Erörterung
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Mit welchen Schwierigkeiten hatten die Exilanten bezüglich ihrer
literarischen Tätigkeit im Gastland zu kämpfen?
Während des zweiten Weltkrieges wurden viele deutsche Autoren wie Berthold
Brecht, Lion
Feuchtwanger, Anna Seghers und die Brüder Klaus, Heinrich und Thomas Mann
durch Hitler und
die Nationalsozialisten verfolgt, da ihre Literatur vom Regime nicht
geduldet wurde. Sie waren
gezwungen, in die Nachbarländer zu fliehen, um nicht in Gefangenschaft zu
geraten oder gar
getötet zu werden. In ihrer Heimat wurden derweil ihre Bücher verbrannt. Als
Hitler zunehmend
weitere Teile Europas eroberte, waren die verfolgten Schriftsteller,
Journalisten, Schauspieler,
Wissenschaftler und Politiker gezwungen, in weiter entfernte Länder zu
fliehen. Während ihres
unfreiwilligen Aufenthaltes in Gastländern versuchten die Vertriebenen
natürlich, weiter ihren
Berufen nachzugehen. Dabei entstand eine ganz neue literarische Epoche: die
Exilliteratur.
Besonders Schriftsteller versuchten, vom Ausland aus in Deutschland etwas
zum Guten zu
bewegen, indem sie über Deutschland schrieben und ihre Haltung zu Hitler
deutlich machten.
Doch im Gastland hatten die Exilanten oft mit Schwierigkeiten bezüglich
ihrer literarischen
Tätigkeit zu kämpfen.
Im Gastland standen sie einer völlig ungewohnten Umgebung gegenüber. Sie
kannten sich nicht
aus und waren meist nicht einmal der Sprache mächtig. Auch hatten die
meisten keinerlei soziale
Kontakte knüpfen können, schon allein der Sprachbarriere wegen. Wie soll
beispielsweise ein
Schriftsteller, dem die deutsche Sprache am wichtigsten ist, in den USA
seiner Arbeit nachgehen
können? Er mag ein Meister der deutschen Sprache sein, doch würde er in den
USA kein
Publikum finden. Würde er sich in englischer Sprache versuchen, müßte er
ganz von vorne
beginnen und würde zunächst einmal schreiben wie ein Anfänger.
Mit dem Verlust der gewohnten sprachlichen Umgebung verloren die
Schriftsteller auch den
Verlust des inspirierenden Umfeldes. Selbst fremdsprachlich versierten
Autoren fehlte die
Möglichkeit, die Nuancen des literarischen Ausdrucks in ihrer
fremdsprachlichen Publikationen
ohne Probleme anzuwenden. Ernst Bloch erklärt dieses Problem in "zerstörte
Sprache- zerstörte
Kultur" folgerndermaßen: "Wir sprechen nun einmal Deutsch. Diese Sprache
haben wir
mitgenommen, mir ihr arbeiten wir. Aber jeder Baum heißt hier anders, (...)
Mit uns ist die
deutsche Sprache auf verschiedene Weise in Gefahr. Intra muros et extra ist
sie bedroht: In
Deutschland droht sie zu ersticken, im Ausland zu erfrieren."
Neben den sprachlichen Problemen stellten auch die psychischen Probleme eine
große Hürde
dar, um im Gastland Fuß fassen und möglichst in seinem alten Beruf nachgehen
zu können.
Die geflohenen Exilanten hatten bis mindestens 1943 auf Grund der
kriegerischen Erfolge der
deutschen Land- Luft- und Seestreitkräfte keine Aussicht in ihr Heimatland
zurückzukehren. Auch
nach 1943 wußten die Autoren nicht, wie lange der Aufenthalt im Exil noch
dauern würde.
Berthold Brecht stellte sich dieser Ungewissheit in seinem Gedicht "Gedanken
über die Dauer
des Exils": "Warum vorsorgen für vier Tage? Du kehrst morgen zurück. Wozu
noch einen Baum
pflanzen? Bevor er so hoch wie eine Stufe ist, gehst du froh weg von hier.
(...) Wozu in einer
fremden Grammatik fingern? Die Nachricht,
#
die dich heimruft, ist in bekannter Sprache geschrieben."
Und viele weitere deutsche Schriftsteller, die bei der Machtübernahme der
Nationalsozialisten ins
Exil gingen, dachten anfangs: Lange wird dieser Zustand nicht anhalten. Je
länger er dauerte,
desto schlimmer wurde die Lage für die Menschen im Exil. Stefan Zweig beging
auf Grund der
Tatsache, dass er nicht in sein Heimatland zurückkehren konnte sogar
Selbstmord.
