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ls am 20. Juli 1969 Edwin A. Aldrin und Neil A. Armstrong als erste Menschen auf dem Mond landeten, bedeutete dies für die USA einen der allergrössten Siege über ihren Gegner im Kalten Krieg, der Sowjetunion. In der Folgezeit betonte die sowjetische Führung immer wieder, dass sie nie eine Landung auf dem Mond geplant hätten; die amerikanischen Bestrebungen seien demnach nur ein Schattenboxen gewesen. Erst kürzlich freigegebenes Material belegt das Gegenteil. Persönliche Rivalitäten, wechselnde politische Allianzen und bürokratische Hemmnisse hatten Fehlschläge und Verzögerungen im sowjetischen Mondlandeprogramm zur Folge. Dagegen fand das amerikanische Projekt bei Politikern und in der Öffentlichkeit breite Unterstützung. Der NASA und ihren Zulieferern standen zahlreiche kompetente und hochmotivierte Mitarbeiter und Führungskräfte zur Verfügung. Zudem war die NASA finanziell besser und effektiver ausgestattet als ihr sowjetisches Pendant. Aus all diesen Gründen gingen die Vereinigten Staaten trotz dem anfänglichen Rückstand als Sieger aus dem Rennen um den Mond hervor.
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it dem Start von Sputnik 1, dem ersten künstlichen Erdtrabanten, hatte die UdSSR im Oktober 1957 das Raumfahrtzeitalter ganz unerwartet eröffnet. Der 3. November 1957 brachte der Welt dann die Sensation: Der erste lebende Passagier, die sowjetische Hündin Laika, war mit Sputnik 2 in den Weltraum aufgestiegen. Nur zwei Jahre später funkte die sowjetische Sonde Lunik 1 die ersten Nahaufnahmen von der Mondoberfläche zur Erde. Im August 1960 wurden die beiden Hündinnen Strelka und Belka nach 18 Erdumrundungen gesund und munter aus Sputnik 5 geborgen. Strelka warf später sechs gesunde Junge, wovon eines dem amerikanischen Präsidenten (John F. Kennedy) geschenkt wurde. Am 12. April 1961 schliesslich umrundete der Kosmonaut Juri A. Gagarin als erster Mensch in einer Raumkapsel (Wostok 1) die Erde. Die Moskauer Machthaber gaben jede dieser Leistungen als Beweis für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Überlegenheit des Kommunismus aus.
Der sowjetische Vorsprung bei den Trägersystemen verstärkte in den USA die Furcht vor einer sogenannten Raketenlücke. John F. Kennedy machte dies 1960 zu einem zentralen Thema seines Präsidentschaftswahlkampfes. Kennedys Amtsvorgänger Dwight D. Eisenhower sah keinerlei Zusammenhang zwischen spektakulären Errungenschaften im Weltraum und der Stärke seines Landes; er lehnte auch alle allein aus politischen Gründen geplanten Vorhaben dieser Art ab. Gleichwohl gründete er im Juli 1958 die NASA, in der alle vorhandenen Ressourcen zum Aufbau eines zivilen Raumfahrtprogrammes zusammengeführt wurden. So war vielleicht unvermeidlich, dass die NASA schon bald auf prestigeträchtige Ziele drängte.
Kennedy hingegen sah einen engen Zusammenhang zwischen der Erforschung des interplanetaren Raums und globaler Vollmacht. Vor dem Hintergrund der weltweiten Begeisterung über Gagarins Flug entschied er, die USA hätten die Sowjets in der bemannten Raumfahrt zu übertrumpfen. Am 20. April 1961 beauftragte er den Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson, den er zu seinem obersten Berater für Weltraumfragen ernannt hatte, herauszufinden, ob die USA die Möglichkeit hätte, die Führung im All zu übernehmen.
