Gelegentlich stürzen ausgewachsene Bäume um und reißen eine Lücke in das Blätterdach, was jüngeren Pflanzen die Möglichkeit bietet, sich zu entwickeln. Sie fallen aus mehreren Gründen: Einige wurden von Eingeborenen gefällt, andere werden vom Blitz getroffen oder von Stürmen umgeknickt, die meisten sind aber einfach nur alt. Dazu kommst oft eine Epiphytenlast (auf Bäumen wachsende Pflanzen) oder ein Termitenbefall. Die Lücken sind ziemlich groß, da ein mit unvorstellbar kräftigen und dehnbaren Lianen versehener Baumriese seine Nachbarn mit zu Boden reißt. Zu jeder Zeit ist der Regenwald ein Mosaik aus gewachsenem Wald und solchen Lichtungen, deren Regeneration unterschiedlich weit fort-geschritten ist. Störungen sind der Schlüssel zu Lebenskraft und Vielfalt in einem Habitat, das ansonsten äußerst stabil ist und in dem langlebige Arten vorherrschen. Die Öffnung einer Lücke im Blätterdach erschüttert das Gleichgewicht des Waldes zutiefst. Die dichte Vegetationsdecke wird weggerissen, grelles Licht und frische Luft strömen hinein. In der Lücke herrscht höhere Temperatur und geringere Luftfeuchtigkeit als im Wald ringsherum, und der Verrottungsprozeß der beschädigten Vegetation setzt Nährstoffe frei. Hierauf setzt für die jungen Bäume der enorm wichtige, sofortige Wachstumsschub ein. Bald kommen die ersten Tiere, und schon wenig später drängen die Samen der umherstehenden Bäume auf den Plan. Nun beginnt eine sehr dynamische Phase im Kampf ums Überleben. Der junge \"Dschungel\" wächst rasch und hat sich nach weniger als 10 Jahren die selbe Laubdichte wie der Wald rundherum, allerdings ist er noch nicht so hoch. Während der ersten 15 Jahre kann man einen starken Artenwachstum beobachten. Nach 40-50 Jahren hat sich die Lücke schließlich geschlossen, doch können dort ganz andere Arten leben als früher. Viele Bäume haben sich dem Fehlen solcher Lücken angepaßt, indem sie große Samen und schattenvertragende Sämlinge hervorbringen. Dank der Nährstoffreserven der Samen gelingt es den Sämlingen, sich durchzusetzten, doch dann folgt eine Phase extrem langen Wachstums, bis sich eine Lücke auftut und sie ausreichend Licht und Wärme bekommen. Dann aber explodieren sie förmlich und wachsen mit rasanter Geschwindigkeit der Sonne entgegen. Ohne diesen Reiz können sie niemals ihre volle Größe erreichen oder sich vermehren, denn die reifen Bäume sind von hellem Licht und dem Leben in den Baumkronen abhängig. Ein solcher Baumtyp ist im amazonischen Regenwald vorherrschend. Naturkatastrophen aber verursachen weit größere Schäden, als die Lücken der umstürzenden Bäume. die Regeneration großer Freiflächen verläuft ganz anders als die kleiner. Hier siedeln sich zuerst opportunistische, kurzlebige Baumarten an, in Südamerika etwa die zur Familie der Nesselgewächse (Urticaceae) gehörenden Cecropia- oder der Alten Welt die Macaranga-Bäume., welche ihrerseits schattige Feuchtigkeit spenden, welche die Baumarten, die das neue Kronendach bilden werden, für ihr Wachstum benötigen. Cecropia-Bäume werden weder hoch noch alt. Selten werden sie über 18m hoch und ihre Lebenszeit beträgt nur 30-80 Jahre.
Dennoch kommt ihnen bei der Regeneration großer Lücken eine tragende Funktion zu, denn sie bieten schon nach kurzer Zeit dem empfindlichen Wurzelsystem Schutz; sie ermutigen Tiere, das verwüstete Gebiet aufzusuchen und dort zu bleiben, und sie spenden den notwendigen Schatten, in dem sich ein Unterstockwerk aus \"Kleinlückenbäumchen\" entwickeln kann. Durch das Absterben der Cecropia-Pioniere entstehen wieder kleine Lücken, die die Entwicklung der langlebigeren Baumarten ermöglichen. Störungen und Naturereignisse haben völlig andere Auswirkungen auf den Wald als selektive oder umfangreiche Abholzaktionen oder das Abbrennen großer Flächen. Im Gegensatz zu Feuer und schweren Maschinen lassen natürliche Störungen das Wurzelnetz unbeschädigt, was in vielen Fällen den einzigen Unterschied zwischen Wald und Wüste bedeutet.
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