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physik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Brennstoff aus dem bakterienreaktor


1. Atom
2. Motor

Forscher entwickeln Konzept, wie Mikroorganismen aus Sonnenlicht Wasserstoff kostengünstig herstellen könnten Irgendwann in der Zukunft, vielleicht im 21. Jahrhundert, könnte ein neues Energiezeitalter eingeläutet werden: Wasserstoff wird dann das Erbe von Kohle, Erdöl und Erdgas antreten. Diese Aussage mag zwar angesichts der niedrigen Preise der fossilen Rohstoffe heute noch wie eine Utopie anmuten, doch die Forschungs- und Entwicklungslabors der großen Firmen bereiten sich längst darauf vor. BMW und Mercedes bauen bereits Autos und Busse mit Wasserstoffmotoren, die Daimler-Benz Aerospace arbeitet mit russischen Partnern an einem wasserstoffgetriebenen Airbus, und im oberpfälzischen Neunburg vorm Wald werden seit zehn Jahren die Komponenten einer Wasserstoff-Wirtschaft getestet: Solarzellen erzeugen dort elektrischen Strom, mit dessen Hilfe dann Elektrolyseanlagen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Heizkessel und Brennstoffzellen verwandeln schließlich das Wasserstoffgas wiederum in Wärme und elektrische Energie.

Effiziente Technik
Auch Blockheizkraftwerke und neuartige Fahrzeugantriebe setzen auf wasserstoffabhängige Brennstoffzellen, denn diese Technologie ist effizient und umweltverträglich. Beim Verbrennen, also der Vereinigung von Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft entstehen nämlich neben reinem Wasser kaum Abfallprodukte - in einer Brennstoffzelle noch weniger als in einem Verbrennungsmotor oder Heizkessel.
Suche nach sinnvollem Herstellungsverfahren
Obwohl also Bausteine einer möglichen Wasserstoff-Welt in den letzten Jahren deutlich an Kontur gewannen, blieb ein wesentliches Problem ungelöst: Wie läßt sich der Energieträger Wasserstoff preisgünstig und umweltschonend erzeugen? Der Umweg über den elektrischen Strom aus Solarzellen, der im Neunburger Projekt verfolgt wird, erscheint nämlich wenig sinnvoll. Zum einen ist der Preis für den Kubikmeter Wasserstoffgas (entsprechend dem Heizwert von 0,3 Litern Benzin) mit rund acht Mark sehr hoch. Zum anderen gibt es auch genug direkte Einsatzmöglichkeiten für Solarstrom: Allein ins deutsche Stromnetz könnten nach Schätzung von Experten ohne Schwierigkeiten 25 000 Megawatt eingespeist werden - das 500fache der heutigen Jahres- Weltproduktion an Solarzellen und fast fünf Prozent der deutschen Kraftwerksleistung.

Bakterien als Wasserstoffproduzenten
Auf Kooperationspartner aus der Natur setzen deshalb Biologen und Verfahrenstechniker an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen: Sie wollen Wasserstoff aus Kleinstlebewesen \'zapfen\'. Denn Bakterien und auch Grünalgen produzieren unter bestimmten Bedingungen Wasserstoff. Purpurbakterien der Art Rhodospirillum rubrum beispielsweise können pro Kilogramm Biomasse täglich bis zu drei Kubikmeter Wasserstoff erzeugen. \'Was in manchen Waldseen an die Oberfläche steigt, sind nicht nur Methan-, sondern auch Wasserstoffblasen\', sagt Sabine Tramm-Werner,Biotechnologin an der Rheinisch-Westfälischen Hochschule (RWTH) Aachen.

