Daß die Querelen der deutschen Fürsten die Einmischung ausländischer Mächte anzogen und Deutschland zum Schlachtfeld eines europäischen Krieges machten Die historische Situation, in der der Dreißigjährige Krieg ausbrach, ist durch das verwirrende Durcheinander und Gegeneinander der Sonderinteressen einiger größerer, dutzender kleinerer und kleinster Landesherren des "Heiligen Römischen Reichs" charakterisiert. Die von ihnen in den Vordergrund gestellten religiösen Überzeugungen waren dabei von zweitrangiger Bedeutung. Ihre Konflikte zogen die Einmischung ausländischer Mächte an: Frankreich suchte sich aus der habsburgischen Umklammerung zu lösen, die aufstrebenden Monarchien Dänemark und Schweden wollten auf Kosten Deutschlands expandieren.
Damit ist das Wesentliche über den Dreißigjährigen Krieg auch schon gesagt. Die weiteren Details dienen primär der Vertiefung unserer Allgemeinbildung.
Wie sich protestantische Fürsten in der "Union" und katholische in der "Liga" organisierten Um der Gegenreformation entgegenzutreten, die sich auf dem Konzil von Trient (1545 - 63) formiert hatte, schloß sich eine Reihe protestantischer Fürsten im Jahre 1608 unter der Führung des Kurfürsten von der Pfalz zur "Union" zusammen. Im Jahre 1609 wurde unter bayrischer Führung die katholische "Liga" gegründet.
Wie die Böhmen statt Erzherzog Ferdinand lieber Friedrich von der Pfalz als König wollten, worüber es zum böhmisch-pfälzischen Krieg kam Am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs steht der sogenannte "Prager Fenstersturz": Drei kaiserliche Räte wurden von böhmischen Adligen, die damit ihrer Empörung über habsburgisch-gegenreformatorische Bestrebungen Luft machten, kurzerhand aus einem Fenster der Prager Burg geworfen. Erzherzog Ferdinand, der ohne Zustimmung der Stände zum böhmischen König einge¬setzt worden war, wurde abgesetzt, und Friedrich von der Pfalz, das Oberhaupt der Union, an seiner Stelle zum Kö¬nig erhoben. Die von Tilly kommandierten vereinigten Truppen des Kaisers und der Liga errangen vor den Toren Prags, in der Schlacht auf dem Weißen Berge (8. November 1620) einen Sieg über Friedrich von der Pfalz, der nach Holland floh und das Land der Rache der Sieger überließ: Zahlreiche böhmische Adelige wurden als "Rebellen" hingerichtet, ihre Güter wurden konfisziert.
Wie Dänenkönig Christian eingriff, aber von den habsburgischen Feldherren Tilly und Wallenstein zurückgedrängt wurde Durch die Aussicht auf Gebietsgewinne in Norddeutschland motiviert und auf englische, niederländische und französische Hilfsgelder gestützt, griff der dänische König (Christian IV.) in den Krieg ein, der damit aufhörte, ein innerdeutscher zu sein. In dieser, für das katholisch-habsburgische Lager neuerlich bedrohlichen Situation schlug die Stunde Wallensteins (1583-1634). Der böhmische Aristokrat Albrecht von Wallenstein war durch eine reiche Heirat zu einem der bedeutendsten Großgrundbesitzer in Mähren geworden. Er war einer der wenigen böhmischen Adligen, die sich während der Erhebung der böhmischen Stände auf die Seite der Habsburger gestellt hatten. Er hatte sich durch die Erwerbung enteigneter böhmischer Güter weiter bereichert. Seine Mittel setzte er für die Aufstellung eines in den Größenordnungen der damligen Zeit riesigen Heeres ein, das er dem Kaiser zur Verfügung stellte. Tilly und Wallenstein drängten nun die dänischen Streitkräfte zurück und unterwarfen fast ganz Nord¬deutschland. Der Dänenkönig verzichtete im Frieden von Lübeck 1629 auf jede weitere Einmischung in Deutschland. Wallenstein wurde mit Mecklenburg belehnt.