Innerhalb von zwei Wochen liess Johnson die Durchführbarkeit verschiedener Raumfahrtprojekte untersuchen. Er liess sich unter anderem von Wernher von Braun beraten, der im zweiten Weltkrieg das Raketenwaffenprojekt (V1 und V2) der deutschen Heeresversuchsanstalt in Peenemünde geleitet hatte und von der US-Armee in den letzten Tagen des Dritten Reiches mitsamt seinem Mitarbeiterstab in die USA geholt worden war, wo er nun eine Arbeitsgruppe von Raketeningenieuren leitete. In seinem Gutachten vom 29. April kam Braun zu dem Schluss, dass die Sowjetunion beim Errichten einer Raumstation kaum zu schlagen sei. Allerdings bestünde eine realistische Chance, ein dreiköpfiges Astronautenteam noch vor den Sowjets um den Mond zu schicken; beim Wettlauf um die erste Landung auf dem Mond seien die Chancen sogar sehr gut. Die Prognose für eine Mondlandung sei deshalb am Besten, weil dafür "die jetzige Stärke der sowjetischen Raketen um das Zehnfache verbessert werden müsste. Wir haben zwar keine solche Rakete, doch die Sowjets vermutlich auch nicht". Bei einem sofortigen Einsatz aller verfügbaren Mittel sei allerdings die Entwicklung eines geeigneten Trägersystems bis 1967 oder 1968 möglich .
Am 8. Mai 1961 legte Johnson Präsident Kennedy die Untersuchungsergebnisse vor. Der Bericht war unterzeichnet vom Verwaltungschef der NASA und dem Verteidigungsminister. Beide empfahlen noch vor Ende des Jahrzehnts eine bemannte Mondmission durchzuführen; "Unsere Fähigkeiten sind ein wichtiges Element im internationalen Wettstreit zwischen dem sowjetischen System und dem unsrigen". Für beide war die Erforschung des Mondes und der Planeten "ein Teil des Kampfes an den fliessenden Fronten des Kalten Krieges".
Kennedy schloss sich dieser Empfehlung an und trug sie am 25. Mai in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus vor. Er gelobte, dass "noch vor Ende des Jahrzehnts" Amerikaner ihren Fuss auf den Mond setzen würden.
Der Aufruf des Präsidenten fand bei der Bevölkerung ein breites Echo. Innerhalb weniger Wochen erhöhte der Kongress das Budget der NASA um 89 Prozent; eine weitere Aufstockung um 101 Prozent folgte im Jahr darauf. Zwischen 1961 und 1963 nahm die Zahl der NASA-Mitarbeiter von 16\'500 auf mehr als 28\'000 zu.
Im ersten Jahr nach Kennedys Ankündigung entbrannte jedoch ein Expertenstreit darüber, wie man Menschen am besten zum Mond und zurück bringen könne. Ein Vorschlag war, die Teile eines Raumschiffes mit mehreren Raketen in eine Erdumlaufbahn zu bringen, es dort zusammenzubauen und dann im Orbit zu starten. Der Wissenschaftsberater des Präsidenten, Jerome Weisner, und einige führende Mitarbeiter der NASA bevorzugten anfangs ein solches "Rendezvous in der Erdumlaufbahn". Im Verlaufe der Diskussion sprachen sich jedoch immer mehr NASA-Ingenieure für eine andere Strategie aus, die sie Rendezvous in der Mondumlaufbahn nannten. Danach sollte das gesamte Apollo-Raumfahrzeug direkt aus dem Schwerefeld der Erde katapultiert werden und in einen Mond-Orbit einschwenken. Eine kleine Landefähre würde die Astronauten auf den Erdtrabanten und wieder zum Mutterschiff bringen können, das schliesslich zur Erde zurückkehrte. Dieses Vorgehen würde das Gesamtgewicht der Apollo-Kapsel deutlich reduzieren, so dass die gesamte Mission mit einer einzigen Saturn-V-Rakete durchzuführen sei.
Die NASA wies Weisners Einwände zurück und genehmigte den Plan eines Rendezvous in der Mondumlaufbahn, weil sich so Kennedys Vision innerhalb der von ihm gesetzten Frist am ehesten realisieren zu lassen schien.
Gegen Ende 1962 hatten sich die USA auf den Weg zum nächsten Himmelskörper gemacht - nicht so jedoch die Sowjetunion.
