Betrachtet man das Verhalten und die Ökologie der lebenden Fossilien, so wird ihre extrem konservative Evolution verständlicher. Es ist bemerkenswert, dass gerade manche dieser urtümlichen Lebewesen aus längst vergangenen Zeiten oft als allerletzte Arten in durch menschliche Umweltverschmutzung stark beeinträchtigen Gebieten überleben können, wenn für andere Arten die Toleranzgrenze längst überschritten ist. Als extremes Beispiel seien hier die Ginkgobäume genannt, die in Hiroschima der durch die Atombombe verursachten Katastrophe standhielten. Alles Leben im weiteren Umkreis wurde ausgelöscht. Es glich einem Wunder, als Ginkgobäume, die nur 2000 bis 3000 m vom Zentrum der Explosion entfernt standen inmitten der total zerstörten Vegetation im darauffolgenden Frühjahr wieder austrieben (s. KATO 1994: 36). Vor kurzem entdeckte man auch, dass sich der Ginkgo hervorragend für die Bepflanzung von Großstädten eignet, da seine extreme Anpassungsfähigkeit und Resistenz auch der Luftverschmutzung trotzt (s. SCHMIED 1994: 8).
Lebende Fossilien sind meist ökologische Generalisten: Sie können ein breites Spektrum unterschiedlicher Umweltbedingungen überstehen und sind dadurch besonders widerstandsfähig. "Dieses Durchhaltevermögen, das sie ökologisch zu einem ,Hans Dampf in allen Gassen´ macht, ist wohl ein wesentlicher Grund für ihre evolutive Unveränderlichkeit über Hunderte von Jahrmillionen." (ELDREDGE 1991: 108). Je flexibler eine Art in ihren ökologischen Bedürfnissen ist, desto eher wird sie eine Chance haben, unter den sich im Laufe der Zeit ständig ändernden Umweltbedürfnissen zu überleben. Stärker spezialisierte Arten sind zwar kurzfristig erfolgreicher, weil konkurrenzstärker als Generalisten und werden in ihrer Entstehung durch die natürliche Auslese gefördert, sie haben jedoch Schwierigkeiten mit sich ändernden Umweltbedingungen und werden immer wieder durch Aussterben dezimiert. Langfristig gesehen überdauern die wenig differenzierten Generalisten lange Zeiträume, während im Kreise der Spezialisten in rascher Folge neue Arten durch wiederholte Artabspaltungen die älteren ersetzen.
Ökologischer Generalismus mag für das Auftreten vieler lebender Fossilien eine wichtige Rolle spielen, er trifft aber nicht für alle Vertreter zu und ist außerdem nur einer von vielen unterschiedlichen Faktoren, die zusammenwirken.
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