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musik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Diskographie

Die zauberflöte - eine logenarbeit?


1. Konzert
2. Jazz

Im Frühsommer 1791 arbeitet Mozart an der Zauberflöte, seinem Beitrag zur Diskussion um die Freimaurerei und vor dem Hintergrund des Jahres 1791 von eminenter Bedeutung. Denn in dieser Oper wird ein Geheimbund von "Eingeweihten" einerseits einem profanen10 Publikum vorgeführt, andererseits enthält die Darstellung für Logenkenner und Eingeweihte unüberhörbar auch Kritisches zur Maurerei; schließlich wendet sich diese Oper deutlich an das Publikum der Vorstadtheater, an die "kleinen Leute", die ganz andere Erwartungen hatten als das Publikum des Burgtheaters, die ihre Kasperle- und Hanswurstfiguren noch liebten, die den Einsatz der neuesten Theatermaschinen bejubelten, eines Theaters in dem noch Zirkusluft wehte.
Berücksichtigen wir in diesem Zusammenhang nur das Freimaurerische der Handlung, so wird die Aufnahme eines Prinzen gezeigt, der zum Kreis der "Eingeweihten" gehören möchte. Er muß eine Reihe von Prüfungen durchleben und kann sich am Schluß der Oper zu den Priestern des Osiris-und-Isis-Kultes zählen. Die Rituale dieser Einweihung und ein großer Teil der benutzten Symbole gehören der Freimaurerei an.
Weder Mozart noch Schikaneder, der Verfasser des Textbuches der Zauberflöte, haben etwas "verraten", abgesehen davon, das ihre Darstellung der Einweihung Elemente der Wiener Logen aufgreift und sie mit anderen, vornehmlich aus altägyptischen Mysterien und anderen Quellen vermischt.
Möchte denn Prinz Tamino eingeweiht werden? Eindeutig und unzweifelhaft sagt er es an keiner Stelle. Es geht ihm mehr darum, Pamina aus den Händen des "Unmenschen" und "Tyrannen" Sarastro zu befreien, der Pamina aus dem Garten ihrer Mutter geraubt hat. Eine Wandlung Taminos vom Ankläger zum Bewunderer seiner "Weisheit" läßt sich nirgends feststellen: Das sichtbare Ende ihrer Prüfungen kommentieren Tamio und Pamina lediglich mit dem Ausruf "Ihr Götter! Welch ein Glück! Gewährt ist uns Isis´ Glück." Danach begegnet man ihnen im Schlußbild, "In priesterlicher Kleidung" unter den "ägyptischen Priestern" auf beiden Seiten stehend.
Daß Sarastro ein "Tyrann" sei, ein "böser Dämon", erfährt Tamino von den drei Damen. Es klingt sogar plausibel, da Sarastro wirklich Pamina geraubt hat. Eine Erklärung dafür kann nicht einmal der Priester geben, denn "die Zunge bindet Eid und Pflicht!" Erst Sarastro gibt Aufklärung, wenn er zu Pamina über ihre Mutter sagt: "Du würdest um dein Glück gebracht, wenn ich dich in ihren Händen ließe."


