Anwendungsgebiete der Gentechnik Ich will mich speziell mit einem Anwendungsgebiet der Gentechnik auseinandersetzen. Es handelt sich um die Gendiagnostik in der Humanmedizin. Dieses Gebiet bietet durch die Tatsache, dass der menschliche genetische Code schon (fast) vollkommen entschlüsselt ist, faszinierend viele Möglichkeiten. Die Anwendungsmöglichkeiten der Gendiagnostik sind breit gefächert und reichen von kriminaltechnischen Untersuchungen (der Forensik) bis hin zur Diagnose von Erbkrankheiten. Im Folgenden will ich einen kleinen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten geben und werde später auf einige der Punkte näher eingehen: - Forensik - Vaterschaftsuntersuchungen - Erregerdiagnostik bei Infektionskrankheiten - Früherkennung und Verlaufsbeobachtung von Krebs - individualisierte Arzneimitteltherapie (Pharma- und Toxikogenomik) - Diagnostik nicht krankheitsbedingter Merkmale - Diagnostik erblich (mit)bedingter Krankheiten Zur Forensik: Schon seit Ende 1980 wird in der BRD der "genetische Fingerabdruck" (DNA Fingerprinting) genutzt. Es wird als eine neue Möglichkeit gerichtlicher Beweiserhebung und polizeilicher Fahndungstechnik eingestuft und findet Anwendung in Zivil- und Strafverfahren, sowie bei der Identifikation von Toten.
Bei diesem Verfahren werden Gewebeproben, Blutspuren etc. untersucht und ein "DNA-Bandenmuster" erstellt und untersucht ob es mit anderen Proben übereinstimmt. Dieses Verfahren wird auch bei Vaterschaftstest genutzt. Zur Erregerdiagnostik bei Infektionskrankheiten: In diesem Bereich hat die Gentechnik bis jetzt wahrscheinlich den konkretesten medizinischen Nutzen gebracht. Jährlich werden ca. 3,5 Millionen Blutspenden DNA-analytisch auf AIDS oder Hepatitis geprüft, dazu kommen Prüfungen auf Viren vor und nach Organtransplantationen oder zur Überprüfung des Hygienezustandes medizinischer Gerätschaften.
Auch bei der Differenzierung bakterieller Infektionen gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten. So müssen jetzt nicht mehr die Krankheitserreger kultiviert werden, das ist zeit- und materialaufwendig, erfordert geschultes Personal und beinhaltet auch ein gewisses Infektionsrisiko. Zur Früherkennung und Verlaufsbeobachtung von Krebs: Da Krebserkrankungen mit Veränderungen der DNA einhergehen, werden auch in diesem Bereich DNA-analytische Verfahren eingesetzt zur Früherkennung, Verlaufsbeobachtung und Erfolgskontrolle. Zur Diagnostik nicht krankheitsbedingter Merkmale: Dieser Bereich ist wohl das "klassische" Anwendungsgebiet der Gentechnik. Zurzeit werden fast ausschließlich Tests für relativ seltene Erbkrankheiten genutzt, die auf einen Defekt in einem einzelnen Gen zurückzuführen sind. In Zukunft werden solche Tests auch für Krankheiten eingesetzt werden, die durch mehrere Gene und Umwelteinflüsse bedingt sind (Krebs, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten zum Beispiel).
Zur Diagnostik erblich (mit)bedingter Krankheiten: Die Kenntnisse über genetische Faktoren, die an der Ausbildung von bestimmten Merkmalen und Eigenschaften beteiligt sind, haben sich durch die Entschlüsselung der menschlichen Gene enorm erhöht. So soll es zum Beispiel möglich sein die Lebensdauer, Neigung zur Gewalttätigkeit, Intelligenz oder die Körpergröße zu untersuchen. Es gibt weltweit mehrere Forschungsprojekte, in denen die Komponente nicht krankheitsbezogener Merkmale erforscht wird, aber diese Forschungen haben noch keinen Einzug in die Diagnosemedizin gehalten. Soweit klingt dieses Anwendungsgebiet vollkommen positiv und birgt neue Hoffnungen. Aber auch hier gibt es große ethische Streitpunkte, vor allem in der Pränataldiagnostik. Unter der Pränataldiagnostik versteht man die Untersuchung an Ungeborenen im Mutterleib.
Ziele sind: - Störungen der fetalen und embryonalen Entwicklung zu erkennen - durch Früherkennung von Fehlentwicklungen eine optimale Behandlung von der Schwangeren und des (ungeborenen) Kind zu ermöglichen - Befürchtungen und Ängste der Schwangeren zu objektivieren und abzubauen - der Schwangeren Hilfe bei der Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft zu geben Die Pränataldiagnostik ist (in meinen Augen) sinnvoll, da die Hälfte der Behinderungen von Neugeborenen auf eine Schädigung des Kindes während der Schwangerschaft oder Geburt zurückzuführen sind. Und mit Hilfe von durch Fruchtwasserpunktionen, Chorionzottenbiopsie, Plazentazentese, Fetoskopie und Nabelschnurpunktion entnommenem Zellmaterial des Kindes können so genetische Abweichungen herausgefunden werden. Wobei diese Verfahren nicht risikolos sind. Die Defekte die gendiagnostisch festgestellt werden können, sind noch nicht therapierbar und lassen nur zwei Optionen zu, einmal die Fortsetzung der Schwangerschaft oder den Abbruch. Und das ist hauptsächlich der so genannte "Knackpunkt" der Diskussion. Es wird befürchtet, dass durch diese Selektierung die Einstellung gegenüber Behinderten stark negativ beeinflusst wird und die Geburt behinderter Menschen als vermeidbar und gesellschaftlich als nicht erwünscht gelten könnte.
Weiterhin könnte sich eine Pflicht auf ein gesundes Kind entwickeln, und es könnte zu Schuldanweisungen gegenüber Frauen kommen, die die Pränataldiagnostik nicht nutzen und bewusst das Risiko der Geburt eines behinderten Kindes auf sich nehmen. In dieser Logik werden Frauen als Opfer einer dominanten medizinischen Technologie dargestellt, die keine andere Möglichkeit besitzen als Pränataldiagnostik zu nutzen und ggf. die Schwangerschaft abzubrechen. Andererseits werden auch Frauen als Täter gesehen, als Personen, die die Pränataldiagnostik nutzen um ihre "egoistischen Wunschvorstellungen" nach dem perfekten Kind zu verwirklichen. Diese Diskussion wird schon lange Zeit geführt und scheint auch kein Ende zu finden. Ansonsten ist in meinen Augen die Gendiagnostik in der Humanmedizin ein großer Schritt in Richtung eines Lebens mit höherer Lebenserwartung.
Und auch hier lässt sich sicherlich Stoff für eine Diskussion finden.
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