Es trat eine neue Kategorie auf, die Faszination des \"Objektives\": Die Aufnahme sagt die Wahrheit, sie sagt, wie es wirklich war, wie ein Ereignis echt verlief, sie war also ein Dokument, ein unbestechlicher Beweis. Auf der Aufschrift einer Wandtafel im Fotomuseum heißt es: \"Fotografie ist unser Fenster zur Welt\".
Die Fotoreportage hatte in den Zwanziger Jahren voll eingesetzt. Mit der Fotografie wurde es anders. Was fesselte war die Aktualität. Die nun geübten neuen Bildrasterverfahren und Rotationspressen der Zeitungen ermöglichten die sofortige aktuelle Wiedergabe im Druck.
Bilder vermögen zu Sensationen zu werden. Der Bildreporter hat dafür zu sorgen, daß Sensationen zu Bilder werden. Fotoreportage war ein Anfang: Ein Text, der ausführliche Informationen gab, wird zu seiner Intensivierung von einem Foto begleitet. Nicht allzulange sollte es allerdings dauern, bis sich dies zum Bildbericht ausweitete. Bilder oftmals in ganzer Folge geben die Informationen, der begleitende Text wird auf einen knappen Kommentar beschränkt. Das war der Aufstieg der illustrierten Zeitung.
Fotoreporter als Sensationssucher gerieten unter Erfolgszwang: die Konkurrenz steigerte sich. Leserzahlen vervielfachten sich durch hervorragende Bildberichte. So entwickelte sich die Fotografie zu einem gewaltigen wirtschaftlichen Element. Der Berichterstatter, Bildreporter, gewann eine Position, er wurde zu einer Instanz.
1936 erschien in New York eine Wochenzeitschrift, die mit dem Titel \"Life\" schon ein Programm ausdrückte, hieß das Ziel \"To see life - to see the world\". Bis Dezember 1972 sollte sie die dominierende Zeitschrift der Welt bleiben. Die Welt nicht nur sehen, sondern erleben lassen, das war es, was dem unvergleichbaren Team von Meisterfotografen zum Ziel geworden war. Man verstand die Fotografen von \"Life\" als Frontsoldaten und als Stars, deren Ziel nichts anderes war als Bilder. Das Life Archiv bestand aus 18 Millionen Fotos.
Livefotografie, das bedeutete zunächst Reportage, geistesgegenwärtigen Zugriff auf das Geschehen. Das wohl berühmteste - und auch erschütterndste - Beispiel stammte von Sam Shere, der 1937 statt des erwünschten Bildberichtes über die Ankunft des stolzen Luftschiffes Hindenburg auf dem Flugfeld, den fürchterlichen Augenblick der Explosion festhielt und ihn damit zu einem historischen Bilddokument machte.
Viele Livereporter machten Fotos auf dem Schlachtfeld während des Krieges, viele verloren dabei ihr Leben. Kriegsbilder wurden zu den furchtbarsten Dokumenten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man außer aktuellen Berichten auch ungewöhnliche Reportagen über alltägliche Themen zu veröffentlichen. Schon damals machte man die bis heute geltende Erfahrung, daß Fotos besonderer Ereignisse, z.B. einer königlichen Hochzeit, viel attraktiver für eine Zeitschrift sind als Themen aus dem Alltagsleben.
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