Nachdem ich im ersten Kapitel die Problematik der Prionen bereits umrissen habe, möchte ich nun näher ins Detail gehen.
Das verblüffendste an den Prionen ist wahrscheinlich ihre Vermehrung. Wieder einmal war es Stanley B. Prusiner der ihr auf die Spur gekommen war. Nachdem erst festgestellt hat, daß es 2 Arten von Prionen gab: das pathologische PrPsc und das gesunde PrPc, wobei das sc für "Scrapie" und das c für "cell", die Zelle steht. Die beiden waren chemisch gleich und hatten das selbe Molekulargewicht (33 - 35 kDa) aber es gab ganz offensichtliche Unterschiede. Während sich PrPc mit dem Enzym Protease K problemlos verdauen ließ bleibt das PrPsc das Kernstück (Position 90 - 230) über, verdaut wurde lediglich eine für die Funktion irrelevante, einfache Aminosäurekette. (Position 1 - 89) (Dieses Prinzip wird zur Zeit als BSE-Nachweistest angewandt.)
Der Unterschied war ganz offensichtlich physikalischer Natur, genauer gesagt in der räumlichen Faltung der Aminosäureketten. In Zusammenarbeit mit einem Züricher Forschungsteam konnte 1996 mittels kernmagnetischer Resonanz ein dreidimensionales Bild von der Prionen erstellt werden. Sie zeigte einen "globulären" Bereich, in dem sich 3 schraubenartigen gewunden Strukturen - alpha-Helices - befanden. Beim pathologischen Prion wandeln sich einige dieser Helices in Beta-Faltblätter um, die eine wellblechartige Struktur haben, die vom Enzym nicht mehr abgebaut werden kann.
Die Idee Prusiner war es, daß die pathologische Form mit unbekannten Mechanismen die gesunden Prionen dazu bringen kann, ihre Form zu übernehmen. Sein Modell sah vor, daß sich
PrPsc an PrPc anlagern und in einen direkten Katalyse umwandeln. Der Ort dieser Umwandlung ist die Zellmembran, wo sich für gewöhnlich vermehrt PrPc anlagern, und es wurde angenommen, daß der Vorgang, sehr zeitaufwendig war, da sonst Patienten mit erblichen Prionenerkankungen schon in frühester Kindheit sterben würden.
Das aber würde bedeuten, daß ohne das normale PrP, die Krankheit auch bei Infektion von PrPsc über der kritischen Mindestmenge von 100.000 infektiösen Einheiten keine Krankheit auslösen kann. So kam es zum berühmten Versuch von Charles Weissmann, der mit seiner Züricher Forschungsgruppe versuchte, Mäuse ohne dem PrP-Gen zu züchten, sogenannte "Knockout"-Mäuse. Tatsächlich würden diese Mäuse nach einer Injektion von infektiösen Prionen nicht krank, und Prusiners These galt als bestätigt.
Allerdings gab es Details, die dieses Modell auch nicht erklären konnte, wie die Notwendigkeit einer infektiösen Mindestmenge oder das mehrfach beobachtete eindimensionale Kettenwachstum der Prionen. Meist lag nämlich das PrPsc in den Hirnen der Opfer in Form von Stäbchen auf. Die Vermehrung des pathologische PrP mußte also einer Polymerisation ähnlich sein, die in langen Ketten erfolgt, wobei jeweils nur die Endstücke aktiv sind.
Diese Hypothesen wurde 1996 vom Nobelpreisträger in Chemie 1967 (Methoden zur Bestimmung der Geschwindigkeit von schnellen chemischen Reaktionen) Manfred Eigen aufgegriffen und er versuchte, sie sinnvoll in einem mathematische anwendbaren Modell zu vereinen. Er stellte fest, daß die PrPsc -Konzentration im Gehirn entweder stetig zunehmen oder abnehmen mußte, da auch Zerfallsprozesse auf sie wirkten. Zusätzlich zu den Protein-Protein-Wechselwirkungen rechnete er eine kooperative Wechselwirkung zwischen den Proteinen ein und konnte so ein Modell erstellen, daß sowohl die Existenz eines Schwellenwertes ( Mindestmenge von infektiösen Einheiten), als auch die lange Inkubationszeit.
Zusammen mit Martin Nowak (Wien) und Joanna Masel (Oxford) entwickelte er ein neues Vermehrungsmodell, daß die mathematischen Grundbedingungen erfüllt, und die Stäbchenbildung miteinbezog. Die PrPsc gruppierten sich demnach in Ketten, die jeweils an den Enden PrPc in PrPsc umwandelten. Die exponentielle Beschleunigung des Aufbaus läßt sich erklären, wenn man davon ausgeht, daß die Ketten nach und nach zerbrechen und somit weiter aktive Enden frei werden. Somit wurde die Wachstumsgeschwindigkeit von drei grundlegenden Faktoren beeinflußt:
Anlagerung einer Proteineinheit PrPc an ein Ende der PrPsc-Kette
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