Als Ergebnis des bolschewist. Siegs im Bürgerkrieg wurden auch die meisten Randvölker des russ. Imperiums in den sowjet. Scheinföderalismus einbezogen. Die Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) am 30.12.1922 u. die neue Verfassung von 1923/24 kennzeichneten eine Konsolidierung der bolschewist. Macht. Im Inneren löste Lenin den sog. Kriegskommunismus durch die Neue Ökonom. Politik (NEP, 1921-1927) ab, um die zusammengebrochene Wirtschaft neu zu beleben.
Nachdem klargeworden war, daß eine Weltrevolution vorerst nicht zu erreichen war, schaltete sich die S. zunehmend in das weltpolit. Kräftespiel ein. Der Vertrag von Rapallo (16.4.1922) durchbrach zum erstenmal die außenpolit. Isolierung der S. u. leitete eine enge militär. u. wirtschaftl. Zusammenarbeit mit Dtschld. ein. Ein entscheidender Durchbruch gelang dem Außen-Min. M. Litwinow mit dem Litwinow-Protokoll im Rahmen des Kellogg-Pakts, das von der S., Rumänien, Polen, Lettland u. Estland unterzeichnet wurde (2.2.1929). Es folgten ein Vertrag mit Frankreich u. Nichtangriffspakte mit Polen, Lettland, Estland u. Finnland (1932). Nach der diplomat. Anerkennung durch die USA (1933) vollendete die Aufnahme der S. in den Völkerbund (1934) ihre Einordnung in das Staatensystem der Welt.
Der feindl. Haltung Hitlers suchte die S. seit 1935 durch die Volksfrontpolitik zu begegnen. Beistandspakte mit Frankreich u. der Tschechoslowakei von 1935 blieben jedoch 1938/39 beim Zusammenbruch der Tschechoslowakei wirkungslos. In den entscheidenden Tagen vor Ausbruch des 2. Weltkriegs beseitigte der überraschende dt.-sowjetische Nichtangriffspakt (23.8.1939) die letzte Schranke für den dt. Angriff auf Polen u. brachte Ostpolen an die S., die 1940 auch Estland, Lettland, Litauen, Bessarabien u. die Nordbukowina annektierte. Durch den Winterkrieg 1939/40 erzwang sie die Abtretung Kareliens von Finnland. Zu Meinungsverschiedenheiten mit Dtschld. kam es wegen weiterer sowjet. Forderungen gegenüber Finnland u. der Einflußsphären auf dem Balkan. Der dt. Überfall auf die S. (22.6.1941) kam überraschend u. kann nicht als Präventivkrieg bezeichnet werden.
Im Innern ging aus den nach Lenins Tod (1924) ausbrechenden Machtkämpfen J. W. Stalin, der als Generalsekretär den Parteiapparat beherrschte, als Sieger hervor. Es gelang ihm auf der 14. Parteikonferenz 1925, seine These vom »Aufbau des Sozialismus in einem Lande« gegen L. D. Trotzkijs Theorie der »permanenten Revolution« durchzusetzen. Seit 1928 war Stalin der unumschränkte Diktator. Mit dem 1. Fünfjahresplan 1928, der die NEP ablöste, begann die Umwandlung vom Agrar- zum Industriestaat mittels eines rigoros erzwungenen Konsumverzichts der Bevölkerung. Die gleichzeitig mit Gewaltmethoden durchgeführte Kollektivierung stieß auf erbitterten Widerstand u. rief zunächst Desorganisation u. Hungersnot hervor. Dem »Aufbau des Sozialismus in einem Lande« entsprach die Propagierung eines »Sowjetpatriotismus«, der seit 1934 mit einem großrussisch orientierten nationalist. Geschichtsbild untermauert wurde u. im 2. Weltkrieg seinen Höhepunkt erfuhr. Die Stalinsche Verfassung von 1936 ist trotz ihrer demokrat. u. föderativen Form der Ausdruck des konsolidierten autoritären Einparteienstaats. Stalins totalitäre Diktatur gipfelte in den Säuberungen 1936-1938, denen alle gestürzten u. potentiellen Gegner (G. I. Sinowjew, L. B. Kamenew, M. P. Tomskij, A. I. Rykow, N. I. Bucharin, K. B. Radek; 1940 Trotzkij in Mexiko) mit ihren Anhängern u. ein großer Teil des Offizierskorps mit Marschall M. N. Tuchatschewskij an der Spitze zum Opfer fielen.
Aus dem 2. Weltkrieg ging die S. als Weltmacht ersten Ranges hervor. Bereits auf den Konferenzen von Teheran (1943), Jalta, London u. Potsdam (1945) überspielten Stalin u. sein Außen-Min. W. M. Molotow die westl. Alliierten, bei denen die Nachkriegsgestaltung Europas hinter dem Nahziel des Siegs über Dtschld. zurücktrat. Die S. annektierte weitere Gebiete (das nördl. Ostpreußen, Karpato-Ukraine) u. förderte mit Hilfe ihrer Besatzungstruppen die Errichtung von volksdemokrat. Regimen in den osteurop. Staaten u. in der sowjet. Besatzungszone Deutschlands. Dieser inneren Sowjetisierung entsprach die außenpolit. Gleichschaltung auf die Ziele der S. Der Versuch der S., das kommunist. Herrschaftssystem auf weitere Staaten auszudehnen (u. a. Berliner Blockade 1948/49, Koreakrieg 1950-1953), führte einerseits zu Zusammenschlüssen nichtkommunist. Staaten (NATO 1949, SEATO 1954, CENTO 1955), andererseits zum Warschauer Pakt (1955).
