Das Experimentbr /
Schon am 25. April 1986 sollte ein Experiment stattfinden, es sollte überprüft werden, ob die Turbinen bei einem kompletten Stromausfall im Kraftwerk noch genügend Strom liefern können, um die Notkühlung des Reaktors zu gewährleisten. Um das Experiment unter realistischen Bedingungen stattfinden zu lassen, wurde das Notprogramm \"Havarieschutz\" abgeschaltet, in dem alle wichtigen Sicherheitseinrichtungen wie die Notkühlung und das Einfahren der Bremsstäbe zusammengefaßt sind, doch der Beginn des Experiments wurde verschoben, sodass die unvorbereitete Nachtschicht des 26. April das Experiments durchführen musste, dessen Versuchsanordnung den Reaktor praktisch schutzlos gemacht hatte.
Der Unfall
Durch einen Bedienungsfehler fiel die Reaktorleistung ab. Um sie wieder anzuheben, entfernten die Operatoren Bremsstäbe und unterschritten dabei die zulässige Minimalgrenze von 28 Stäben. Damit war der Reaktor in einem gefährlichen Sicherheitszustand. Die Operatoren schalteten zu viele Kühlpumpen zu, sodass der mit wenig Leistung arbeitende Reaktor das ihn umfließende Wasser nicht mehr verdampfen konnte. Das Wasser begann aufzukochen, und erste Schläge waren zu hören. Als die Bedienungsmannschaft nun den Strom abschaltete und nur die Auslaufenergie der Turbine die Wasserpumpen antrieb, wurde weniger Kühlwasser durch den Reaktorkern gepumpt. Das Wasser wurde heißer. Da der Reaktor nur bei verdampfendem Kühlwasser ausreichend gekühlt werden kann, begann seine Leistung anzusteigen. Spätestens an dieser Stelle wäre der Havarieschutz komplett angelaufen und hätte die Katastrophe verhindert, aber er war abgeschaltet. Es wurden alle Bremsstäbe eingefahren. Doch genau an diesem Punkt trat der Konstruktionsfehler auf: Die Einfahrgeschwindigkeit der Bremsstäbe war viel zu niedrig. Außerdem befanden sich an der unteren Spitze der Bremsstäbe Graphitköpfe, welche die Kettenreaktion nur noch beschleunigen. Das Einfahren der Bremsstäbe soll die Kettenreaktion aber stoppen. Der Konstruktionsfehler des RBMK führte genau zum Gegenteil. Da die Graphitspitzen zuerst eingeführt wurden, erhöhte sich die Leistung für den Moment sprungartig - der letzte Schub, der \"Todesstoß\" für den außer Kontrolle geratenen Reaktor. Fatalerweise hatten sich durch die ungeheure Hitze im Reaktorkern auch noch die Kanäle der Bremsstäbe verformt, und die Bremsstäbe verklemmten sich unwiderruflich. Die Katastrophe war nicht mehr zu verhindern. In der aktiven Zone begann eine chemische Reaktion zwischen Zirkonium und dem Dampf. Es bildeten sich Wasserstoff und Sauerstoff - Knallgas! Die mächtige Knallgasexplosion zerriß den Reaktor und alles, was ihn umgab. Ein großer Teil des radioaktiven Reaktorinhalts wurde nach außen geschleudert. Glühende Teile entzündeten Dächer und den benachbarten 3. Block. Nur der heldenhafte Einsatz von Feuerwehrleuten und Kraftwerksmitarbeitern verhinderte diese Nacht eine noch größere Katastrophe. In den nächsten Monaten kamen sogeannte \"Liquidatoren\" nach Tschernobyl (Soldaten, Studenten und \"Freiwillige\"), die das Kraftwerk noch weitere Gefahrenquellen eliminierten und schließlich den Sarkophag umbauten, der heute den explodierten 4. Block umschließt. Die Zahlenangaben zu den eingesetzten Personen schwanken zwischen 600.000 und 1,2 Millionen Menschen. Ebenso schwer ist eine Opferbilanz zu ziehen. Vielmehr sind die meisten Todesfälle auf die Spätfolgen der Verstrahlung zurückzuführen, z.B. auf Krebserkrankungen, Immunschwäche-Krankheiten (\"Tschernobyl-Aids\"), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen (Selbstmord). Heute schwanken die Zahlen über alle Tschernobyl-Opfer zwischen 10.000 und über 250.000! Genau wird man es nie herausfinden, zumal in ganz Europa, noch heute \"Unbeteiligte\" an den Folgeschäden von Tschernobyl sterben. Vor allem die Krebs- und Kindersterblichkeitsraten steigen explosionsartig. Der medizinische Zustand der Kinder, die verstrahlt aufwachsen, ist erschreckend. Diese Folgen werden sich nicht auf die heutigen Generationen beschränken.
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