Bezogen auf die Frage, welche Kenntnisse, Fähigkeiten sowie Einstellungen und Werte Menschen für das Leben im Informationszeitalter benötigen, läßt sich eine gewisse Hierarchie aufbauen, die bei der Technik beginnt und bei der Demokratie aufhört. Dies findet seinen Grund und seine Wurzel in dem Begriff Kompetenz also zu etwas fähig sein oder zu etwas ausreichen. Dieses Schlagwort ist am ehesten dazu geeignet, Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen gleichermaßen einzubeziehen. Es ist deswegen erforderlich zu erkennen, daß sich die Menschen im Informationszeitalter folgender Kompetenz-Hiearchie gegenüber sehen.
a)- Technische Kompetenz.
Die Menschen müssen mit der sie umgehenden Technik zurechtkommen. "Technologie verheißt zunächst Verfügbarkeit von Mitteln, über die die menschliche Praxis gebietet ". Diese Mittel wollen und müssen von Menschen in der Praxis genutzt sein, wofür entsprechende Fertigkeiten und Kenntnisse erforderlich sind. Während die Notwendigkeit von technischen Routinefertigkeiten wohl von jedem einleuchtet, sind Umfang und Qualität eines erforderlichen technischen Grundwissens sicher ein Thema für Kontroversen. Zum Beispiel was nützt mir die Datenautobahn, wenn ich nicht weiß wie ich auf die Datenautobahn komme.
b)- Soziale und kommunikative Kompetenz.
Neue Technologien, die es ermöglichen, Raum- und Zeitbeschränkungen, in Zukunft vielleicht sogar selbst die Beschränkungen infolge der menschlichen Körperlichkeit, zu überwinden, verändern auch die Situationen, in denen Menschen miteinander interagieren und kommunizieren. Pr. Dr. Herr Eisenbeis behauptet, ich zitiere, "Technologische Entwicklung greifen aktiv in menschliche Beziehungs- und Kommunikationsprozesse ein und richten Verhaltensweisen und Verhältnisse ... aus ". Die Kommunikation etwa im Datennetz und der zweier Menschen, die sich sehen und am gleichen Ort befinden, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer geistigen, emotionalen und körperlichen Qualität.
c)- Kompetenz zur Informationsbewältigung.
"Die Menge an Information wird weiter zunehmen, wenn sie erst von den fesseln des Papiers befreit ist ", so Prof. Dr. Herr Heinz Mandl.
Von Informationsflut ist hier die Rede und so manch einer fragt sich, wo der Sinn der Information bleibt, wenn es nur noch um Menge und Geschwindigkeit der Informations- Übermittlung geht, und wie unter solchen Bedingungen Information den Menschen angeblich freier und mündiger machen soll. Wenn künftig tatsächlich immer Informationen immer leichter zugänglich sind, wird es für die Menschen noch bedeutsamer und gleichzeitig schwieriger, Informationen zu analysieren, zu strukturieren und ihre Gültigkeit und Brauchbarkeit zu bewerten.
d)- Kompetenz zur individuellen Orientierung.
Wenn neue Technologien soziale Situationen und kommunikative Gewohnheiten verändern, werden zunehmend auch die alltäglichen Lebenserfahrungen des einzelnen einem Wandel unterzogen werden -ein Wandel, der bereits mit der mächtigen Stellung des Fernsehens seinen Anfang nahm. Infolge der Fortschritte in der Computertechnologie und insbesondere aufgrund der immer dichteren Vernetzung wächst die Tendenz, die körperlich-sinnliche Aneignung von Wirklichkeit (sogenannte Primärerfahrungen) hinter den vermittelten oder gar künstlich erzeugten Erfahrungen (sogenannte Sekundär- oder Tertiär-
Erfahrungen) zurückzustellen. Ob eine Dominanz solcher Sekundär- und Tertiärerfahrungen für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft, vor allem aber für die individuelle Entwicklung des einzelnen förderlich ist, kann bezweifelt werden. Freilich sind an dieser Stelle diesbezüglich nur Vermutungen möglich, denn bislang ist unbewußt, wie Menschen ihr Leben meistern, wenn sie überwiegend vermittelte oder gar künstliche Erfahrungen sammeln -denn noch bilden Primärerfahrungen, zumindest in bestimmten Phasen des Lebens, einen zentralen Bestandteil des Erlebens. Es ist aber auch anzunehmen, daß reale Erfahrungen gerade auch für eine Orientierung in der artifiziellen Welt eine wichtige Voraussetzung bilden. Ebenso werden Menschen in der Informationsgesellschaft selbst entscheiden und darüber reflektieren müssen, welchen Nutzen sie aus den neuen Technologien für sich ziehen können und für welche persönlichen Zwecke sie diese letztlich einsetzen wollen.
e)- Kompetenz zur demokratischen Orientierung.
Neue Technologien allein garantieren noch lange keinen sinnvollen Umgang mit diesen neuen Technologien. Immer waren und sind es wissenschaftliche und technologische Fortschritte, die ethische Probleme und neue Orientierungsfragen aufwerfen. So sind die Menschen einer Informationsgesellschaft ganz besonders dazu aufgefordert, mit Technik und die zugrundeliegenden Wissen umsichtig und die Folgen neuer Technologien und deren Anwendung nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch zu hinterfragen und zu reflektieren. Soziale Verantwortung und "soziale Sensibilität" dürfen nicht nur Postulate sein, sondern müssen auch ernsthaft praktiziert werden. Wenn es schließlich um die für die Gesellschaft so tragenden und zentralen demokratischen Grundlagen zu vergessen, sind neben Wissen und anderen kognitiven Kompetenzen auch ethische Wertvorstellungen, Solidarität, Toleranz und vielleicht etwas "Weisheit" notwendig. Weisheit in sofern, daß der einzelne Lebenserfahrung, kognitive Fähigkeiten und Emotionen integrieren kann, um auf dieser Basis individuell wie auch Gesellschaft "gute" Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln.
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