sprach: \"Ich um spielte deine Schläfe, aber du verstandest mich nicht, der I-Iauch ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet. Die Sonnenstrahlen brachen durch das Gewölk, und der Schein brannte wie in Worten \"Ich umgoß dich mit glühendem Gold, aber du verstandest mich nicht,\' Glut ist meine Sprache, wenn sie die Liebe entzündet\'@....
Zunächst mißtraut Anselmus seinen Sinnen und weiß nicht, \"ob er betrunken, wahnsinnig oder krank\" ist. Der anschließend fröhliche Abend in der nachlernen Gesellschaft des Konrektors Pau dessen Tochter Veronika ein Auge auf Anselmus geworfen hat, und des Registrators Heerbrand bringt ihn nur vorübergehend auf andere Gedanken. Denn die Bekanntschaft mit dem Archivarius Lindhorst, für den er durch Heebrands Vermittlung für ein paar Speziestaler arabische und koptische Manuskripte kopiert, führt ihn in ein Zauberreich.
... Ein magisch blendendes Licht verbreitete sich überall, ohne daß man bemerken konnte, wo es herkam, da durchaus kein Fenster zu sehen war. Sowie der Student Anselmus in die Büsche und Blumen hineinblickte, schienen lange Gänge sich in weiter Ferne auszudehnen. - Im tiefen Dunkel dichter Zypressenstauden schimmerten Marmorbecken, aus denen sich wunderliche Figuren erhoben, Kristallenstrahlen hervorspritzend, die plätschernd niederfielen in leuchtende Lilienkelche; seltsame Stimmen rauschten und säuselten durch den Wald der wunderbaren Gewächse, und herrliche Düfte strömten auf und nieder ....
Von Lindhorst erfuhr Anselmus, daß die drei Schlänglein dessen Töchter sind, in deren jüngste, Serpentina, er sich verliebt hat. im Palastgarten des Archivars sieht Anselmus seine Beliebte Serpentina wieder und zum erstenmal der goldenen Topf, Serpentinas Mitgift. Zu dieser Zeit erfährt er auch vom Doppelcharakter des Archivars, denn hinter dessen Maske verbirgt sich ein Salamander, ein Elementargeist, der als Strafe für eine in mythischer Vorzeit begangenen Untat sich jetzt dem gemeinen @n unterwerfen muß, bis sich seine drei Töchter mit drei Jünglingen mit \"kindlich poetischen Gemüt\" verheiratet haben.
Obwohl Anselmus Serpentina ewige Liebe geschworen hat, durchkreuzt das Äpfelweib, das der mythischen Verbindung einer Runkelrübe mit der Feder eines Drachen entstammt, deren Pläne, indem sie den goldenen Topf zu rauben versucht und alles daran set4 Anselmus` Vertrautwerden mit der Poesie zu verhindern. Durch einen Metallspiegel den sie in der \"Nacht des Acquonoktiums\" gegossen hatte, verliert Anselmus sein \"poetisches Gemüt\" und läßt ihn glauben, daß er nur Veronika liebt.
.... Und doch, indem sein ganzes Gemüt der holden Serpentina und den Wundern des Feenreichs bei dem Archivarius Lindhorst zugewandt war, mußte er zuweilen unwillkürlich an Veronika denken, ja manchmal schien es ihm, als trete sie zu ihm hin und gestehe errötend, wie herzlich sie ihn liebe und wie sie danach trachte, ihn den Phantomen, von denen er nur geneckt und verhöhnt werde, zu entreißen. Zuweilen war es, als risse eine fremde plötzlich auf ihn erbrechende Macht ihn unwiderstehlich hin zur vergessenen Veronika, und er müsse ihr folgen, wohin sie nur wolle, als sei er festgekettet an das Mädchen .....
Der Palastgarten des Archivars erscheint ihm nun als armseliges Treibhaus, die azurblaue Bibliothek, an der er sich nicht sattsehen konnte, als ein geschmackloser, in grellen und unnatürlichen Farbe ausgestatteter Raum.
Trotz der Warnung Lindhorsts verschüttet Anselmus Tinte über ein Manuskript, worauf die Prophezeiung des alten Äpfelweibs wahr wird und er \"ins Kristall\" fällt.
... Ins Kristall nun dein Fall! - hab ich dir\'s nicht längst vorausgesagt? \" - \"Höhne und spotte nur, du verdammtes Hexenweib \", sagt der Student Anselmus, \"du bist schuld an allem, aber der Salamander wird dich treffen, du schnöde Runkelrübe ...
Anselmus erkennt nun die erstickende Enge des bürgerlichen Glücks, die fünf weitere Gefangene gar nicht bemerken, denn sie haben sich noch nie besser befunden als jetzt!
Anselmus entscheidet sich nun für Serpentina und kommt mit ihr, nachdem das Äpfelweib in einer wild flammenden Schlacht von Lindhorst überwunden wurde, im immerwährende Sehnsucht nach
Atlantis auf ein Rittergut, wo die im goldenen Topf erblühte Lilie ihr Glück beschützt. Veronika heiratet den zum Hofrat ernannten Heerbrand, wodurch ihre schönsten Träume in Erfüllung gehen.
der ambivalente Geschehnisraum....
.... weil Hoffmann Dresden, einen real existierenden und genau lokalisierbaren Ort als Handlungsort wählte, entspricht \"Der goldene Topf\" nicht dem absoluten Märchen.