Wie der Kaiser keinen Sinn für das Machbare zeigte und das "Restitutionsedikt" erließ dem Kaiser hätte sich nun eine günstige Gelegenheit geboten, durch maßvolle Behandlung der geschlagenen protestantischen Fürsten einen innerdeutschen Ausgleich zustandezubringen und damit einen großen Schritt zur Reichseinheit hin zu machen. Kaiser Ferdinand aber strebte die totale Rekatholisierung Deutschlands an und erließ im Jahre 1629 das "Restitutionsedikt", demzufolge alle geistlichen Gebiete, die nach 1552 in protestantischen Besitz gekommen waren, zurückzugeben waren.
Wie der Kaiser den realistischer denkenden Wallenstein entließ und wieder zurückrief, weil er ihn gegen Gustav Adolf von Schweden brauchte Wallenstein hatte von der Erlassung des Restitutionsedikts abgeraten und sich damit Feinde in der Kirche und unter den katholischen Fürsten gemacht. Ihrem Druck gab der Kaiser 1630 nach und entließ Wallenstein, der sich auf seine böhmischen Güter zurückzog. Als jedoch die Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf, der von französischer Seite finanziell unterstützt wurde, zu Hilfe riefen, trat neuerlich eine Wende im Dreißigjährigen Krieg ein. Gustav Adolf drang nach Süddeutschland vor. Tilly verlor zwei Schlachten und sein Leben. Der Kaiser rief Wallenstein zurück, der in der Schlacht bei Lützen (1632) wohl die Schweden nicht besiegen konnte, aber Gustav Adolf fiel im Kampf.
Wie der Kaiser Wallenstein neuerlich fallen ließ und dieser ermordet wurde Wallenstein verhandelte nun mit den Schweden über einen Friedensschluß, wobei er durch Vollmachten des Kaisers nur zum Teil gedeckt war, womit er den Intrigen, die gegen ihn im Gange waren neues Material lieferte. Der Kaiser ließ Wallenstein abermals fallen. Er wurde von einem geheimen kaiserlichen Gericht zum Tode verurteilt und - auf der Flucht vor seinen eigenen Leuten - 1634 in Eger ermordet.
Wie die Erfolge der Kaiserlichen Frankreich zum Eingreifen veranlaßten Die militärischen Erfolge, die die Kaiserlichen danach im Kampf gegen die Schweden erzielten, veranlaßten Sachsen und Brandenburg 1635, den Frieden von Prag zu schließen, wobei auf das Restitutionsedikt verzichtet wurde. Die meisten norddeutschen Reichsstände traten dem Frieden bei. Frankreich - unter der politischen Leitung Kardinal Richelieus (1585 - 1642) - griff nun offen in den Krieg ein.
Wie der Krieg zu Ende ging, weil das Land ihn nicht mehr ernähren konnte In dieser letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges drangen schwedische Truppen wiederholt bis auf Österreichisches Gebiet vor. Bayern schwächte das kaiserliche Lager, indem es sich neutral erklärte.
Der Krieg löste sich in Einzelaktionen auf und starb gewissermaßen an der allgemeinen Erschöpfung, denn das Land konnte den Krieg nicht mehr ernähren. Der Kaiser (seit 1637 Ferdinand III.) mußte die Bedingungen des mit Frankreich und Schweden (in Münster beziehungsweise Osnabrück) getrennt ausgehandelten Westfälischen Friedens akzeptieren. (Der "Pyrenäenfriede" zwischen Spanien und Frankreich wurde erst 1659 geschlossen).
Daß der Westfälische Friede Gebietsabtretungen mit sich brachte und die völlige Zersplitterung Deutschlands festschrieb Der Westfälische Friede brachte Gebietsabtretungen an Dänemark und Schweden im Norden Deutschlands mit sich. An Frankreich kamen nun Ober- und Niederelsaß (Straßburg holte sich Frankreich erst vier Jahrzehnte später unter Ludwig XIV.), der Sundgau und ein Brückenkopf auf dem rechten Rheinufer: die Festung Breisach. Die Unabhängigkeit der Schweiz und der Niederlande wurden formell anerkannt, die territoriale Zersplitterung Deutschlands festgeschrieben. Bernd Engelmann schreibt dazu (in: Wir Untertanen, ein deutsches Geschichtsbuch):
"Das verwüstete, völlig ausgeplünderte und stark verstümmelte 'Heilige Römische Reich Deutscher Nation', das der Dreißigjährige Krieg übriggelassen hatte, zählte nach der großen Bestandsaufnahme des Jahres 1648 zu Münster und Osnabrück, dem sogenannten Westfälischen Frieden, weit über siebzehnhundert souveräne Länder und Ländchen, von denen manche nicht größer und bedeutender waren als ein mittleres Dorf.
