Neulich führte ich mit einem Freund ein Gespräch über das
Zuhören. Er erklärte mir, er sei jetzt in einer Gruppe, in der
man sich dem gegenseitigen Zuhören intensiv widmet. Eine Methode
sei das paraphrasierende Wiederholen. Zur Übung hatte die Gruppe
sich darauf verständigt, immer das gerade Gehörte unmittelbar zu
wiederholen, zu paraphrasieren, wobei damit nicht ein
seelenloses Nachplappern gemeint war, sondern es kam darauf an,
das Gehörte aktiv zu verarbeiten und gegebenenfalls zu
interpretieren. Auch in der Musik gibt es ein derartiges
Zuhörverhalten. Bezeichnend ist ein 1995 erschienenes Buch mit
dem Titel \"Der Hörer als Interpret\". Aktives Hören schließt
Anstrengung mit ein, sei es beim Zuhören in einem wertvollen
Gespräch oder sei es beim Hören von Musik, die ein intensives
Zuhören fordert.
Auch Schönberg war sich immer darüber im Klaren, daß es
Hörprobleme, d.h. Verständnisprobleme bei seiner Musik gibt.
\"Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß das volle Verstehen meiner
Werke für einige Jahrzehnte nicht erwartet werden kann....\". Wir
haben gesagt, daß die Voraussetzung für gutes Zuhören inmd de
Fähigkeit besteht, daß man sich daran erinnern kann, daß man es
paraphrasieren kann. Der Meinung ist auch Schönberg und gibt
dazu ein schönes Beispiel: \"Es gibt keinen Zweifel über den
Augenblick, in dem ein Mann beginnt, an einem Schlager Gefallen
zu finden. Das passiert, wenn er anfängt, ihn zu singen oder zu
pfeifen - mit anderen Worten, wenn er sich ihn zu erinnern
vermag... Erinnern ist der erste Schritt zum Verstehen...
Natürlich ist der beste Weg, das musikalische Ohr zu schulen, es
soviel ernster Musik wie möglich auszusetzen. Die musikalische
Bildung würde schneller um sich greifen, wenn die Leute mehr
Musik läsen, spielten und hörten... Gerade [das intuitive oder
bewußte Verständnis vom Aufbaus] ...eines Stückes hilft dem
Hörer, den Gedanken zu behalten, seiner Entwicklung, seinem
Wachsen, seiner Ausarbeitung, seinem Schicksal zu folgen. Wenn
man gelernt hat,... Haupt- und Nebengedanken zu unterscheiden,
...wird man wissen, wie man diese als Zeichen der Erinnerung
benutzen kann.\" (Briefe, S.261, Stil und Gedanke S. 140f).
Den Gedanken, daß man seine Melodien nachpfeifen möge, greift er
anderer Stelle in einem Brief nochmals auf:
Zitat 6 Sincovicz 230
Ich glaube, diesen oftmaligen Hinweis Schönbergs darf man nicht
falsch verstehen. Natürlich wußte er, daß es einen enormen
Unterschied zwischen dem Nachpfeifen eines Schlagers und dem
Nachpfeifen einer zwölftönig komponierten Melodie gibt. Erstere
hört man ein oder zwei Mal, letztere muß man sich äußerst hart
erarbeiten.
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