Die Geschichte der Anästhesie /
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Seit der Antike hatten sich Ärzte bemüht, den Schmerz bei chirurgischen Eingriffen zu lindern - bis zum 19. Jahrhundert waren die Möglichkeiten dazu allerdings sehr beschränkt und die Eingriffe meist unerträglich schmerzhaft.
Lange verwendete man Opium und Alkohole als Analgetika, und auch die Wurzeln der Alraune (Mandragora officinarum), die durch Shakespeares Romeo und Julia Berühmtheit erlangten, sowie Hyoscyamin (das Alkaloid der Bilsenkrautarten) wurden als Narkotika eingesetzt. Auch mit Aderlass, Kälte, Nervenkompression, Hypnose etc. wurde experimentiert. Doch bis zur chemischen Revolution des 19. Jhds. gab es keine echten Durchbrüche.
Im Jahre 1795 entdeckte Humphry Davy (1778-1829) die narkotisierende Wirkung von oxidiertem Stickstoff (N2O) und prägte den Namen Lachgas. Bald kam das Lachgas in Mode und wurde, insbesondere in den USA, zur Jahrmarktsattraktion. Man veranstaltete regelrechte "Lachgaspartys", wo die feine Gesellschaft dem Amüsement des Inhalierens jenes Gases frönte. Solche Veranstaltungen führten wohl einige Ärzte zu der Idee, dass man die schmerzbetäubende Wirkung des Stoffes medizinisch nutzen könnte.
1842 führte der Arzt und Chemiker William E. Clarke (*1818) zum ersten Mal eine Zahnoperation unter Verwendung von Äther (Diethylether) durch - ein Stoff, der 1540 als "süßes Vitriolöl" entdeckt worden war und ähnlich betäubende Eigenschaften besitzt wie Lachgas, jedoch wirksamer (und leider, wie wir heute wissen, auch sehr viel toxischer) ist.
Die Fachwelt, insbesondere Zahnärzte, waren begeistert. "Eine neue Ära des Zahnziehens!" meinte etwa euphorisch der Zahnarzt Horace Wells (1815-1848), der das erste Lachgasinhalationsgerät konstruierte. Dessen erste öffentliche Vorführung wurde allerdings ein schwerer Misserfolg.
Der wichtigste "Äther-Pionier" war der Bostoner Zahnarzt William Thomas Green Morton, der sich aber aufgrund einer Betrugsaffäre das Vertrauen der Kollegen verwirkte: Er setzte dem Äther Farb- und Aromastoffe zu und verkaufte es als von ihm neu entdecktes Gas.
Auch in Europa fand die Äthernarkose steigende Beliebtheit. "Welch ein Glück! Wir haben den Schmerz besiegt!" berichteten englische Zeitungen.
Doch da Äther die Lunge reizt und zu Erbrechen führt, wurde es bald vom 1831 entdeckten Chloroform (CHCl3) verdrängt, das wirksam und leicht zu verabreichen war. Den großen Durchbruch schaffte Chloroform, als es Königin Viktoria bei der Geburt ihres Sohnes Prinz Leopold zur Linderung der Geburtsschmerzen verabreicht wurde. (Heute wird Chloroform wegen seiner toxischen Wirkung kaum mehr verwendet.)
Eine Vollnarkose barg allerdings ihre Gefahren, und für kleine Operationen war eine tiefe Bewusstlosigkeit nicht nötig. So machte man sich auf die Suche nach einer Substanz, die ein bestimmtes Gebiet für lokale Eingriffe betäuben konnte - und wurde fündig bei der Coca-Pflanze, dessen Wirkstoff, das Cocain, 1859 isoliert wurde. Das Cocain bewährte sich und wurde zum ersten Lokalanästhetikum, welches 1885 erstmals von der Firma Merck synthetisiert wurde. Cocain hatte aber einen großen Nachteil - es ist suchterregend trotz allem noch relativ stark toxisch. 1904 wurde Novocain (Procain) eingeführt, ein synthetischer Cocain - Abkömmling, der nicht süchtig macht und eine wesentlich geringere Toxizität aufweist.
Ab den 1910ern wurde orale Intubation mit Hilfe von Röhren, die in die Tracheen eingeführt wurden, durchgeführt; in den 20ern und frühen 30ern wurde diese Technik perfektioniert. Dies erleichterte die Verabreichung von Inhalationsanästhetika immens. Die nächste wichtige Neuentwicklung war die intravenöse Verabreichung von Anästhetika. Die ersten intravenös verabreichten Wirkstoffe waren die seit 1903 bekannten Barbiturate, welche schnell und sanft eine Narkose herbeiführen konnten.
In den frühen 40ern kamen die Muskelrelaxantien auf. Der erste dieser Stoffe war Curare, ein aus Südamerika kommendes Gift.
1956 wurde Halothan eingeführt, ein Inhalationsanästhetikum, welches aufgrund der geringeren toxischen Wirkung zum Ersatz für Äther und Chloroform wurde.
Bis zum heutigen Tag wurden und werden ständig neue Wirkstoffe entwickelt, die auf höhere Wirksamkeit und geringere Nebenwirkungen abzielen. Aufgrund des pharmazeutischen Fortschrittes und dank moderner Monitoringsysteme ist die Narkose heute sehr sicher, und die Mortalitätsrate direkt durch Narkose liegt nur mehr bei ca. 1:250.000. In Zukunft sollten Forschungen auf dem Gebiet der Neurologie zu einem besseren Verständnis für die Vorgänge im Körper bei einer Narkose und damit zu noch effektiveren und sichereren Methoden führen.
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