Pamina empfindet bis zum Schluß mit keinem Wort Dankbarkeit gegenüber Sarastro, dessen Weisheit sich nur mit Raub und Gewalt durchsetzen kann. Auch Tamino gegenüber verhält sich Sarastro nicht als einfühlsamer Pädagoge, sondern als ein despotischer Erzieher, der die Wege nach seinem Gusto bestimmt. Sarastros Macht hat aber bei den Priestern, die eine demokratische Brüderversammlung darstellen, seine Grenzen. Er muß die Aufnahme Taminos zur Abstimmung stellen:
"Mit reiner Seele erklär ich euch, daß unsere heutige Versammlung eine der wichtigsten unsere Zeit ist. Tamino, ein Königssohn, zwanzig Jahre seines Alters, wandelt an der nördlichen Pforte unseres Tempels und seufzt mit tugendvollem Herzen nach einem Gegenstande, den alle mit Mühe und Fleiß erringen müssen. Kurz, dieser Jüngling will seinen nächtlichen Schleier von sich reißen und ins Heiligtum des größten Lichtes blicken. Diesen Tugendhaften zu bewachen, sei heute eine unserer wichtigsten Pflichten."
Das Tamino ein Königssohn ist, bedeutet allein noch kein Vorzug, mag Sarastro es auch so darstellen. Erst der Besitz dreier wesentlicher Voraussetzungen berechtigt ihn, aufgenommen zu werden: Tugend, Verschwiegenheit und Wohltätigkeit. Und auch dann bleibt der Zweifel eines Priesters:
"Großer Sarastro, deine weisheitsvollen Reden erkennen und bewundern wir; allein wird Tamino auch die harten Prüfungen, so seiner warten, bekämpfen? Verzeih, daß ich so frei bin dir meinen Zweifel zu eröffnen! Mir bangt es um den Jüngling. Wenn nun, im Schmerz dahingesunken, sein Geist ihn verließe und er dem harten Kampf unterläge? Er ist Prinz."
Darauf weiß Sarastro nur zu antworten: "Noch mehr - er ist Mensch!" Sarastro muß seine Hervorhebung des Prinzen zurücknehmen, denn in der Versammlung der Eingeweihten herrscht Gleichheit.
Es ist die wunde Stelle Sarastros, dessen mir viel Baßpathos verkündeten Weisheitsreden so wenig mit seinem Verhalten übereinstimmen. War schon der Raub Paminas fragwürdig, so ist es sein Auftreten erst recht. Er "fährt auf einem Triumphwagen heraus, der von sechs Löwen gezogen wird", Zeichen einer in vollen Zügen genossenen Herrscherwürde. Seine Umgebung besteht aus lauter Sklaven, was meist in den Inszenierungen der Zauberflöte verunklart wird, unter anderem durch die willkürliche Kürzung der gesprochenen Textpartien. Die Sklaven haben sogar eigene Textszenen, die allerdings fast immer weggelassen werden. (Auf dem Plakat der Uraufführung kann man deutlich die rolle eines ersten, zweiten und dritten Sklaven lesen, wogegen die drei Knaben dort nicht aufgeführt waren!) Aber die Sklaven Sarastros sind es nicht allein. Auch seine Willkürherrschaft wird deutlich vorgeführt. Als es Monostatos gelingt, Pamina von ihrer Flucht wieder einzufangen, erhält er zum Dank für seine Wachsamkeit folgende Antwort:
"Sarastro: Verdient, daß man ihr Lorbeer streut. He! Gebt dem Ehrenmann sogleich -
Monostatos: Schon deine Gnade macht mich reich.
Sarastro: Nur siebenundsiebzig Sohlenstreich´.
Monostatos: ach, Herr, den Lohn verhoff´t ich nicht!
Sarastro: Nicht Dank, es ist ja meine Pflicht!"
Ein solcher Zynismus des Herrschers gegenüber den Untergebenen ist natürlich nicht ohne Absicht eingeführt worden. Sarastro mag zu den Eingeweihten gehören, ein Tugendhafter, ein Vorbild an Weisheit ist er deswegen lange nicht, auch er bedarf der Arbeit an sich selbst. Die spätere Arie Sarastros verhält sich zu diesem "Vorkommnis" wie Anspruch und Wirklichkeit. Sie ist pure Ideologie aus seinem Mund; statt so zu künden, hätte er zu handeln:

"In diesen heil´gen Hallen

Kennt man die Rache nicht,
Und ist ein Mensch gefallen,

Führt Liebe ihn zur Pflicht.
Dann wandelt er an Freundes Hand

Vergnügt und froh ins beßre Land.
In diesen heil´gen Mauern,

Wo Mensch den Menschen liebt,
Kann kein Verräter lauern,

Weil man dem Feind vergibt.
Wen solche Lehren nicht erfreun,

Verdient nicht, ein Mensch zu sein."

Implizit ist damit ein weiterer Punkt angesprochen, der einer deutlichen Frauenfeindschaft in dieser Oper. Auch hier muß man betonen, daß sie in erster Linie von Sarastro ausgeht. Seine Begründung für den Raub Paminas lautet abstrakt gesprochen so: "Ein Mann muß eure Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten." Konkreter: "Pamina, das sanfte, tugendhafte Mädchen, haben die Götter dem holden Jüngling bestimmt; dies ist der Grund, warum ich sie der stolzen Mutter entriß. Das Weib dünkt sich groß zu sein, hofft durch Blendwerk und Aberglauben das Volk zu berücken und unsern festen Tempelbau zu zerstören. Allein, das soll sie nicht." Sarastro befindet sich ja in einer bestimmten Herrschertradition, nicht aber in einer frauenfeindlichen Tradition der Eingeweihten, wie wir aus dem Dialog Paminas mit ihrer Mutter, der Königin der Nacht, erfahren:
"Königin: [...] Liebes Kind, deine Mutter kann dich nicht mehr schützen. Mit deines Vaters Tod ging meine Macht zu Grabe -