Arbeitsweise der Bakterien
Die Purpurbakterien leben in den tieferen Schichten der Seen und verarbeiten mit Hilfe des Sonnenlichts die organischen Substanzen, die zu ihnen hinunterschweben. \'Wenn sie zuviel Nahrung bekommen und zugleich unter Stickstoffmangel leiden, geben sie Wasserstoff ab, um das Innere ihrer Zellen im sicheren chemischen Gleichgewicht zu halten, erklärt Tramm-Werner.
Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums
Zur Erforschung dieser natürlichen Wasserstoffquelle startete das Bundesforschungsministerium im Jahr 1990 das Förderprogramm \'Biologische Wasserstoffgewinnung\'. Insbesondere zwei Enzyme der Mikroben standen dabei im Mittelpunkt der Forschungen: Unter Stickstoffmangel kann das eine, die \'Nitrogenase\', seine normale Aufgabe, den Luftstickstoff zu Ammoniak zu binden, nicht erfüllen. Statt dessen fördert die Nitrogenase dann die Entstehung von Wasserstoff. Ihr Gegenspieler ist die sogenannte \'hup-Hydrogenase\', die die Wasserstoffbildung hemmt. Genetische Mutation Im Rahmen des Forschungsprogramms gelang es dem Freiburger Biologen Jürgen Oelze, durch eine genetische Mutation diese Hydrogenase zu inaktivieren, worauf die Bakterien deutlich mehr Wasserstoff produzierten. Gar einen dreifachen Anstieg des Wasserstoffvolumens berichtete Jobst-Heinrich Klemme von der Universität Bonn nach der Zugabe von EDTA: Dieser chemische Stoff, so Klemme, habe zugleich die Hydrogenase- Aktivität gestoppt und die der Nitrogenase gesteigert.

Mikroorganismen, die Wasser zersetzen
In Cyanobakterien und Grünalgen wirken Hydrogenasen allerdings entgegengesetzt: Hier verhindern sie die Wasserstoffentstehung nicht, sondern fördern sie geradezu. Im Gegensatz zu Purpurbakterien spalten diese Mikroorganismen den Wasserstoff auch nicht aus organischem Material ab, sondern können Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zersetzen - was sie besonders interessant für technische Anwendungen macht.

Verfahrenstechnik weiterentwickeln
Allerdings ist es nicht einfach, ein Verfahren zu entwickeln, das die beiden entstehenden Gase voneinander trennt und so eine mögliche Knallgasreaktion verhindert. Im Förderprogramm zur biologischen Wasserstoffgewinnung konzentrierten sich die Forscher vor allem auf die grundlegenden Fragen der Biologie. Die Verfahrenstechnik kam dabei eindeutig zu kurz - eine Lücke, die Sabine Tramm-Werner nun als Koordinatorin eines neuen, ebenfalls von Bonn geförderten, Projekts zur \'mikrobiellen bisolaren Wasserstoff-Produktion\' füllen will. \'Unsere Arbeitsgruppe aus Bio- und Verfahrenstechnikern will binnen eines Jahres im Freilandversuch eine kontinuierliche und energieautarke Wasserstoffproduktion erreichen - und das mit einer Mindestmenge von stündlich zwei Litern Wasserstoff pro Quadratmeter Kollektorfläche\' steckt Tramm-Werner das Ziel ab.

