Das Verhältnis Österreichs zu der EU bekam durch das Binnenmarktprogramm eine zentrale Bedeutung. Allerdings war die EU-Frage kein rein wirtschaftliches Thema, auch politische Zusammenhänge fielen stark ins Gewicht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Österreich in den Marshall-Plan eingebunden. Damit war eine weltpolitische West-Orientierung gegeben. Der Beitritt zum Europarat (1956) ermöglichte eine frühe Teilnahme des mitt-lerweile neutralen Staates an der europäischen Zusammenarbeit. Die Neutralität verwehrte die Möglichkeit, der 1957 gegründeten EWG beizutreten, weil diese langfristig auch politische Gemeinsamkeiten anstrebte. So unterzeichnete Österreich gemeinsam mit sieben weiteren Staaten die Verträge zur Gründung der EFTA (1960). Dennoch bemühte sich Österreich bald um eine Annäherung an die EU. Diese Bemühungen fanden ihren vorläufigen Höhepunkt durch den Abschluß eines Freihandelsabkommens 1972, das einen Abbau der Binnenzölle und anderer Einfuhrbeschränkungen vorsieht. Verhandlungen zwischen Österreich und den EU über Handelserleichterungen fanden schon in den sechziger Jahren statt, scheiterten aber nicht zuletzt durch ein italienisches Veto (1962) wegen der gespannten Situation in Südtirol. (Österreich sollte unter Druck gesetzt werden.) Damit ergaben sich gewisse Parallelen zu 1991 - vor den übrigens schon vor Jahren ein Gutachten gewarnt hatte: »Österreich macht sich während der Zeit von Verhandlungen von jedem EU-Land erpreßbar.»
Als das Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde, bekam Österreich recht deutlich die Macht der EU zu spüren. Im letz-ten Moment bestanden die Gemeinschaften darauf, 20% der Industrieprodukte vom Zollabbau auszunehmen. Natürlich waren gerade die damals erfolgreichsten österreichischen Industrie-Exportwaren (Legierungen, Edelstahl) betroffen - einflußreiche EU-Konzerne hatten ihre Interessen durchgesetzt und eine unliebsame Konkurrenz ferngehalten.
Durch seinen Außenhandel ist Österreich bereits stärker in die EU eingebunden als viele EU-Staaten selbst. Dennoch war das Beitrittsthema schon wegen der Neu-tralität rund eineinhalb Jahrzehnte tabuisiert. Erst 1987 - ein Jahr nach der Veröffentlichung des »Weißbuches über die Vollendung des EU-Binnenmarktes» - bekannte sich die Vereinigung Österreichischer Industriel1er als erste uneingeschränkt zu einem EU-Beitritt.
Nach jahrelanger Diskussion um eine Vollmitgliedschaft bei den EU setzte die österreichische Bundesregierung einen konkreten Schritt: Außenminister Dr. Alois Mock überreichte am 17. Juli 1989 in Brüssel dem französischen Ratsvorsitzenden Roland Dumas den Antrag Österreichs auf die EU-Mitgliedschaft. Im kurz gehaltenen Text des Beitrittsantrages (Bezug auf Artikel 237 des EWG-Vertrages) wird eine Bedingung für den Beitritt gestellt: Österreich will den Status der immerwährenden Neutralität beibehalten. Gleichzeitig präsentierte Österreich im sogenannten »Brüsseler Memorandum» die lntegrationspolitik der Regierung. Unter anderem wurde versichert, bis zu einem EU-Beitritt ein loyales und aktives EFTA-Mitglied zu bleiben und möglichst rasch sektorelle Lösungen zwischen der Gemeinschaft und den EFTA-Staaten anzustreben.
Bereits am 20. Juli 1989 beauftragten die ständigen Vertreter der zwölf EU-Mitgliedsstaaten eine schriftliche Stellungnahme auszuarbeiten. Dieser Avis (Prüfbericht) wurde am 31. Juli 1991 in Brüssel veröffentlicht und fiel »grundsätzlich positiv» aus, weist aber auf das Neutralitätsproblem, den Alpentransit und auf österreichische Einfuhrbeschränkungen im Agrarbereich hin. Die Mehrzahl der EG-Kommissare stand 1991/1992 einem österreichischen Beitritt positiv gegenüber.
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