Pamina: Mein Vater -
Königin: Übergab freiwillig den siebenfachen Sonnenkreis den Eingeweihten. Diesen mächtigen Sonnenkreis trägt Sarastro auf seiner Brust. Als ich ihn darüber beredete, so sprach er mit gefalteter Stirn: "Weib, meine letzte Stunde ist da - alle Schätze, so ich allein besaß, sind dein und deiner Tochter. Der alles verzehrende Sonnenkreis< - fiel ich ihm hastig in die Rede -> ist den Geweihten bestimmt Sarastro wird ihn so männlich verwalten wie ich bisher. Und nun kein Wort weiter; forsche nicht nach Wesen, die dem weiblichen Geist unbegreiflich sind. Deine Pflicht ist es, dich und deine Tochter der Führung

weiser Männer zu überlassen."
Für die Königin der Nacht besteht daher eine strikte Feindschaft zu den Eingeweihten und Sarastro; Tamino muß sich deshalb zwischen Pamina und den Eingeweihten entscheiden. Pamina hinterfragt jedoch diese deutliche Feindschaft: "Liebe Mutter, dürft´ ich den Jüngling als Eingeweihten den nicht auch so herzlich lieben, wie ich ihn jetzt liebe? Mein Vater selbst war ja mit den weisen Männern verbunden. Er sprach jederzeit mit Entzücken von ihnen,
preiste ihre Güte- ihren Verstand - ihre Tugend."
In der Antwort der Mutter ist nur noch vom Todfeind Sarastro die Rede, ja sie steigert sich in der Rachearie sogar zur Verfluchung ihrer Tochter, wenn diese nicht eigenhändig Sarastro umbringe.
Die Prüfungen Taminos werden von den Eingeweihten vollzogen, bis auf eine, die Sarastro selbst vornimmt. Es ist die, in der Tamino von Pamina Abschied nehmen muß. Diese klare Probe der Enthaltsamkeit von den Frauen gehört allein Sarastro an. Es wirkt wie eine insgeheime Korrektur, wenn die Eingeweihten auch Pamina in den Tempel einziehen lassen, weil auch sie den Tod nicht gescheut hat:
"Froh Hand in Hand in Tempel gehen./ Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut,/ ist würdig
und wird eingeweiht."
Sarastro wird hier ganz eindeutig von den Priestern korrigiert, die den Geschlechtsunterschied unter Menschen in ihrem Kreis aufheben. (Es ist sogar die Frage nach weiblichen Eingeweihten zu stellen, da im Chor eindeutig Sopran- und Altstimmen notiert sind.)
Vor dem Hintergrund des Wiener Freimaurertums, in dem auch sogenannte Adoptionslogen mit gemeinsam arbeitenden Männern und Frauen existierten - ein historisch noch ganz unerforschtes Feld, weil in der Freimaurerforschung heruntergespielt -, stellt sich die Zauberflöte als eine Oper dar, in der die Eingeweihten nicht als monolithischer Block gezeigt werden, sondern als Gruppierung voller Widersprüche, arbeitend ohne jeden Anspruch auf Unfehlbarkeit. Mozart unterstreicht mit musikalischen Mitteln dieses Infragestellen, wenn er z.B. dem Priesterduett "Bewahret euch vor Weibertücken:/ Dies ist des Bundes erste Pflicht!/ Manch weiser Mann ließ sich berücken,/ [...]/ Tod und Verzweiflung war sein Lohn" eine so parodistische Musik unterlegt, daß man nicht weiß, ob die Priester sich lustig machen (z.B. über Sarastro) oder Mozart die Priester karikiert.
Bei genauer Textlektüre - die oft gegen den vordergründigen Sinn des Textes geschriebene Musik fordert geradezu dazu heraus - kann die Vorstellung, Sarastro verkörpere die Welt des Guten, die Königin der Nacht das Böse, so nicht aufrecht erhalten werden. Die Entfesselung der Leidenschaften bis zur Anstiftung zum Mord (Königin der Nacht), Prachtentfaltung, Herrschaftsgelüste und krasse Ungerechtigkeiten (Sarastro), zwei Selbstmordversuche (Papageno, Pamina), Unbeherrschtheit und Schwatzhaftigkeit (Papageno), Frauenverachtung (Sarastro, zwei Priester) - solche Eigenschaften, die durchaus der Läuterung bedürfen, sind auf viele Personen der Oper gleichmäßig verteilt, und ebenso läßt sich von ihnen auch ein Katalog höchst schätzenswerter Charakterzüge zusammenstellen. Es hat seinen Sinn, daß die drei Tempel nicht mit den freimaurerischen Begriffen Schönheit, Stärke, Weisheit überschrieben sind, sondern mit Natur, Vernunft, Weisheit. Sich in diesem Spannungsfeld zurechtfinden, zwischen Natur und Vernunft einen weisen Weg zu finden, das ist eher das freimaurerische Programm dieser Oper als das Vertrauen auf die begrenzte Weisheit des Sarastro. Es scheint als hätten Schikaneder und Mozart der Freimaurerei ins Stammbuch geschrieben, sie solle an Stelle von Selbstgerechtigkeit Bescheidenheit üben, Herrschsucht in den eigenen Reihen bekämpfen, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit lernen und das helle Licht der Aufklärung nicht verlieren, das Vernünftigkeit, Gerechtigkeit und Menschenliebe meinte.
Andererseits bedeutete die Zauberflöte in der konkreten historischen Situation ihres Erscheinens und unter dem Beginn von Verdächtigungen und Verbotsdrohungen nicht nur ein Bekenntnis zur Freimaurerei, sondern auch der Versuch, sie aus dem Kreis völlig falscher Vorstellungen herauszulösen - nicht durch ein geschönertes Bild ihrer Wirklichkeit, sondern mit theatralischen Mitteln, die nicht mal vor Kasperlefiguren haltmachen. Wie die Rezeptionsgeschichte dieser Oper deutlich lehrt, haben die komödiantischen, parodistischen und zauberpossenhaftigen Züge ihre Ernsthaftigkeit keinen Abbruch getan.
Wie ernst sich Mozart mit der Erneuerung der Freimaurerei im Sommer und Herbst 1791 beschäftigte, zeigt, die Zauberflöte ergänzend und ganz für eine Wirkung nach innen bestimmt, die Kleine Freimaurerkantate (KV 623), die als Mozarts letztes in sein Werkverzeichnis eingetragenes Werk so etwas wie ein Vermächtnis darstellt. Auch diese Kantate hat Schikaneder zum Verfasser, der ja seit 1788 selbst Freimaurer war. Sie wurde zur Einweihung eines Logentempels von Mozarts Loge "Zur neugekrönten Hoffnung" geschrieben und bei dieser Gelegenheit am 18. November von Mozart selbst dirigiert. Es war sein letztes Auftreten vor seinem plötzlichen Tod zwei Wochen später. Fast wie ein Kommentar zum grandiosen Gepränge von Sarastros Welt hört man in einer Tenorarie die folgenden Worte:

"Dieser Gottheit Allmacht
ruhet nicht auf Lärmen, Pracht und Saus,

nein, im Stillen wiegt und spendet
sie der Menschheit Segen aus.

Stille Gottheit, deinem Bilde
Huldigt ganz des Maurers Brust,

denn du wärmst mit Sonnenmilde
stets sein Herz in süßer Lust."

Die Turbulenzen und Streitereien in den Logen nach dem Freimaurerpatent werden diskutiert und man beschließt mit dem neuen Logenlokal zugleich einen neuen Anfang zu machen. "Wohlan ihr Brüder, überlaßt euch ganz der Seligkeit eurer Empfindungen, da ihr nie, daß ihr Maurer seid, vergeßt. Diese heutige Feier sei ein Denkmal des wieder neu und festgeschloßnen Bundes [...]" Die Logenarbeit als eine ständige Arbeit an sich selbst kennt keine endlich erreichte Vollkommenheit.
Jedoch ist die Freimaurerei nicht mehr zu retten. Nach dem plötzlichen Tod Leopolds II. (1792) wurde dessen Sohn Franz Nachfolger auf dem Habsburger Thron, der ein Regime der Verfolgung aller freigeistigen, aufklärerischen und fortschrittlichen Ideen einleitete, der in allem nur Keim des Aufstandes, des Umsturzes der Revolution erblickte. Die Loge "Zur neugekrönten Hoffnung" stellte am 2. Dezember 1793 durch ein Schreiben an den Kaiser ihre Arbeit ein, weil ihre Aufgabe nicht mehr erfüllbar sei, "verkannt, erschwert und angefochten" werde und es "immer unmöglicher wird, den schönen Zweck der Freymaurerei mit jener umwölkten Heiterkeit des Geistes die zum segenvollen Anbaue notwendig ist, und in dem Umfange zu erreichen, als es die Regel des Institutes, das Beste des Staates und der Menschheit, und die eigene Zufriedenheit der Arbeiter fordert."

 
 

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