Nach Stalins Tod (1953) trat an seine Stelle zunächst eine kollektive Führung mit G. M. Malenkow, L. P. Berija u. Molotow an der Spitze. Berija - als potentieller Diktator gefürchtet - wurde schon 1953 verhaftet u. hingerichtet. Seit Herbst 1953 begann der Aufstieg N. S. Chruschtschows, der als Erster Sekretär des ZK der KPdSU die Schlüsselstellungen des Parteiapparats mit seinen Leuten besetzte u. 1955 den Min.-Präs. Malenkow durch N. A. Bulganin ablösen ließ. 1957 führte er den entscheidenden Schlag gegen die aus der Stalin-Ära stammende Führungsspitze: Molotow, Malenkow, L. M. Kaganowitsch u. D. T. Schepilow wurden als »Parteifeinde« abgesetzt; im März 1958 trat Chruschtschow an die Stelle Bulganins u. vereinigte Partei- u. Regierungsspitze auf sich.
Auf Chruschtschows Initiative wurden in der S. der Stalinsche Terror u. Personenkult verurteilt (1956), die größten Rechtsunsicherheiten beseitigt, die Wirtschaftsleitung dezentralisiert (Volkswirtschaftsräte 1957), die Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) aufgelöst (1958), eine marktgerechte Agrarpolitik eingeleitet u. ein gigant. Neulandprogramm in Kasachstan in Angriff genommen (1953). Die Schulreform erstrebte eine »stärkere Verbindung der Schule mit dem Leben« (1958 1. Schulgesetz in der S. überhaupt). Angesichts des zunehmenden westl. Widerstands gegen die aggressive sowjet. Außenpolitik wurden schon seit 1953 einige Konfliktherde beseitigt (Waffenstillstand in Korea 1953 u. Indochina 1954, Staatsvertrag mit Österreich 1955, Beendigung des Kriegszustands mit Japan 1956) u. die These der »friedl. Koexistenz« propagiert. Die gleichzeitige Verständigung mit Jugoslawien unter J. B. Tito u. die Lockerung des sowjet. Griffs führte zu Emanzipationsbestrebungen in einigen Staaten des Ostblocks im Sinn des Polyzentrismus, die allerdings blutig unterdrückt wurden, sofern sie der sowjet. Kontrolle zu entgleiten drohten (17. Juni 1953 in der DDR; 1956 Ungarn u. Polen).
Mit Chruschtschows jähem Sturz im Okt. 1964 verbanden sich zahlreiche Vorwürfe: Er habe die Kuba-Krise provoziert (1962), den Bruch mit China eingeleitet (1963), durch sprunghafte Entscheidungen die Wirtschaft desorganisiert u. außerdem einen neuen »Personenkult« begonnen. Unter den Nachfolgern Chruschtschows, L. I. Breschnew (Parteichef), A. N. Kossygin (Min.-Präs.) u. N. W. Podgornyj (Staatsoberhaupt), wurde die Herrschaft der Parteibürokratie wieder gestrafft.
Dies drückte sich u. a. in zunehmender ideolog. Intoleranz u. Zurücknahme vieler Liberalisierungsmaßnahmen aus. Innerhalb der zunächst kollektiven Führung trat Breschnew mehr u. mehr in den Vordergrund, ab 1966 führte er wieder den Titel »Generalsekretär«, u. spätestens seit Mitte der 1970er Jahre war er der maßgebende Politiker. Seine Innen- u. Wirtschaftspolitik zielte hauptsächlich darauf, Erschütterungen des Systems zu vermeiden, u. hatte zunehmende Stagnation zur Folge. Breschnew starb 1982. Seine Nachfolger, der reformwillige J. W. Andropow (1982-1984) u. der eher konservative K. U. Tschernenko (1984/85), waren krank u. starben nach kurzer Amtszeit.
