Laut und leise, schnell und langsam; die Tiere des Regenwaldes haben sehr unterschiedliche Strategien entwickelt, um im Regenwald zu überleben - manche schon seit Jahrmillionen.
Typische Bewohner des Kronenbereiches sind der Brüllaffe und der Wollaffe sowie das Dreizehen-Faultier. Auch der nachtaktive Rotaugenlaubfrosch gehört in die Baumkronen.
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Roter Brüllaffe
In allen Regenwäldern leben Affen, die mit lauten Stimmen auf sich aufmerksam machen. Die Lautstärke-Meister unter ihnen sind die Brüllaffen, wie der etwa 57 Zentimeter große Rote Brüllaffe (Alouatta seniculus), der mit dem 60 Zentimeter langen Greifschwanz eine \"fünfte Hand\" besitzt.
Der unvermutete Schrei eines Brüllaffen direkt über einem ist markerschütternd. Der Ton wird in einem blasenartig vergrößerten und verköchertem Kehlkopf, dem \"Kehlorgan\" erzeugt. Oft ruft nur das stärkste Männchen eines Trupps, manchmal fallen weitere große Männchen oder die ganze Horde fällt mit ein. Das Gebrüll scheint hauptsächlich zum Abgrenzen der Reviere zu dienen. Die Brüllaffen, wie auch die meisten anderen Regenwaldprimaten nutzen für ihre Schreie den Frequenzbereich um 200 Hertz, der den dichten Regenwald am besten durchdringt. Und sie schreien bevorzugt am Morgen, ehe es zu warm wird und das Tonkonzert der Vögel und Insekten zu einer schwerdurchdringlichen Hintergrundskulisse wird. Brüllaffen fressen Blätter, Knospen, Blüten, Früchte und Nüsse.
Rote Brüllaffen kommen im mittleren und östlichen Amazonien vor. Braune Brüllaffen sind weiter südlich verbreitet, Rothand-Brüllaffen mehr nördlich, während Guatemala-Brüllaffen weite Teile Mittelamerikas bis hinunter nach Kolumbien besiedeln. Die atlantischen Küstenregenwälder Südamerikas sind Lebensraum der Schwarzen Brüllaffen. Hauptfeind dieser kleinen Affen ist ein riesenhafter Adler, die südamerikanische Harpyie (Harpia harpyja).
(c) Erwin Patzelt
Wollaffe
Der Wollaffe Lagothrix lagothricha (abgebildet) und der Gelbschwanzwollaffe (L. flavicauda) bewohnen die Regenwälder des mittleren und nördlichen Amazonasbeckens und leben meist in gößeren Horden zusammen. Diese können sich mit anderen Klammerschwanzaffen, wie Klammer- und Brüllaffen sowie Kapuzineraffen vergesellschaften.
Wie alle Klammerschwanzaffen besitzen sie einen muskulösen Greifschwanz (60 bis 70 Zentimeter), der als Klettersicherung dient. Beim Springen von Baum zu Baum lassen sich oft über zehn Meter in die Tief fallen oder hangeln sich schnell von Ast zu Ast. Normalerweise bewegen sie sich aber bedächtig und sichern sich mit dem Schwanz.
Dreizehen-Faultier
Die fünf Arten der bis 10 Kilogramm schweren und bis 70 Zentimeter langen Faultiere zählen zu einer sehr ursprünglichen Säugetiergruppe, den Nebengelenktieren, die sich mit einigen Arten bis in die Jetztzeit erhalten konnten.
Bei den Faultieren ist es aber nicht ein \"Überleben durch Trägheit\" sondern ein Überleben durch vielfältige Anpassung an den nährstoffarmen Regenwald. Während in den mittelamerikanischen Regenwäldern viele Säuger bereits stark dezimiert sind, gibt es Faultiere noch in recht hoher Zahl - nur es sieht sie kaum einer, wenn sie mit dem Rücken nach unten in den Ästen hängen:
Faultiere wie die Dreizehen-Faultiere der Gattung Bradypus mit seltsam gebauten Haaren ausgestattet: die Haare sind marklos und von einer lockeren Zellschicht überzogen, die längs- oder quergefurchte Strukturen schafft. In den Rillen siedeln sich Cyanobakterien der Gattungen Trichophilus und Cyanoderma an, die dem Fell eine grünliche Färbung geben. Der Scheitel des Fells befindet sich auf der Bauchseite, so daß das Regenwasser abtropfen kann.
Faultiere bewegen sich sehr langsam und schlafen rund 18 Stunden am Tag. Der Grund für diese Trägheit ist die Ernährung: sie fressen nur Blätter von etwa 20 Baumarten, wobei der Ymbahuba-Baum (Cecropia lyratiloba) besonders wichtig ist. Viele Regenwaldbäume enthalten als Fraßschutz Gift oder ihre Blätter sind derb, nährstoffarm und unverdaulich. Die Blätter ihrer Nahrungspflanzen können Faultiere mit Hilfe eines komplizierten Magens und speziellen Bakterien verdauen (wie auch viele Regenwald-Affen). Die Nahrungsumsetzung ist aber sehr langwierig und der \"Komposthaufen im Bauch\" produziert nur wenig Energie, aber enorme Kotmengen, die das Faultier etwa alle acht Tage auf dem Boden entleert. Es wurde beobachtet, daß die Abkühlung nach einem Gewitter bei mehreren Tieren ein sehr unglücklich aussehendes Kriechen zu einem Kothügel auslöste.
Rotaugenlaubfrosch
Der mittelamerikanische Rotaugenlaubfrosch Agalychnis callidryas lebt in den Regenwäldern des Tieflandes und abfallender Berghänge in Höhen bis zu 960 Meter. Die Weibchen werden mit 71 Millimeter deutlich größer als die 56 Millimeter langen Männchen.
Sie sind sehr langsam kletternde Baumbewöhner, die den feuchten Tieflandregenwald bevorzugen. In Regionen, die eine Trockenzeit aufweisen über dauern sie die wasserarme Zeit in den Trichtern von Palmen oder in Bananenstauden. Tags hoch in den Baumen versteckt, steigen sie nach Einbruch der Dunkelheit laut quackend zu Gewässern hinab. Dort finden sich auch die Paare. Ein Weibchen bewegt sich auf das quakende Männchen zu, wird vom ihm umklammert und steigt einen Baum hinauf. Die Eier werden auf der Innenseite großer Blätter, die über ein Gewässer ragen, abgelaicht und angeheftet. Ein Gelege enthält zwischen 25 und 80 hellgrüne Eier. Nach einer Woche haben sich Kaulquappen entwickelt, die ins darunter befindliche Wasser \"abtropfen\" und sich innerhalb von 80 Tagen soweit zum Fröschlein entwickelt haben, das zum Landleben übergegangen werden kann.
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