Fahndung nach optimalen Mikroben
Die bereits erzielten Laborergebnisse auch unter tatsächlichen Einsatzbedingungen beizubehalten und den Prozeß zu stabilisieren, ist die eigentliche Herausforderung für die Biotechniker. In Hunderten von Gefäßen suchen die Forscher nun den besten Mikrobenstamm und seine optimalen Arbeitsbedingungen. \'Mit Rhodospirillum rubrum sind wir sehr zufrieden\', so Tramm-Werner, \'es ist ein gutmütiges, stabil produzierendes Bakterium.\'
Vorteil gegenüber Wasserstofferzeugung mit Sonnenenergie
Eine Schweizer Arbeitsgruppe hat damit schon über mehrere Monate hinweg kontinuierlich Wasserstoff erzeugt. Die Ausbeute von zwei Litern Wasserstoff pro Stunde und Quadratmeter entspricht zwar nur einem Sechstel der Energienutzung des Sonnenlichts, die Silizium-Solarzellen erreichen. Sie ist aber durchaus noch steigerungsfähig: Im Labor lieferten Bakterien - auch ohne genetische Veränderung - schon einmal mehr als die doppelte Menge an Wasserstoff, doch bisher nur für wenige Stunden. Ein zusätzlicher Vorteil von Tramm-Werners Konzept gegenüber der Wasserstoff-Erzeugung über Solarzellen: Es sind keinerlei komplizierten und teuren Elektrolyse-Apparaturen nötig. Grundelement \"Sandwich-Reaktor\" Das Grundelement ist ein fünf Zentimeter dicker \'Sandwich-Reaktor\' mit einer Platte in der Mitte, auf der sich die Purpurbakterien ansiedeln. Diese Zwischenplatte trennt den Reaktor in zwei Bereiche, die oben und unten miteinander verbunden sind. Schräg in die Sonne gestellt, erwärmt sich der vordere lichtdurchlässige Teil des Sandwichs und es entsteht ein \'Thermosiphon\'-Effekt: Die Flüssigkeit mit dem Nährmedium für die Bakterien strömt zwischen der vorderen und der mittleren Platte nach oben und auf der im Schatten liegenden Rückseite wieder nach unten. Unterstützt wird dieser Kreislauf von den nach oben sprudelnden Wasserstoffbläschen, die die Bakterien ausstoßen. Auf diese Weise können die Nährstoffe ohne eine von außen angetriebene Pumpe die festsitzenden Mikroben umspülen. \'Das Optimum haben wir dann erreicht\', sagt Tramm- Werner, \'wenn die Bakterien genau so viele Nährstoffe bekommen, daß sie sich zumindest für einige Monate selbst erhalten und ansonsten nur Wasserstoff produzieren.\'

Symbiose mit Algen
Extreme Helligkeit sowie Hitze und Kälte sind eher schädlich. Bei diffusem Tageslicht und mittleren Temperaturen, wie sie in Mittel- und Südeuropa herrschen, fühlen sich die kleinen Wasserstoff-Fabrikanten am wohlsten. Da Purpurbakterien vor allem den Infrarotteil des Sonnenlichts ausbeuten, kann der Rest des Spektrums zudem anderweitig genutzt werden - etwa durch Solarzellen, die auf die sonnenzugewandte Platte montiert wurden, was die Energieausbeute des Systems weiter erhöht. \'Wir könnten auch wie in den natürlichen Seen die Nährstoffe für die Bakterien durch Algen erzeugen lassen, also eine Mischkultur anlegen, die sich selbst erhält\', überlegt Tramm-Werner. Die richtigen Symbiosepartner zu finden, ist allerdings keine leichte Aufgabe.

Molke als Nahrung
Vorerst ernähren sich die Bakterien noch von organischen Stoffen, beispielsweise Laktat aus Molke, dem Nebenprodukt der Käseherstellung. Eine erste große Demonstrationsanlage könnte sich Tramm-Werner deshalb durchaus auf einer Alm vorstellen, \'wo die Molke sowieso anfällt und die Energieversorgung schwierig ist\'. 200 Quadratmeter der Sandwichreaktoren könnten täglich mindestens 5000 Liter Wasserstoff liefern. Einmal im Frühjahr sollten die Reaktoren mit Purpurbakterien gefüllt werden, und vor Beginn des Winters würden sie dann gereinigt und stillgelegt.

Anstrengungen Japans
\'Für eine derartige Demonstrationsanlage\', so Tramm-Werner, \'wünschen wir uns noch einen Industriepartner, der einsteigt, wenn wir die Machbarkeit bewiesen haben.\' Denn nicht nur die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff sollten die Industriefirmen untersuchen, sondern auch, auf welche Weise dieser Energiespeicher gebaut wird. \'Sonst\', warnt Tramm-Werner, \'sind es wieder einmal die Japaner, die hier die Nase vorn haben, da sie bereits massiv in diese Technologie investieren.\' Auf der letzten Hannovermesse war jedenfalls der einzige hochrangige Industrievertreter, der starkes Interesse an ihren Konzepten zeigte, der Forschungschef eines großen japanischen Unternehmens.

 
 

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