Oftmals wurden in den Exilländern auch deutsche Autoren nicht als verfolgte
Emigranten,
sondern vorallem als deutsche Verdächtige behandelt.
Die Schriftsteller, die ins Exil gingen, fühlten sich aber weder als
Emigranten, noch als
Verdächtige, sie fühlten sich als Vertriebene oder sogar Verbannte. Doch
auch im Heimatland
wurden sie als Emigranten angesehen und teilweise dafür verpönt, dass sie
ausgerechnet in
dieser schweren Zeit das Land verließen. anstatt mit ihren Werken dem Volk
beizustehen.
´Berthold Brecht beschrieb dieses Gefühl in seinem Gedicht "Über die
Bezeichnung Emigranten".
"Emigranten. Das heißt doch Auswanderer. Aber wir wanderten doch nicht aus
nach freiem
Entschluß (...) Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte.
Die Exilanten standen also unter enormer phsychischer Belastung- keine gute
Voraussetzung um
literarisch tätig zu sein.
Das größte Problem, dem die Autoren gegenüberstanden war die Publikation.
Die Exilautoren wurden, von Ausnahmen wie Thomas Mann abgesehen, nur von
wenigen
Verlagen unterstützt. Besonders gering war die Zahl der Verlage, die bereit
waren, Werke von
Exilautoren in deutscher Sprache herauszubringen.
Außerdem sahen nicht wenige Regierungen in freien Ländern in der Förderung
deutscher
Exilautoren eine Gefahr, weil sie Gegenmaßnahmen des NS-Regimes
befürchteten.
Desweiteren erreichten Publikationen von Exilautoren im Ausland nicht die
Öffentlichkeit in
Deutschland, so dass Autoren am Sinn und an der Wirksamkeit ihrer
publizistischen Arbeiten
zweifelten.
Schrieben sie in deutscher Sprache, konnte der Text im Exilland nicht
verstanden werden - und in
Deutschland durften sie nicht veröffentlichen. In der Landessprache zu
schreiben, war für viele
unmöglich und undenkbar.
Alfred Döblin schrieb über dieses Problem:
"Wir, die sich mit Haut und Haaren der Sprache verschrieben hatten, was war
mit uns? Mit
denen, die ihre Sprache nicht loslassen wollten und konnten, weil sie
wußten, daß Sprache nicht
nur \'Sprache\' war, sondern Denken, Fühlen und vieles andere? Sich davon
ablösen? Aber das
heißt mehr, als sich die Haut abziehen, das heißt sich ausweiden, Selbstmord
begehen. So blieb
man, wie man war - und war, obwohl man vegetierte, aß, trank und lachte, ein
lebender
Leichnam." (Döblin, 1962)
Das Problem, im Exilland in deutscher Sprache veröffentlicht zu werden,
wurde mit Ausbruch des
Krieges in Europa immer größer. Exilverlage in Holland, Frankreich, in der
Schweiz und der
Tschechoslowakei mußten ihre Arbeit einstellen. Dazu gehörten u.a. Querido
und de Lange in
Amsterdam, Oprecht & Helbling in der Schweiz, die Editions du Carrefour in
Paris und der Malik
Verlag in Prag. Sie hatten erfolgreiche, aber auch sehr schwere Arbeit
geleistet.
Bei Kriegsausbruch war das bedeutendste Exilland die USA. Hier entstanden
bis auf den Aurora
Verlag von Herzfelde keine nennenswerten Exilverlage.
Oft mußten die Schriftsteller selbst die Initiative ergreifen wie in Mexiko,
dem Land, in das auch
Anna Seghers nach der Besetzung Frankreichs flüchtete. Hier gründete eine
Reihe von Autoren
den Verlag El Libro Libre.
Diese Verlage eröffneten auch Anna Seghers die Chance, ihre Bücher im Exil
auf den Markt zu
bringen. Sehr erfolgreich gelang ihr das mit ihrem Roman \"Das siebte Kreuz\".
Der Roman \"Transit\" wurde im Gegensatz zu seinem Vorgänger erst nach Ende
des Krieges
veröffentlicht.
Die Verlagsarbeit im Exil war nicht einfach. Die Mitarbeiter hatten sowohl
mit finanziellen als auch
mit politischen Problemen zu kämpfen.
Nur durch das Engagement dieser Menschen erschienen Werke von deutschen
Schriftstellern
nicht nur in Übersetzungen oder erst lange nach dem Krieg, sondern konnten
auch schon in den
Jahren zwischen 1933 und 1945 erscheinen.
Die Exilanten hatten also sowohl mit sprachlichen, als auch psychischen und
vorallem mit
Publikationsproplemen zu kämpfen. Die literarische Tätigkeit im Exil
gestaltete sich somit als sehr
schwierig.
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