Nur etwa jeder achte dieser knapp achtzehnhundert Zwergstaaten war groß genug, um auf einem zeitgenössischen Landkartenblatt von Mitteleuropa eingezeichnet und mit einer Abkürzung markiert werden zu können. Von diesen 'wichtigsten', insgesamt 221 deutschen Staaten waren rund fünf Dutzend sogenannte Reichsstädte und -dörfer, [...] Ferner gab es neunhundertfünfzig Mark-, Land- und sonstige Grafschaften, dreizehn Fürsten- und Vierundzwanzig Herzogtümer, fünf weltliche Kurfürstentümer, nämlich das Herzogtum Bayern, das habsburgische Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Brandenburg, die Pfalzgrafschaft, das Herzogtum Sachsen der Albertinischen Linie, ferner die drei geistlichen Kurerzbistümer Köln, Mainz und Trier sowie weitere dreihundertvierzig selbständige Bistümer, Abteien und Propsteien.
Jeder dieser Staaten hatte eigene Gesetze, Zölle, Steuern und Abgaberegelungen. Es gab die unterschiedlichsten Maße, Gewichte und Währungen, häufig mit denselben Bezeichnungen, wodurch die Verwirrung noch größer wurde. Drei verschiedene christliche Glaubensrichtungen - eine römisch-katholische und zwei reformierte, die der Lutheraner und die der Calvinisten - bestanden gleichberechtigt nebeneinander, und man hatte sogar zwei voneinander abweichende Kalenderrechnungen, hie die Julianische, da die Gregorianische.
Kompliziert wurde dieser Wirrwarr noch dadurch, daß einige der Zwergstaaten zwar eigene Verwaltung und Gesetze hatten, aber mit anderen Ländchen einen gemeinsamen Herrn; wobei diese Landesherren durch Geburt, Tod, Heiraten und Erbschaften, aber auch durch Tausch, Kauf, Verkauf und Eroberung ständig wechselten, hier ein kleines Staatsgebilde sich zusammenschloß, dort ein anderes auseinanderfiel."
Welches Elend der Dreißigjährige Krieg über die Vevölkerung brachte Was aber bedeutete der Dreißigjährige Krieg für die einfache Bevölkerung? Hunger, Seuchen, Terrorisierung durch die Soldateska gleich welcher Seite.
(Der folgende Überblick über die Grauslichkeiten, die der Dreißigjährige Krieg mit sich brachte, stützt sich auf: Jürgen Kuczynski, Geschichte des Alltags des Deutschen Volkes, Bd.I, Köln 1991)
Der Heimsuchung des Bauern durch die Landsknechte, deren Pferde das unreife Korn fraßen oder zertrampelten, folgte der Hunger, und dem Hunger folgten die Seuchen, die die ausgemergelten Menschen in Massen dahinrafften. Den Seuchen folgte wieder der Hunger, weil die Menschen, die die Äcker hätten bestellen sollen, der Pest zum Opfer gefallen waren. Und dann kamen wieder hungrige Söldner, die den Bauern unsäglichen Qualen unterwarfen, um ihn zur Preisgabe etwa versteckter Vorräte zu zwingen, denn geregelten Nachschub gab es nicht: Dem einen zogen sie mit einer Ahle ein Roßhaar durch die Zunge und bewegten es hin und her, dem anderen banden sie ein Seil um den Kopf, das etliche Knoten aufwies, und drehten es mit einem Knebel so fest zusammen, daß die Kopfhaut unter den Knoten platzte, wieder einem anderen flößten sie Jauche - den berüchtigten "Schwedentrunk" - ein. Ein protestantischer Geistlicher reimte nach einer solchen Mißhandlung:
Mistlaken etlich Maß
Goß man, als in ein Faß
Mir in den Leib zur Stunden,
Vier Kerels mich festbunden.
