Nicht nur was man auf den Straßen selbst sah und was man durch Erzählungen erfuhr, löste Unbehagen aus. Viele Bekannte und Verwandte ereilte ein furchtbares Schicksal, das einen zugleich trauern und fürchten ließ. Oftmals endeten die furchtbaren Qualen mit einem frühen Tod.
Herrn Weinberg wurde sein Auto, ein Steyr 200, beschlagnahmt. Er musste jedoch nachträglich noch S 1800,- bezahlen. Des weiteren wurde seine Villa in St. Andrä Wördern in eine SS-Kaserne verwandelt, wo er auch weiterhin die Kosten für die Beleuchtung und die Beheizung übernehmen musste.
Aus dem Warenhaus Schiffmann, das über hundert Angestellte zählte, wurden acht Tage lang Waren mit Lastautos verschleppt. Hierauf mussten die Inhaber, die vier Brüder Schiffmann, schließen und sie wurden in sogenannte Schutzhaft genommen und anschließend ins KZ Dachau gebracht.
Das Bettfedergeschäft Samek musste 30 Bettdecken und 6 Messingbetten, Daunen und Matratzen "stiften", das Schuhgeschäft "Zum Stiefelkönig" des Herrn Liban 80 Paar Schuhe. Liban wurde des weiteren stets von einem SS-Mann gequält, der Rache wollte, da Liban seinem Vater als Kunde ausgeblieben war. Liban musste täglich dessen Auto waschen, bis er eines Tages zusammenbrach und mit einem Nervenzusammenbruch ins Spital eingeliefert wurde. Am nächsten Tag musste Libans Frau mitkommen, um bis fünf Uhr den Fussboden am Ballhausplatz zu reiben und Fenster zu putzen. Nach zwei Wochen wurde Liban entlassen und sofort wieder von jenem SS-Mann aufgesucht. Er solle ihm 400 Reichsmark für ein Lehrmädchen und eine Hausgehilfin zahlen, was aus der Luft gegriffen war. Hierauf bekam er einen Schlaganfall und starb tags darauf an Gehirnblutung.
Kelfeits Cousin, Norbert Futterweit, war ein 34 jähriger Kaufmann, Vater von einem neun-jährigen Kind, ließ sich nie etwas zu Schulden kommen, gehörte keiner politischen Partei an und meldete sich 1917 freiwillig zum Militär. Eines Tages blieben vor dessen Juweliergeschäft in der Meidlinger Hauptstraße 21 um zehn Uhr vormittag zwei Burschen auf Fahrrädern stehen, die ein rauchendes Paket in sein Geschäft warfen. Als er jenes gerade aus der Tür werfen wollte, explodierte die Bombe. Futterweit starb ebenso wie zwei Passanten, einige Personen wurden verwundet.
Am 15. März, vier Tage nach Umbruch, musste der Bruder des Ermordeten, Jakob Futterweit, ein 51 jähriger amerikanischer Staatsbürger, sein Juweliergeschäft schließen und die Schlüssel abliefern. Er wehrte sich, wurde jedoch überwältigt und gefesselt. Er wurde ins braune Haus in der Hirschengasse gebracht. Am nächsten Tag erhielten seine Angehörigen die Nachricht, dass er sich vom Fenster geworfen hätte und tot sei, obwohl er zuerst erschossen und danach erst vom Fenster geworfen wurde. Er zählte unzählige Schusswunden.
Der 76 jährige Oberrabiner Dr. Taglicht wurde gezwungen, mit einer Tafel stundenlang auf der Praterstraße in Habt-Acht-Stellung zu posieren.
Kelfeits Geschäftsnachbar Halpern wurde auf einen Stuhl gestellt und musste die Arme eine halbe Stunde lang auf und ab bewegen, wobei ihm gleichzeitig ein Junge mit Nadeln in die Beine stach. Daraufhin musste Halpern eine Woche lang im Bett liegen.
Im Kaffee Kühn wurde eine Kontrolle gemacht, ob es von Ariern besucht wurde. Herr Kühn wurde geschlagen, musste sich auf den Boden legen, wo er dann getreten wurde, und wurde gezwungen, die Spucknäpfe austrinken, worauf er für 14 Tage im Spital lag.
Der Möbelhändler Bergmann, der ein großes Möbelhaus in der Praterstraße besaß, wurde auf die Straße gezerrt und gezwungen, das Pflaster zu küssen. Am nächsten Tag drehte Bergmann den Gashahn auf und vergiftete sich, seine Frau, seine Tochter und seinen Schwiegersohn sowie sein fünf-jähriges Enkelkind.
