Der Menschheit ist es bisher gelungen gegen eine Unzahl an Krankheitserregern zu bestehen. Können wir erwarten, dass es auch in Zukunft so sein wird?
An und für sich wäre darauf zu vertrauen, dass eine sinnvolle Evolution wie bisher ein gegenseitiges "Leben" und "Leben lassen" vorsieht, denn jede Mikrobe braucht ihren Wirt und wenn sie diesen ausrottet, ist auch ihr Überleben nicht gesichert, oder sogar zu Ende. Letzteres ist für Mikroorganismen nur zu vermeiden, wenn ein neuer Träger für diese gefunden wird. Es gibt aber auch einiges, was die Menschheit bedenklich stimmen sollte. Wir haben gegenüber der Vergangenheit wesentlich weniger Zeit für eine evolutionäre Entwicklung hinsichtlich der Anpassung an die bestehenden Gefahren durch schädliche Miroorganismen zur Verfügung. Mittels der modernen Transportmöglichkeiten werden diese gleichsam als blinde Passagiere über die ganze Welt verbracht. Demzufolge kommen sie in vergleichsweise kurzer Zeitspanne mit einer Vielfalt von unangepassten Opfern in Berührung. Zudem vermehrt sich die Zahl der möglichen Wirte rasant, wenn wir an das rapide Anwachsen der Weltbevölkerung, besonders in den Ballungszentren wie in Großstädten der Entwicklungsländer, und die hygienischen Missstände, die hier vorherrschen, denken. Noch nie musste sich unser Immunsystem schneller anpassen als in der heutigen Zeit.
Trotz allen medizinischen Fortschritts, welcher es dem Menschen heute ermöglicht die Wirkungsweise des Immunsystems zu verstärken, wird dieses weiterhin in erster Linie auf die Vielfalt der Verteidigungsmethoden, und die Fähigkeit der Selbstanpassung angewiesen sein. Nur durch diese beiden erwähnten Attribute war es bisher, und wird es auch in Zukunft möglich sein, der nun viel schnelleren evolutionären Veränderung und Weiterentwicklung der Mikroben erfolgreich Paroli zu bieten.
Wir können allem Anschein nach nicht darauf hoffen, dass sich evolutionär stärkere Abwehrsysteme entwickeln, oder dass hier etwas Neues und Besseres entsteht, denn alles, was es derzeit gibt, gab es zumindest in Ansätzen auch schon in früheren Lebensformen der Menschheit.
Wir sind derzeit in vielen Teilen der Welt, zumindest in den Industrieländern, besser ernährt und medizinisch versorgt, als es früher der Fall war. Dadurch haben dort viele ansteckende Krankheiten weitgehend ihre Schrecken verloren. Demzufolge wird es mit einiger Sicherheit auch eine Verminderung der Variabilität der Gene unserer Abwehr geben. Es bleibt aber zu hoffen, dass unsere genetische Vielfalt trotzdem einigermaßen erhalten bleibt, und dass ungenutzte Gene unserer Abwehr gleichsam wie ungenützte Waffen in unseren Lagern erhalten bleiben. Mit einiger Sicherheit können wir aber erwarten, dass unser Immunsystem auch in Zukunft entsprechende Antworten auf künftige Bedrohungen finden wird, voraussagen können wir dies jedoch nicht.
Durch die Reduktion oder das Verschwinden mancher Gene, welche Autoimmunerkrankungen begünstigen und die durch nun kaum mehr auftretende Infektionskrankheiten nicht mehr benötigt werden, wäre auch ein positiver Effekt gegeben. Dieser Trend birgt natürlich Gefahren, denn eine verminderte Vielgestaltigkeit von infektionsresistenten Genen kann und wird auch unsere Abwehrmöglichkeiten gegenüber neuen, dem Immunsystem unbekannten Erregern, empfindlich beeinträchtigen.
Die Menschheit steht auch vor der Frage, ob ihr Immunsystem in seiner langen Entwicklung nun sein Optimum erreicht hat und ob es rechtzeitig auf neue Entwicklungen evolutionärer Art reagieren kann. Wir können darauf keine Antwort geben, denn wir wissen auch nicht ob jemals in der Geschichte Erreger und Parasiten irgendeine Wirtsart ausrotten konnten.
Alles was uns bleibt ist Optimismus, weil wir es durch den medizinischen Fortschritt in der Vergangenheit geschafft haben, einzelne Arten von Mikroben zurückzudrängen. Dies gelang uns damit, dass wir unser Abwehrsystem durch entsprechenden künstlich hergestellten Kontakt mit abgetöteten bzw. geschwächten Miroorganismen (Impfung) schulen und damit verstärken konnten.
Vor allem könnte man darauf vertrauen, dass es die Vielgestaltigkeit des menschlichen Immunsystems in seiner jetzigen Ausformung ermöglicht, immer wieder neue Antworten auf Bedrohungen zu finden, aber auch darauf, dass sich Wirt und Parasit in evolutionärer Voraussicht auf ein gemeinsames Weiterleben einigen.
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