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och bis vor wenigen Jahren behaupteten sowjetische Regierungsvertreter, die USA seien allein zu diesem vermeintlichen Wettlauf angetreten. Das sowjetische Mondfahrtprogramm war ein streng gehütetes Geheimnis gewesen, das sich erst unter Michail Gorbatschows Glasnost-Politik, der Offenheit in allen öffentlichen Angelegenheiten, und insbesondere nach dem Zusammenbruch der UdSSR zu lüften begann. Mehrere hochrangige Funktionäre des Raumfahrtprogrammes der sechziger Jahre - allen voran Wassili P. Mischin, der das bemannte Projekt von 1966 bis 1974 leitete - durften erst kürzlich ihre Aufzeichnungen veröffentlichen. Am 18. August 1989 druckte die sowjetische Tageszeitung "Iswestija" einen ausführlichen und bis dahin beispiellos freizügigen Bericht über die erfolglosen Anläufe. Immer neue Photos und technische Beschreibungen wurden veröffentlicht. Eine kürzlich fertiggestellte Studie des französischen Weltraumwissenschaftlers Christian Lardier hat wichtige Hintergrundinformationen zutage gefördert. Inzwischen haben wir ein recht deutliches Bild vom wirklichen Umfang des sowjetischen Mondfahrtprogramms gewinnen können.
Bei seinem ersten Gipfeltreffen mit dem sowjetischen Premierminister Chruschtschow im Juni 1961 schlug Kennedy zweimal vor, eine gemeinsame amerikanisch-sowjetische Mondexpedition zu unternehmen. Chruschtschow ging darauf nicht ein, was wohl zumindest teilweise daran lag, dass die Sowjetunion von Kennedys Ankündigung eines Landungsvorhabens überrascht worden war. Die sowjetische Führung war so von ihrem Vorsprung überzeugt gewesen, dass sie eine Konkurrenz der USA auf diesem Gebiet nie ernsthaft erwogen hatte.
Erst nach einer mehr als dreijährigen internen politischen Debatte verkündete der Kreml zögernd ein eigenes Mondfahrtprogramm. Bis dahin hatten die sowjetischen Entwicklungsbüros verbissen um Zuständigkeiten und Mittel für solche Unternehmungen gekämpft. Diese Konflikte blockierten lange die Ausarbeitung eines koordinierten Aktionsplans.
Eines dieser Entwicklungsbüros leitete Sergei P. Korolew, der führende Raumfahrtingenieur der UdSSR. Er war gewissermassen der russische Wernher von Braun. Korolew hatte sowohl die bis dahin für alle Raummissionen verwendeten Raketen entworfen, als auch die meisten Programme zur Entwicklung von Nutzlasten; er war ein energischer und begeisterter Befürworter der bemannten Raumfahrt. Seine Tätigkeit war so geheim, dass zu seinen Lebzeiten nur vom "Cheftechniker" die Rede war; erst nach seinem Tode wurde sein Name öffentlich genannt.
Zu Beginn der sechziger Jahre entflammte ein auch persönlich bedingter organisatorischer Streit zwischen Korolew und Walentin P. Gluschko, dem Leiter des Laboratoriums für Gasdynamik und Hauptentwickler der sowjetischen Raketentriebwerke. Ihre Gegnerschaft reichte bis in die dreissiger Jahre zurück, als Korolew auch aufgrund von Gluschkos Aussagen in ein Zwangsarbeitslager geschickt worden war.
Der fachliche Konflikt entbrannte um das Antriebskonzept für die nächste Raketengeneration: Als Treibstoff wollte Korolew energiereichen flüssigen Wasserstoff verwenden (der auch in den oberen Stufen der amerikanischen Saturn 5 verwendet wurde); Gluschko hingegen interessierte sich ausschliesslich für die Entwicklung eines Antriebs mit lagerfähigen, aber hochgiftigen selbstzündenden Raketentreibstoffen wie Hydrazin und Distickstofftetroxid.