Berthold Heger wurde im Brausebad Treustraße von Radaubrüdern der Nazis überfallen, die seinen Kopf mit Stahlruten blutig schlugen. Salo Heger wurde zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kinder, ein 16 jähriger Sohn und zwei Töchter im Alter von 14 und 18 Jahren, in das Polizeigefangenenhaus Rossauerlände gebracht. Die Ursache war, dass Schulfreundinnen seiner Töchter zu Besuch waren und er somit einer kommunistischen Versammlung beschuldigt wurde. Nach der ergebnislosen Hausdurchsuchung wurden sie verhaftet und blieben bis 30. Juli in Haft. Anschließend mussten sie binnen zehn Wochen das Deutsche Reich verlassen.
Auch unter dem Dachautransporten waren viele Bekannte von Kelfeit.
Der 33 jährige Isidor Kassner ging während einer Pause schnell ohne Weste oder Sakko ins benachbarte Café, um zu jausnen und Zigaretten zu kaufen. Ohne Grund wurde er zur Gestapo gebracht und bereits am gleichen Tag nach Dachau versandt. Erst drei Wochen später haben seine Angehörigen davon erfahren, nachdem sie bereits lange ärgste Qualen litten.
Moses Torcziner, ein Juwelenhändler wollte lediglich seine Mutter besuchen, als er verhaftet wurde.
Leopold Gewürz, wohnhaft in Wien II in der Rotensterngasse 23, wollte um sieben Uhr eine Geschäftsreise antreten. Zwei Tage später erfuhr man, dass er in Haft sei, zwei Wochen später, dass er bereits in Dachau sei. Hierbei war es insofern tragisch, da Gewürz bereits eine Vorladung zum Amerikanischen Konsulat hatte zwecks Visumerteilung nach den USA.
Ein ihm bekannter Spezereiwarenhändler erhielt nichtsahnend eine Urne mit der Asche seines 18 jährigen Sohnes.
Kelfeits Schwester besaß ein gutgehendes Tapeziererzubehörgeschäft in der Heinestraße. Eines Tages erschien bei ihr die Gattin eines Tapezierers, der bereits RM 400,- Schulden bei ihr hatte, und fragte sie, ob sie nicht ihr Geschäft abtreten wolle. Seine Schwester verneinte, da sie ihr Geschäft schon seit 20 Jahren allein führte. Fünf Tage später kam jener Tapezierer und stellte sich als kommissarischer Leiter vor, und sagte, er werde nur RM 600,- pro Monat nehmen. Kelfeits Schwester und ihr Gatte erhielten monatlich RM 320,- . Außerdem wurde ihre Wohnung nach versteckten Waren und Geldern erfolglos durchsucht. Somit war die Geschäftsinhaberin nur mehr ein Lehrmädchen in ihrem eigenem Geschäft.
In der Sodawasserfabrik namens Raimann und Schildwach im 2. Bezirk, Nestroygasse, beschuldigte ein ehemaliger Hilfsarbeiter den Inhaber der Steuerhinterziehung, worauf dieser dann kommissarischer Leiter wurde und die einstigen Chefs in Haft genommen wurden. Drei Tage darauf wurde der Flaschenfüller David Schiffeldrim zur Polizei geholt und befragt, ob er denn etwas davon wisse. Er sagte unter Eid, dass ihm nichts bekannt sei. Tags darauf wurde er erneut zur Polizei bestellt, die ihn der Falschaussage unter Eid bezichtigte. Schiffeldrim habe 24 Stunden Zeit, um die Wahrheit zu sagen. Am nächsten Tag fuhr er mit gepacktem Rucksack nach Aachen und floh von dort nach Belgien, um der Polizei zu entgehen und sein Leben zu retten.
Eines Tages kam Kelfeits Kind weinend von der Schule nach Hause, da er verprügelt worden war. Sein Sohn und sein Neffe waren am hellichten Tag überfallen und beraubt worden. Von da an mussten seine Kinder stets in der Wohnung bleiben.
Der Junge Bergmann, der als angeblicher Kommunist brutal verhaftet wurde, schrie die ganze Zeit, dass seine Mutter eine Urne bekäme.
Der in der Karajangasse inhaftierte Dr. Flegel litt an einer Angina Pectoris und war somit gezwungen, im Bett zu liegen. Bei der Übernahme des Geldes, welches ihm seine Familie schickte, hörte er von draußen eine Stimme "Papa" rufen. Es war sein Sohn. Als er jenen sah, brach Flegel zusammen und musste anschließend in den Saal zurück getragen werden.
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