Genauso wie der Begriff der "Legende" waren auch die Zugänge der Legendenforschung einem steten Wandel unterworfen. Die wichtigsten Stationen, besonders aus dem Beginn dieser Entwicklung, seien hier kurz charakterisiert.
Die Geschichte der Legendenforschung begann in den achtziger Jahren des 19. Jh. mit dem Versuch, die Legendenhelden als unmittelbare Nachfolger vorchristlicher Götter zu sehen. Dieser Ansatz von Hermann Usener und seiner Schule wurde aber bald wieder verworfen.
Kurz danach, 1890, kontrastierte der Theologe Andreas von Harnack die Legende mit der Geschichtsschreibung, die für ihn der Mitteilung von Realbezügen dient, wogegen der Legende die dichterisch-religiöse Deutung solcher Realität zukommt. Wilhelm Wundt sprach 1906 den religiösen Aspekt bewusster an, widersprach sich aber selber, indem er einerseits betonte, es gäbe keine von der jeweiligen Religion gelöste Legende und andererseits alle möglichen Götter- und Heroensagen als echte Mythen ansah. Er verwischte damit wieder den zaghaften Ansatz der Grenzziehung zwischen Märchen, Sage, Mythus und Legende.
Auf die Eigenart der Legende konzentrierte sich erst die neuere, gegenstandsbewusste Literaturwissenschaft der dreißiger Jahre des 20. Jh. in ihrem Bemühen um Formverwirklichung und das Gattungshafte. Günther Müller knüpfte 1930 bezüglich der Bindung der Legende an Kult oder Religion an Wundt an und wies auf die Durchkreuzung theologischer und literarischer Gesichtspunkte hin. Problematisch scheint aber sein Vergleich der Legende mit der Novelle, in derer beider Mittelpunkt ein einzigartiges Ereignis stehe, das in der Legende aber durch eine überirdische Macht bewirkt werde. Gegen diese Bestimmung spricht die Tatsache, dass es auch Legenden ohne jede Wundererzählung gibt.
Im gleichen Jahr veröffentlichte auch André Jolles seine Überlegungen zur Legende, die er an die Spitze der "einfachen Formen" setzte und in deren Mittelpunkt die "Geistesbeschäftigung der imitatio eines in Tugend Bewährten" , die sich in der Legende sprachlich äußere, stünde. Eine zweifellos wichtige Überlegung im Zusammenhang mit den Legenden über den heiligen Franziskus. Er stellte fest, dass "der Legendenheilige nicht von sich aus und für sich existiere, sondern daß er für die Gemeinschaft da sei" und die Gläubigen zu Dankbarkeit und Gotteslob entflammen sollte. Joseph Dabrock ging 1934 noch einen Schritt weiter; für ihn sollte die Legende die Existenz Gottes beweisen.
Hellmut Rosenfeld plädierte im Gegenzug zu dieser vorgeschlagenen Ausweitung des Begriffes für eine erneute Einschränkung auf die Definition, die bis zum 16. Jh. Gültigkeit hatte, nämlich die "dichterische Wiedergabe des irdischen Lebens heiliger Personen" . Seine griffige Formel, dass die Legende eine "Art religiöser Heldensage" sei, wurde in der Folge häufig reproduziert. Ziel der Legende sei das Kundtun der Ansprechbarkeit des Heiligen und seiner Berufung zu Fürbitte und Hilfe.
In eine ähnliche Kerbe wie Joseph Dabrock schlug auch Max Lüthi 1947 in seiner Gegenüberstellung von Volksmärchen und Legende. Das Wunder, so Lüthi, sei im Märchen etwas Selbstverständliches, in der Legende jedoch eine Offenbarung des alles beherrschenden Gottes. Die Legende gebe Antworten auf Fragen und ordne das Geschehen in dogmatischem Zusammenhang.
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