Ihr Dissens wurde so feindselig, dass Gluschko die Zusammenarbeit mit Korolew bei der Entwicklung einer neuen Rakete verweigerte. Statt dessen tat er sich mit dem von Wladimir N. Tschelomei geleiteten Entwicklungsbüro zusammen, um sich gegen Korolew um den Zuschlag für die Mondmission zu bewerben. Tschelomeis Gruppe hatte zwar militärische Raketen entwickelt, jedoch noch keinerlei Erfahrung mit Weltraum-Trägersystemen gesammelt. Allerdings arbeitete Chruschtschows Sohn Sergei bei Tschelomei; das bot in einem System, in dem persönliche Beziehungen oftmals entscheidend waren, viele Vorteile. Tschelomei wiederum wollte das Arbeitsgebiet seines Entwicklungsbüros auf Kosten von Korolew erweitern.
Nachdem Tschelomei einige wesentliche Fortschritte gemacht hatte, beauftragte der Kreml im August 1964 sein Entwicklungsbüro mit dem Bau einer Rakete (UR-500, später in "Proton" umbenannt) mit der eine Mondumrundung ohne Einschwenken in eine Umlaufbahn möglich würde, sowie mit dem Bau eines Raumschiffs. Damit sollten bis zum Oktober 1967, dem 50. Jahrestag der bolschewistischen Oktoberrevolution, Kosmonauten um den Mond geschickt werden. Tschelomeis Sieg über Korolew hatte jedoch nur kurzen Bestand, denn schon im Oktober 1964 wurde Chruschtschow vom Politbüro aller Ämter enthoben.
Die nachfolgende Führung merkte rasch, dass nur geringe Fortschritte erzielt worden waren, obwohl Tschelomeis Gruppe den grössten Teil der zur Entwicklung des Mondfahrtprogramms vorgesehenen Mittel erhalten hatte. Schon bald fiel das gesamte Entwicklungsbüro in Ungnade; sein Kontrakt für die Vorbereitung einer Mondumrundung wurde gestrichen.
Korolew war unterdessen nicht völlig aus dem Raumfahrprogramm entfernt worden. Nach seinen Erfolgen bei der Umrüstung von Interkontinentalraketen für die ersten sowjetischen Raumsondenflüge hatte er an der Konstruktion einer Hochleistungs-Trägerrakete, der N-1, gearbeitet. Mitte 1962 genehmigte die Keldysch-Kommission die Entwicklung einer N-1 mit einer Nutzlast von 75 Tonnen, lehnte jedoch Korolews Plan für ihren Einsatz zu Mondmissionen aus der Erdumlaufbahn ab.
Die ersten Testflüge der N-1 waren für 1965 vorgesehen. Wegen dem Konflikt mit Gluschkos Gasdynamik-Laboratoriums musste Korolew eine andere Bezugsquelle für Raketenmotoren finden. Er wandte sich an das Entwicklungsbüro von Nikolai D. Kusnetsow, das zuvor Flugzeugtriebwerke konstruiert hatte. Diese Arbeitsgruppe musste deshalb bei der Entwicklung von Raumtriebwerken ganz von vorne beginnen. In der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit konnte Kusnetsow nur einen herkömmlichen, verhältnismässig schwachen Raketenmotor entwickeln. Dreissig solcher Triebwerke waren in der ersten Raketenstufe erforderlich, um die für eine Mondmission erforderliche Schubkraft zu erzeugen. (Die erste Stufe der amerikanischen Saturn 5 benötigte nur fünf Triebwerke.)
Nach Chruschtschows Sturz änderte sich die Zielsetzung des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Im Dezember 1964 erteilte die Keldysch-Kommission - die jetzt nicht mehr befürchten musste, in der Partei- und Regierungsspitze Ärger zu erwecken - Korolews Plan einer bemannten Mondmission eine vorläufige Genehmigung. Dieser überarbeitete Vorschlag basierte auf einer weiterentwickelten, stärkeren N-1-Trägerrakete und einem Rendezvous-Verfahren ähnlich dem für die Apollo-Missionen geplanten. Ein erster Landeversuch war für 1968 vorgesehen - in der Hoffnung, man könne die USA doch noch schlagen.
