Am 30.September und 1.Oktober 1946 fand im vollbesetzten Saal 600 die Urteilsverkündung statt. Am Anfang erklärten die Richter über ihre Zuständigkeit, die von der Verteidigung immer wieder bestritten wurde und über die die Meinungen der Völkerrechtler bis heute auseinandergehen: \"Dem Gerichtshof ist die Vollmacht verliehen worden, alle Personen abzuurteilen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach den im Statut festgelegten Begriffsbestimmungen begangen haben\". Die Täter solcher Verbrechen waren persönlich verantwortlich. Ferner wurde die Zuständigkeit aus der \"bedingungslosen Kapitulation Deutschlands\" hergeleitet.
Der Hauptteil des Urteils - es umfaßt insgesamt 197 Seiten im Gerichtsprotokoll - bezog sich auf Punkt 1 der Anklage: Verschwörung zur Planung und Führung von Angriffskriegen. Es wurde die Geschichte der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, die Konsolidierung ihrer Macht im \"Dritten Reich\" und die Vorbereitungen für die deutschen Eroberungen durch Waffengewalt geschildert. Das Urteil folgte in seiner Darstellung den Eroberungszügen, stützte sich dabei auf erbeutete deutsche diplomatische und militärische Dokumente und kam zu dem Resultat, daß \"einige der Angeklagten Angriffskriege gegen 12 Nationen geplant hatten und durchführten und daher dieses Verbrechens schuldig zu erachten seien\". (41). Der Gerichtshof bezeichnete das Beweismaterial zu Teil 3 und 4 der Anklage - Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - im Hinblick auf die Grausamkeiten als \"überwältigend in seinen Ausmaßen und seinen Einzelheiten\". Die Richter erklärten die Grausamkeiten als \"das Ergebnis von kalten und verbrecherischen Überlegungen\", die unter den \"Begriff des totalen Krieges\" fielen.
(42)
|