1985 wurde das jüngste Mitgl. des überalterten Politbüros, der 54jährige M. S. Gorbatschow, Generalsekretär des ZK. Es gelang ihm in kurzer Zeit, die Parteiführung weitgehend auszuwechseln u. viele Führungsposten mit Personen seiner Generation u. seines Vertrauens zu besetzen. Unter den Losungsworten Glasnost (»Offenheit«) u. Perestrojka (»Umgestaltung«) proklamierte er eine Reformpolitik, die darauf abzielte, das polit. u. wirtschaftl. System effektiver zu gestalten u. in gewissem Umfang zu demokratisieren. Im Zuge der dadurch bewirkten Auflockerung kam es zu Autonomiebestrebungen mehrerer nationaler Minderheiten. Mit mehreren Verfassungsreformen setzte Gorbatschow 1990 die Einführung eines föderativen Präsidialsystems durch. Er selbst wurde zum Staats-Präs. gewählt. Dieses Amt wurde mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Obwohl sich die wirtschaftl. Lage dramatisch verschlechterte, wurde eine radikale Reform der Planwirtschaft weiter hinausgezögert. Die Nationalitätenkonflikte verschärften sich (Armenien/Aserbaidschan). Bei den Wahlen auf Republikebene wurden die Reformkräfte gestärkt. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der balt. Republiken stellten die Einheit der S. in Frage. Aufgrund dieser Entwicklungen kam es Ende 1990 zu einer konservativeren Ausrichtung der bisherigen Politik. Bei Militäreinsätzen im Baltikum 1991 gab es zahlreiche Todesopfer. Bei einem Referendum am 17.3.1991 stimmte eine Mehrheit für den Erhalt der UdSSR als Föderation gleichberechtigter Republiken. Die Abstimmung wurde von den 6 nach Unabhängigkeit strebenden Republiken (Armenien, Georgien, Moldauische Republik, Estland, Lettland, Litauen) boykottiert. Am 12.6.1991 wurde der Reformer B. Jelzin zum Präs. der Russ. Sowjetrepublik gewählt.
Außenpolitisch u. militärisch betrieb die UdSSR bis zum Ende der 1980er Jahre eine starke Weltmachtpolitik. Während des Vietnamkrieges unterstützte sie mit ihrem Bündnisblock das kommunist. Nordvietnam, vermied aber ein unmittelbares Eingreifen in den Konflikt. Im Nahen Osten stand die UdSSR auf seiten der Staatengruppe, die einen Frieden mit Israel entschieden ablehnt. Im Golfkrieg zwischen Iran u. Irak ergriff sie für keine der beiden Seiten Partei, sondern nutzte den Konflikt, um den arabischen u. islam. Antiamerikanismus zu schüren. Der aus ideolog. u. territorialen Streitfragen resultierende Rivalitätskonflikt mit China schwelte weiter, zumal Chinas weltpolit. Position seit Beginn der 1970er Jahre gestärkt wurde; unter Breschnew eingeleitete u. von Gorbatschow verstärkte Bemühungen um eine Verständigung führten bis 1991 zu einer Wiederannäherung. Bei massiver Einflußnahme auf verschiedene afrikan. Staaten u. im Bemühen, in Lateinamerika fester Fuß zu fassen, spielte Kuba eine unterstützende Rolle.
In Europa u. gegenüber den USA bemühte sich die UdSSR zwar um Entspannung, nahm aber in mehreren Fällen um ihrer Machtinteressen willen ernste Rückschläge in Kauf. 1970 schloß sie mit der BR Dtschld. den Moskauer Vertrag über Gewaltverzicht u. Anerkennung der Grenzen in Europa, 1971 mit den Westmächten das Viermächteabkommen über Berlin; 1972, 1973 u. 1979 handelte sie mit den USA Verträge über die Beschränkung der strateg. Rüstung (SALT I u. II) u. gegen Atomkrieg aus; seit 1975 beteiligte sie sich an der Europ. Sicherheitskonferenz (KSZE) in Helsinki u. an den Nachfolgekonferenzen in Belgrad, Madrid, Stockholm u. Wien sowie an den Wiener Verhandlungen zum Truppenabbau (MBFR) in Europa. Hingegen besetzte die UdSSR im Aug. 1968 zusammen mit den Warschauer Paktstaaten die SSR, um reformkommunist. Tendenzen zu unterdrücken, u. im Dez. 1979 Afghanistan. In Polen betrieb die UdSSR die Errichtung eines Militärregimes (Dez. 1981), um, ohne selbst unmittelbar einzugreifen, die demokrat. Gewerkschaftsbewegung \"Solidarnosc\" zu ersticken. Dies alles belastete die Beziehungen zum Westen. Hinzu kam noch eine sowjet. Aufrüstung auf dem Gebiet der Mittelstreckenraketen, auf die die NATO seit 1983 mit der Stationierung US-amerikan. Mittelstreckenwaffen in Westeuropa reagierte. Erst M. Gorbatschows Politik führte zu einer Entspannung im Ost-West-Verhältnis. 1987 schloß die UdSSR mit den USA ein Abkommen über die Beseitigung aller in Europa stationierten Mittelstreckenwaffen. Bis 1989 wurden die sowjet. Truppen aus Afghanistan abgezogen. Danach tolerierte die S. den demokrat. Wandel in den osteurop. Staaten sowie die dt. Wiedervereinigung. Außerdem stimmte sie der Auflösung des Warschauer Paktes u. des COMECON zu u. unterzeichneten 1990 einen Vertrag über konventionelle Abrüstung in Europa, die zumindest formal den Ost-West-Konflikt beendete. Am 31.7.1991 wurde in Moskau der START-Vertrag unterzeichnet. Ein Putsch konservativer Kräfte im August des gleichen Jahres schlug fehl. Dadurch wurden die Reformer unter Führung von B. Jelzin gestärkt. Gorbatschow legte das Amt des Generalsekretärs der KPdSU nieder.
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