Ein anderes Beispiel für das Bedürfnis von sozialen Kontakten sind die Kaspar-Hauser-Versuche, bei denen Tiere bei der Aufzucht isoliert wurden, wodurch verhindert wird, daß diese bestimmte Verhaltensweisen von Artgenossen erlernen können. Derartige Experimente dienen dazu herauszufinden, welche Fähigkeiten angeboren und welche erworben sind, ähnlich wie das Experiment von Kaiser Friedrich II. Dieses verhaltensbiologische Versuchsmodell ist nach dem Findelkind Kaspar Hauser benannt, der Anfang des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich isoliert in Gefangenschaft aufwuchs.
Kaspar Hauser (um 1812 bis 1833) war Findling unbekannter Herkunft, Gerüchten zufolge ein badischer Erbprinz aus dem Geschlecht der Zähringer. Kaspar Hauser tauchte am 26. Mai 1828 verwahrlost und mit unsicherem Gang auf dem Nürnberger Unschlittplatz auf. Auf Befragen von Passanten nach seiner Herkunft stammelte er nur den rätselhaften Satz "Ä sechtene Reutä möcht i wähn wie mei Vottä wähn is" ("Ein solcher Reiter möchte ich werden, wie mein Vater einer gewesen ist"). In einem Brief wurde der verstörte Fremde, der der Sprache kaum mächtig war, als Sohn eines Rittmeisters ausgewiesen. Der Junge wies jegliche Nahrung bis auf Brot und Wasser voller Ekel ab, schrieb, als man ihm Tinte und Feder reichte, ungelenk "Kaspar Hauser" auf ein Blatt Papier und gab an, am 30. April 1812 geboren und, mit einem Holzpferd als Spielzeug, in einem lichtlosen Raum eingesperrt aufgewachsen zu sein. Körperliche Deformationen ließen darauf schließen, daß Hauser seine frühe Kindheit in kauernder Haltung hatte verbringen müssen.
Hauser kam in die Obhut des Nürnberger Professors und Schriftstellers Georg Friedrich Daumer (Enthüllungen über Kaspar Hauser, 1859; Kaspar Hauser. Sein Wesen und seine Unschuld, 1873). Dieser nahm zahlreiche medizinische und magnetistische Experimente an ihm vor und versuchte, ihm elementare Bildung wie Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Gleichzeitig wurde der Fall des rätselhaften Fremden, der von der Zivilisation isoliert groß geworden war, international bekannt. Zahlreiche Monarchen (darunter König Ludwig I. von Bayern und der russische Großfürst Nikolaj Michajlowitsch) machten sich für ihn stark. Auch verkehrte er an Höfen und in Salons des In- und Auslands, wo er als wunderlicher Wilder und "Kind von Europa" herumgereicht wurde.
Bereits kurz nach dem Auftauchen Hausers war durch einen anonymen Hinweis aus Baden der Verdacht laut geworden, der Findling sei der von der Gräfin Luise von Hochberg kurz nach seiner Geburt gegen das todkranke Kind einer Bediensteten ausgetauschte Sohn des Großherzogs Karl-Friedrich und dessen Gattin Stéphanie; die Gräfin habe durch diesen Kindertausch die Erbfolge ihrer eigenen Linie in Baden sicherstellen wollen. Zwei nie aufgeklärte Attentatsversuche 1829 und 1831 gegen Kaspar Hauser schienen das Gerücht zu bestätigen. Auch der damalige Präsident des ansässigen Appellationsgerichts, Paul Johann Anselm von Feuerbach, der sich Hausers angenommen und ihn nach den Attentatsversuchen dem Ansbacher Volksschullehrer J. G. Meyer anvertraut hatte, kam in seiner Studie Kaspar Hauser. Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen (1832) zu einem ähnlichen Schluß: "Kaspar Hauser ist das eheliche Kind fürstlicher Eltern, welches hinweggeschafft worden ist, um andern, denen er im Wege stand, die Sukzession5 zu eröffnen."
Am 14. Dezember 1833 wurde Hauser eine Stichwunde beigebracht, an der er drei Tage später verstarb. Sein Schicksal regte zahlreiche Schriftsteller zu Bearbeitungen an, darunter Karl Gutzkow (Die Söhne Pestalozzis, 1870), Paul Verlaine (Gaspar Hauser chante, 1881), Jakob Wassermann (Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens, 1908), Georg Trakl (Kaspar Hauser Lied, 1915) und Peter Handke (Kaspar 1968). Kurt Tucholsky benutzte für seine Artikel in der Weltbühne den Namen des Findelkinds sogar als Pseudonym. Darüber hinaus existieren zwei Verfilmungen des Stoffes, eine von Werner Herzog (Jeder für sich und Gott gegen alle, 1974), die andere von Peter Sehr von 1993, die dezidiert die These von der adeligen Herkunft Hausers in den Mittelpunkt stellte.