Gerade als das sowjetische Raumfahrtprogramm anzulaufen begann, starb Korolew völlig unerwartet im Januar 1966 während einer einfachen Operation. Damit war das Unternehmen seines fähigsten und erfolgreichsten Kopfes beraubt. Seinem Nachfolger Wasili Mischin fehlten vergleichbare Führungsqualitäten wie auch das entsprechende Durchstehvermögen. Streitigkeiten mit diversen anderen Ministerien und Entwicklungsbüros verzögerten den Fortschritt. Tschelomei forcierte auch weiterhin die Pläne für ein alternatives Mondlandeverfahren. Zu allem Übel erwies sich die weiterentwickelte N-1-Trägerrakete als zu schwach, so dass sie erneut überarbeitet werden musste.
Erst im November 1966 genehmigte die Keldysch-Kommission das Mondlandeprojekt endgültig. Regierung und Partei erliessen im darauffolgenden Februar ein gemeinsames Dekret zur Unterstützung des Projekts; dennoch blieben die zur Verfügung gestellten Mittel unzureichend. In der Zwischenzeit hatte man den Termin für einen ersten Landeversuch auf dem Mond in die zweite Hälfte des Jahres 1969 verschoben.
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n den USA wusste man von der sowjetischen Weiterentwicklung der N-1, war sich jedoch über eine mögliche Verwendung nicht im klaren. Im Jahre 1964 beobachteten US-Aufklärungssateliten den Bau einer Startrampe für eine neue, grosse Trägerrakete; drei Jahre später wurde eine zweite derartige Baustelle entdeckt. In einem im März 1967 angefertigten und 1992 freigegebenen Bericht meinte der amerikanische Geheimdienst CIA, dass "die Sowjets je nach ihrer Einschätzung des Apollo-Zeitplanes möglicherweise hoffen, als erste den Mond erreichen zu können, und darum ihr Raumfahrtprogramm mit allen Kräften vorantreiben".
Nach zehn erfolgreichen Starts der mit zwei Astronauten besetzten Gemini-Kapsel in den Jahren 1965 und 1966 schien den ersten Apollo-Testflügen im Jahre 1968 nichts mehr im Wege zu stehen. Am 27. Januar 1967 erlitt das Projekt jedoch einen tragischen Rückschlag: Während einer Übung auf der Startrampe brach in der Kapsel Apollo 204 (später in Apollo 1 umbenannt) ein Kabelbrand aus, bei dem die drei Astronauten Roger Chaffee, Virgil Grissom und Edward White ums Leben kamen da sich die Türe nicht öffnen liess. Trotz heftiger Kritik gab die NASA ihre Pläne nicht auf. Nahezu ohne Eingriff durch den Kongress oder das Weisse Haus führte die Raumfahrtbehörde eine Untersuchung des Unglücks durch und vermochte schon bald die Ursachen zu identifizieren und zu beheben.
Ende 1967 hatte die NASA einen neuen Zeitplan für ihr Apollo-Programm ausgearbeitet: Der erste Mondlandeversuch sollte nun Mitte 1969 stattfinden, also etwa gleichzeitig mit den Sowjets.
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in zweiter Wettstreit entspann sich darum, wer als erster in die Nähe des Mondes gelangen würde. Nach dem Sturz Chruschtschows beauftragte die neue sowjetische Führung unter Leonid Breschnew und Alexei Kossygin Korolew mit der Ausarbeitung einer Mission zur Mondumrundung, die an das abgesagte Tschelomei-Projekt anknüpfen sollte. Noch immer hoffte man, einen solchen Flug im Oktober 1967 durchführen zu können.
Nach fast einem Jahr oft sehr harter Verhandlungen kamen Korolew und Tschelomei im September 1965 überein, auf die von Tschelomei entwickelte UR-500 eine zweite, von Korolew ursprünglich für die N-1 entwickelte Stufe aufzusetzen. Mit dieser Trägerrakete sollte eine für zwei Kosmonauten geeignete Version der neuen Sojus-Raumkapsel gestartet werden, die Korolews Arbeitsgruppe entwickelt hatte.