Andere beliebte Foltermethoden bestanden darin, die Daumen des Opfers an Stelle der Feuersteine in den Schraubenklemmen der Steinschloßpistolen einzuzwängen, oder einen Ladestock zwischen zwei fest zusammengebundenen Fingern rasch hin- und herzubewegen, so daß das Fleisch bis auf die Knochen verbrannte.
Der eine Historiker (Fr. Mehring) hält die Schweden für die Schlimmsten, und tatsächlich lautete ein Kinderreim der damaligen Zeit: "Bet', Kindchen, bet', morgen kommt der Schwed'". Ein anderer Historiker (G. Winter) meint, daß spanische und italienische Söldnerhaufen die grausamsten gewesen seien. Er belegt seine Auffassung mit folgender Schilderung:
"Man schoß die Leute ins Knie und drehte ihnen dann die Beine ab, sägte ihnen die Schienbeine an, machte Schnitte in die Fußsohlen, in die dann Salz gestreut wurde, schnitt ihnen Riemen aus dem Rücken, ja es kam vor, daß Kinder im Beisein der Eltern lebendig in den Backofen geschoben wurde. Daneben wurden hier wie fast überall, wo diese Horden hausten, die Weiber massenhaft zu Opfern der viehischen Lüste der entmenschten Soldateska. Frauen und Jungfrauen wurden in gegenwart ihrer Männer und Väter, zuweilen auf offener Straße geschändet, selbst die Schwangeren, denen man in bestialischer Wut die Brüste abschnitt, wurden nicht geschont. Es war , als hätten sich diese Horden vorgenommen, die ganze Bevölkerung buchstäblich zugrunde zu richten".
Die verschiedenen Landsknechtshaufen werden einander wohl wert gewesen sein. Sie waren so bunt zusammengewürfelt, daß sich eine Unterscheidung nach Nationalitäten erübrigt.
Ein Zeitzeuge berichtet von den Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs, Hunger Elend und sogar Kannibalismus:
"Wie jämmerlich stehen neue große Städte. Da zuvor tausend Gassen gewesen sind, sind nun nicht mehr hundert. Wie elend stehen die kleinen Städte, die offenen Flecken: da liegen sie verbrannt, zerfallen, zerstört, daß weder Dach, Gesparr, Thüren oder Fenster zu sehen ist. Wie sind sie mit den Kirchen umgegangen: sie haben sie verbrannt, die Glocken weggeführt, zu Cloaken, zu Pferdeställen, Marquetenderhäusern und Hurenwinkeln gemacht und auf die Altäre ihren Mist gelegt. - Ach Gott, wie jämmerlich steht's auf den Dörfern. Man wandert bei zehn Mailen und siehet nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling, wo nicht an etlichen Orten ein alter Mann und Kind oder zwei alte Frauen zu finden. In allen Dörfern sind die Häuser voller todten Leichname und Aeser gelegen, Mann, Weib, Kinder und Gesind, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben und unter einander von der Pest und Hunger erwürgt, voller Maden und Würmer, und von Wölfen, Hunden, Krähen, Raben und Vögeln gefressen worden, weil Niemand gewesen, der sie begraben, beklaget und beweinet hat. - Erinnert euch, ihr städte, wie Viele in ihrer großen Mattigkeit starben, welchen ihr nicht ein Bette von euren vielen übrigen zugeworfen, welche euch aber hernach von eurem Angesichte sind weggenommen worden. Ihr wisset, wie die Lebendigen sich unter einander in Winkeln und Kellern gerissen, geschlachtet und gegessen: daß Eltern ihre Kinder und die Kinder ihre todten Eltern gegessen: daß Viele vor den Thüren nur um einen Hund und eine Katze gebettelt: daß die Armen in den Schindergruben Stücke von Aas geschnitten, die Knochen zerschlagen, und mit dem Marke das Fleisch gekochet, das ist voll Würmer gewesen."
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