Der Leser wechselt mit Anselmus -oft unvermittelt und überraschend- aus den engen Gassen Dresdens in einen phantastischen Raum, ein Durcheinander realistisch gezeichneter Gegenwart und eines geisterhaften Reiches, das bis in die Uranfänge des Seins zurückzugehen scheint. Dresden wird zwar als Schauplatz nicht naher beschrieben, jedoch sind alle Gassen, Straßen und Plätze real - das \"Schwarze Tor\", das \"Linkische Bad\", die Elbbrücke und sogar der wundersame Holunderbusch sind real nachprüfbar.
Die Realitätstreue zeigt sich auch noch in anderer Art, denn so wird z.B. zu Beginn die Ouvertüre aus dem \"Donauweibchen\" erwähnt, der Registrator Heerbrand singt eine Bravour-Arie des damals recht bekannten Kapellmeisters Graun und der gerufene Arzt empfiehlt der fantasierenden Veronika Zerstreuung im Theater bei dem \"Sonntagskind\" und den \" Schwestem von Prag\", zwei bekannten Singspielen des Zeitgenossen Wenzel Müller.
Dabei entsteht sowohl ein Nebeneinander von scheinbar real Existierendem und märchenhaft Wunderbarem als auch ein Ineinandervermischtsein, was zu einem unverwechselbaren Wesensmerkmal des \"Goldenen Topfes\" wird und eine zweideutige Welt entstehen läßt. Diese Ambivalenz fuhrt letztlich dazu, daß der Leser nicht mehr weiß, wo die wunderbare Welt beginnt und die reale aufhört. Denn immer dort, wo der Leser in die mythische Gegenwelt geleitet wird, findet eine Rückkehr m die erfahrbare Wirklichkeit statt. Dies ermöglicht eine Symbiose mit dem fantastischen Raum. So ist z.B. das Haus des Archivarius Lindhorst einmal ganz Märchenwelt, obwohl Anselmus dort ebenso in die Realität tritt.
... \"0 meine - meine Serpentina \" rief der Student Anselmus, \"wie sollte ich denn nur von dir lassen können, wie sollte ich dich nicht lieben ewiglich! \" - Ein Kuß brannte auf seinem Munde, er erwachte wie aus einem tiefen Träume, Serpentina war verschwunden, es schlug sechs Uhr, da es ihm schwer aufs Herz, daß er nicht das mindeste kopiert habe; er blickte voll Besorgnis, was der Archivarius wohl sagen werde, auf das Blatt, und, o Wunder! Die Kopie des geheimnisvollen Manuskripts war glücklich beendet, und er glaubte, schärfer die Züge betrachtend, Serpentinas Erzählung von ihrem Vater, dem Liebling des Geisterfürsten Phosphorus im Wunderlande Atlantis, abgeschrieben zu haben. Jetzt trat der Archivarius Lindhorst in seinem weißgrauen Überrock, den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der Hand, herein; er sah in das von dem Anselmus beschriebene Pergament, nahm eine große Prise und sagte lächelnd.- \"Das dachte ich wohl! - Nun! hier ist der Speziestaler, Herr Anselmus, jetzt wollen wir noch nach dem Linkischen Bade gehen - nur mir nach!
Die Ambivalenz des jeweiligen Handlungsortes - des fiktiv realen und des märchenhaften
Wunderbaren - ermöglicht die Symbiose beider, was den Reiz des Märchens ausmacht.
poetische Gestaltung der Handlungsorte....
...... im Mittelpunkt des real @fiktiven Handlungsraumes steht das Haus des Korrektors Paulmann ein Hauptschauplatz der Erfahrungsrealität. Der bieder bürgerliche Raum ist nur durch einige wenige Requisiten angedeutet, die aber erst durch die Menschen, die sich in diesem Raum befinden und bewegen, ihre eigentliche philiströse Bedeutung erhalten. So muß sich z. B. Anselmus, sowie er das Haus des Konrektors betreten hat, sofort \"ans Klavie setzen\", um Veronika zu begleiten, und der Registrator Heerbrand gibt eine Bravourarie des Meisters Graun, eines in biederen Kreisen beliebten Komponisten des 18.Jahrhunderts.
So kommt in diesen Handlungsraum der bürgerliche Ehrgeiz nach Titeln und der materielle Lebenswunsch zu Tage, denn Veronika schwelgt hier sosehr in der Vorstellung, einmal die Frau eines Hofrates werden zu können um von der philiströsen Umwelt akzeptiert zu werden, daß sie von Gedankenbild her in die Realität hinein handelt. Dabei zeigt sie sich als einfaches und in eng materiellem Denken befangenes Mädchen.
Sie war Frau Hofrätin, bewohnte ein schönes Logis in der Schloßgasse oder auf dem Neumarkt oder auf der Moritzstraße - der moderne Hut, der neue türkische Schal stand ihr vortrefflich - sie frühstückte im eleganten Negligé im Erker, der Köchin die nötigen Befehle den Tag erteilend .....
Im mythischen Zentrum des \"Goldenen Topfes\" liegt das Haus des Archivarius Lindhorst, dessen Ausgestaltung sich von der real-bürgelichen unterscheidet, indem alles farbig und schillernd, bewegungsreich und in ständiger Veränderung ist, je nach der seelischen Verfassung des Anselmus. Damit ist die poetische Raumgestaltung des mystischen Zentrums wiederum abhängig von der Bewegung des Anselmus.
Nach dem Eintritt des Anselmus in das Wunderreich Atlantis ist der Eintritt in den vollkommen mystischen Raum vollzogen.
Ein zweites Zentrum des magischen Bereiches stellt die Hexenküche dar, wobei man hier die Eindrücke durch die Sinne Veronikas erfährt.
Die poetische Gestaltung der Handlungsorte zielt somit jeweils auf die Schaffung einer Atmosphäre, die nicht durch die Requisiten hervorgerufen wird, sondern jeweils nur im Zusammenhang mit den jeweils agierenden Personen.
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