Wenngleich die ersten Testflüge der UR-500 im Jahre 1966 erfolgreich waren, offenbarten sich bei den folgenden Starts mehrere gravierende Probleme. Zudem endete der Jungfernflug der neuen Sojus-Raumkapsel im April 1967 mit ihrem Absturz, wobei der Kosmonaut Wladimir Komarow ums Leben kam. Eine Mondumrundung mit einem Menschen an Bord bereits im Oktober 1967 wurde damit unmöglich.
Hingegen verlief die Mission Sond 5 im September 1968 erfolgreich. Die mit der UR-500 gestartete umgebaute Raumkapsel vom Typ Sojus brachte verschiedene Tiere, darunter mehrere Schildkröten, um den Mond und sicher zurück zur Erde. Damit schien der Aufbruch eines Kosmonauten zu dem Erdtrabanten unmittelbar bevorzustehen.
Zur Zeit der Sond-5-Mission planten die USA einen Flug zum Mond für frühestens Mitte 1969. Es sollte jedoch anders kommen. Mitte 1968 war die Weiterentwicklung eines Kommando- und Servicemoduls für die Apollo-Mission, das Astronauten in eine Mondumlaufbahn und wieder zurück zur Erde bringen sollte, so weit gediehen, dass im Oktober ein erster Testflug in der Erdumlaufbahn stattfinden konnte. Die Entwicklung des Mondlandemoduls lag jedoch um Monate hinter dem Zeitplan zurück; es schien unwahrscheinlich, dass es im Februar oder März 1969 für einen ersten Testflug in der Erdumlaufbahn zur Verfügung stehen würde.
Wegen dieser Verzögerung bestand die Gefahr, dass das ursprünglich von Kennedy gesetzte Ziel nicht mehr einzuhalten war. Am 9. August 1968 schlug darum George M. Low, stellvertretender Direktor des NASA-Zentrums für bemannte Raumfahrt im Houston (Texas), vor, in das Apollo-Programm einen zusätzlichen Flug aufzunehmen, bei dem das Kommando- und Servicemodul mit einer Besatzung von drei Astronauten von einer Saturn 5 in eine Mondumlaufbahn geschossen werden sollte.
Eine solche Mission war freilich riskant. Zum einen würden die Astronauten viel früher als ursprünglich vorgesehen in die Nähe des Mondes geschickt; und zum anderen wäre dies erst der zweite Flug der umgebauten Apollo-Raumkapsel nach dem Brand von 1967. Auch die Saturn 5 hatte erst zwei Starts absolviert, wobei beim zweiten mehrere grössere Probleme aufgetreten waren. Andererseits bot Lows Vorschlag die Gelegenheit, lange vor dem ursprünglichen Termin Erfahrungen mit einer so weit von der Erde wegführenden Mission zu sammeln. Die Chancen für das Einhalten des Apollo-Zeitplans würden dadurch deutlich verbessert. Vielleicht würde es den USA damit sogar gelingen, vor der UdSSR in Mondnähe zu gelangen.
Lows Plan setzte sich in der NASA schnell durch; nur ihr Verwaltungschef und der Leiter des Programms für bemannte Raumfahrt sprachen sich zunächst dagegen aus. In etwas mehr als einer Woche überarbeitete man den gesamten Apollo-Zeitplan und ergänzte das Programm um eine zusätzliche Mission - nur vier Monate vor ihrem Start. Die Risiken dieses Fluges blieben bis nach dem erfolgreichen Test des Kommando- und Servicemoduls beim 260 Stunden dauernden Flug von Apollo 7 im Oktober geheim. Am 11. November setzte die NASA-Direktion den Start von Apollo 8 zum Mond für den 21. Dezember offiziell an.
