Das soeben gehörte ARIES ist nicht nur ein gutes Beispiel für elektronische Musik, sondern auch für eine weitere Modifikation des Seriellen Denkens: der Formelkomposition. Dazu der Komponist:
\"Seit 1970 habe ich eine neue Weise entdeckt, Großformen zu bauen durch Projektion von Mikroformen, die ich \"Formeln\" nenne. In MOMENTE ist das schon so, daß sich der Gesamtorganismus aller Momente aus einem Stammbaum entwickelt, der im wesentlichen aus drei Gruppen besteht. Die zentrale Gruppe bleibt immer in der Mitte, die Flügel sind vertauschbar, und innerhalb jeder Gruppe kann man Momente wie Pendel um eine Achse herum drehen. Das ergibt zahllose Varianten - \'Versionen\', wie ich es nenne. Es ist eine Mobile, das bei bestimmten Aufführungen in eine fixierte Form gerät. Jeder Moment ist zukunfts- und vergangenheitsbezogen und zunächst als Kern konzipiert, als eine in sich selbständige Einheit, eben als musikalischer Moment; so, wie ein zeitloser Moment - ein lyrisches Ereignis - vertikal orientiert ist und von Vergangenheit und Zukunft nichts zu wissen braucht.
Dann ist ein musikalisches Werk eine Szene, ein Akt, ein Tag, also ein Teil von LICHT, ein Gebilde unter vielen verschieden großen Projektionen von Mikroformen. Zum Beispiel eine ganze Oper von vier Stunden Dauer ist ursprünglich ein kurzes melodisch-rhythmisches Gebilde, das ich auch vier Stunden spreize, und jeder Akt ist dann eine etwas kleine Spreizung, jede Szene ist dann eine kleinere Spreizung, und jeder Teil einer Szene ist eine nochmals kleinere Spreizung. Also gehe ich sowohl vom Großen ins Kleine, als auch vom Kleinen ins Große. \"
(Stockhausen: Zur Evolution der Musik, Fernsehinterview 1.8.1988)
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