Die adelige Herkunft Kaspar Hausers galt auch in Expertenkreisen lange als unumstößlich. Zahlreiche Biographen hatten mit Hilfe von Indizien den Standpunkt zu erhärten gewußt. Im November 1996 erbrachte eine genetische Untersuchung der Blutflecke auf Kaspar Hausers Kleidung, daß er in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu dem Hause Baden stand. Allerdings fehlt der eindeutige Beweis, das die untersuchte Kleidung tatsächlich diejenige Kaspar Hausers war. Die Herkunft Kaspar Hausers bleibt weiterhin im Dunkeln. Von daher hat die lateinische Inschrift auf Kapar Hausers Grabstein auf dem Sankt-Johannis-Friedhof in Ansbach ihre Berechtigung: "Hic jacet Casparus Hauser. Aenigma sui temporis, ignota nativitas, occulta mors" ("Hier ruht Kaspar Hauser. Rätsel seiner Zeit, von unbekannter Herkunft, rätselhaft sein Tod").
Abschließend zu meiner Hausarbeit, bleibt mir eigentlich nur noch zu sagen, daß die beschriebenen Experimente sicher nicht die einzigen sind und vor allem werden sie auch nicht die letzten ihrer Art sein. Meiner Meinung nach sind einige Experimente sehr grausam, vor allem die aus früheren Zeiten, wie zum Beispiel das von Kaiser Friedrich II. über die Bedeutung der Sozialkontakte der Menschen. Dabei ist mir aufgefallen, daß die moralisch-ethische Komponente ausgespart wurde, obwohl ich mir sehr gut vorstellen kann, daß dieser Kaiser, Friedrich II., nicht gefühllos war. Ich denke, daß sein Mitgefühl eigentlich über seinen Wissensdurst hätte siegen müssen, aber darüber kann ich leider nicht urteilen, da ich zu wenig über seinen Charakter und die gesellschaftlichen Umstände zu dieser Zeit weiß. Darauf hin ist mir die Frage gekommen, ob solche Experimente auch heute noch durchgeführt werden könnten und ich bin zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, daß so etwas nicht passieren würde, weil es zum einen Menschenrechtsgesetzte gibt, die so etwas verbieten und zum anderen könnte ich mir auch nicht vorstellen, daß es Eltern gibt, die einen Säugling so herzlos von sich geben würden - jedenfalls nicht in unserer westlichen Welt-, auch weil sie hierzulande unter einem gewissen gesellschaftlichen Zwang stehen, sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz, das besagt, die menschliche Würde zu achten.
Außerdem denke ich, daß Pawlow und Skinner Pioniere der Ethologie sind, da sie verschiedene Theorien auf eindrucksvolle Weise bestätigt haben. Ich bin mir auch sehr wohl darüber bewußt, daß der "Fall" Kaspar Hauser nicht unbedingt etwas mit dieser Hausarbeit zu tun hat, aber ich empfand es als meine Pflicht, wenigstens einen kurzen Einblick in das Leben des Kaspar Hausers zu gewähren und die Zusammenhänge von Ethologie und der literarischen Figur Kaspar Hauser ein bißchen näher zu erläutern.
Ganz ähnlich wie Kaspar Hauser ergeht auch heute noch Millionen von Kindern auf der ganzen Welt, seien es solche, die - wie schon erwähnt - in Kinderheimen aufwachsen, oder auch solchen die in gestörten Familien leben bzw. vielleicht sogar auf der Straße. Sie zeigen häufig abnorme soziale Auffälligkeiten in ihrem Verhalten - was statistisch erwiesen ist - , weil ihnen keiner "die Spielregeln des Lebens" -so nenne ich es - beigebracht hat; sie können einfach nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Auch sprachliche Defizite, wie Kaspar Hauser sie aufwies, sind später sehr schlecht wieder wettzumachen, wenn nicht sogar irreparabel, auch sehr schön zu sehen an dem "Fall" Kaspar Hauser; er hat zwar gelernt mehr oder weniger gut mit anderen Menschen zu kommunizieren, doch er lernte niemals wirklich sich verbal mit anderen auseinanderzusetzen. |