Die UdSSR setzte alles daran, den Anschluss nicht zu verlieren. Im Oktober 1968 testete sie erfolgreich eine verbesserte Version der Sojus-Raumkapsel mit einem Kosmonauten an Bord in der Erdumlaufbahn. Der Sond-6-Mission, bei der einen Monat später eine ähnliche, jedoch unbemannte Raumkapsel um dem Mond geschossen wurde erging es schlechter: Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre fiel er Druck ab, wobei eine Besatzung sicherlich ums Leben gekommen wäre.
Dennoch bereitete sich die Sowjetunion darauf vor, bereits Anfang Dezember eine Sond-Mission mit zwei Kosmonauten an Bord um den Mond zu schicken. Sowohl Mischin als auch die Besatzung wollten die erheblichen Risiken auf sich nehmen, wusste man doch, dass die USA ein ähnliches Unternehmen für Ende des Monats geplant hatten. Dies war vielleicht die letzte Chance, den USA zuvorzukommen - hätte man sie wahrgenommen. Nur wenige Tage vor geplanten Start aber sagte die sowjetische Führung das Unternehmen ab, vermutlich weil es zu gefährlich schien.
Während der letzten Trainingswochen wusste die Apollo-8-Besatzung von der geplanten Mondumrundung der Sowjets. Kommandant Frank Borman zufolge ging ein Seufzer der Erleichterung durch die Gruppe, als der letzte mögliche Termin verstrichen war und feststand, dass ihnen niemand zuvorkommen konnte.
Am heiligen Abend 1968 schwenkte Apollo 8 in eine Umlaufbahn um den Mond ein und beendete damit diesen Prestige-Wettkampf der beiden Weltmächte. Die bei der Mission gesammelten Erfahrungen ebneten den Weg für den historischen Flug von Apollo 11 sieben Monate später, bei dem Armstrong und Aldrin die Flagge der USA im Meer der Ruhe hissten.
Nach diesen triumphalen Erfolgen wäre die Welt mit dem sowjetischen bemannten Mondprogramm nicht mehr sonderlich zu beeindrucken gewesen. Zwar gaben die Sowjets den Erdtrabanten nicht sofort als Forschungsziel auf und setzten im September und November 1970 bei dem Missionen Luna 16 und Luna 17 jeweils ein ferngesteuertes Fahrzeug darauf ab. Doch kurz darauf sah die sowjetische Führung ein, dass Kosmonauten sich in einem Mond-Orbit keine Lorbeeren mehr verdienen würden und strich ihr Umrundungsprogramm endgültig.
Das Programm zur Landung auf dem Mond erlitt ein noch schmählicheres Schicksal. Im Februar 1969 endete der erste Start einer N-1 bereits nach einer Minute. Beim zweiten Versuch am 3. Juli, nur dreizehn Tage vor dem Aufbruch von Apollo 11, explodierte die Trägerrakete auf der Rampe und zerstörte einen grossen Teil Starteinrichtungen. Dieses Unglück warf das sowjetische Programm um zwei Jahre zurück. Zwei weitere Startversuche der N-1 im Juli 1971 und November 1972 schlugen ebenfalls fehl.
Wenn sie schon nicht gesiegt hatten, so wollten die Leiter des Korolew-Entwicklungsbüros wenigstens die Besten sein. Während die Astronauten der sechs Apollo-Missionen dem Erdtrabanten immer nur Stippvisiten abgestattet hatten, planten Mischin und seine Arbeitsgruppe längere Arbeitsaufenthalte. Anfang 1974 glaubte Mischin die Ursachen der früheren Fehlschläge gefunden zu haben und unmittelbar vor einem Erfolg zu stehen. Im Mai 1974 wurde er jedoch als Chef des Entwicklungsbüros entlassen und durch Gluschko ersetzt - den Mann, der sich mehr als ein Jahrzehnt zuvor mit Korolew um die N-1-Trägerrakete gestritten hatte.
Eine der ersten Amtshandlungen Gluschkos bestand darin, das N-1-Programm zu streichen und die zehn noch vorhandenen Trägerraketen verschrotten zu lassen. Mischin wollte zumindest die beiden nahezu fertiggestellten Exemplare erproben, was jedoch abgelehnt wurde. Statt das über mehr als ein Jahrzehnt mit erheblichem Einsatz vorangetriebene Mondprogramm fortzusetzen, versuchte Gluschko und seine Vorgesetzten mir nahezu krankhaftem Eifer, alle Spuren seiner Existenz zu tilgen. Seit den frühen siebziger Jahren konzentrierte sich die sowjetische bemannte Raumfahrt auf Langzeitflüge in der Erdumlaufbahn.
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ach dem sprichwörtlichen Flagge-Zeichen auf dem Mond reduzierten auch die Vereinigten Staaten ihr Mondprogramm. Die sechste und letzte Apollo-Mission verliess den Erdtrabanten im Dezember 1972. Den Vorgaben Kennedys war mehr als Genüge getan.
Was hat dieser Sieg den USA gebracht? Diese Frage kann man wohl nur vor dem Hintergrund der damaligen globalen Verhältnisse beantworten. Der Wettlauf zum Mond war eine Operation des Kalten Krieges und spielte somit eine wichtige aussenpolitische Rolle. Mit ihrem Erfolg untermauerte die amerikanische Nation in den sechziger Jahren ihren Anspruch auf politische und militärische Führung in der Welt. Zudem war die Mondlandung eine überzeugende Demonstration sowohl des Durchsetzungswillens als auch der technischen Fähigkeiten der Vereinigten Staaten.
Der Fehlschlag des sowjetischen Programms war ebenfalls mehr als bloss ein Imageverlust. Im Jahre 1961 hatten viele Menschen überall auf der Erde - selbst in den USA - angenommen, die UdSSR könne mit ihrer zentralen Planwirtschaft langfristige Ziele in der Raumfahrt energisch und erfolgreich umsetzen. Nachdem die Sowjetunion aber immer mehr ins Hintertreffen geraten war, zerstörte dies den Glauben an die Tauglichkeit des Sozialismus, und ihr Einfluss in der Weltpolitik verringerte sich.
Während seiner kurzen Präsidentschaft stand Kennedy dem Gedanken an einen Wettstreit im Weltraum mit gemischten Gefühlen gegenüber. Schon in seiner Antrittsrede hatte er der Sowjetunion vorgeschlagen, "den Weltraum gemeinsam zu erkunden". Kurz nach seiner Vereidigung forderte er die NASA und das Aussenministerium zur Entwicklung von Plänen für eine verstärkte amerikanisch-sowjetische Zusammenarbeit in der Raumfahrt auf. Genau an jenem Tag, an dem Kennedy die entsprechenden Pläne überreicht wurden, umrundete Gagarin als erster Mensch die Erde. Daraufhin beschloss Kennedy, die Vereinigten Staaten sollten die Führung in der Raumfahrt anstreben. Aber noch in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. September 1963 - zwei Monate vor seiner Ermordung - fragte er: "Warum sollte der erste Flug eines Menschen zum Mond das Ergebnis eines Wettstreits von Nationen sein?"
Erst heute scheint Kennedys Traum von einer Zusammenarbeit der beiden grossen Raumfahrtnationen wahr zu werden. Am 15. Dezember 1993 unterzeichnete der amerikanische Vizepräsident Al Gore und der Verwaltungschef der NASA Daniel S. Goldin mit der russischen Seite einen Vertrag über gemeinsame Raumfahrtprojekte. Angestrebt wird die Entwicklung einer internationalen Raumstation. Diese soll hauptsächlich aus amerikanischen und russischen, aber auch aus europäischen, japanischen und kanadischen Komponenten bestehen und kurz nach der Jahrtausendwende in Betrieb genommen werden.
Mehr als dreissig Jahre lang trieb die Rivalität des Kalten Krieges sowohl die amerikanische als auch die sowjetische bemannte Raumfahrt an. Entsprechende Kampagnen im 21. Jahrhundert dürften - wenn überhaupt - wohl nur mehr in enger multilateraler Zusammenarbeit unternommen werden. Dabei könnte sich an der Raumstation eine neue Aussenpolitik bewähren, indem sich die Nationen der Welt zur friedlichen Erkundung des Sonnensystems vereinen.
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