Die Perestroika (Umbau) begann mit der Wahl Gorbatschows zum Generalsekretär der KPdSU 1985.
Parallel zur Perestroika bzw. als Voraussetzung für ihr Gelingen inszinierte man die Politik der Glasnost (Öffentlichkeit) um die "Mobilisierung und Gewinnung der Massen" zu beschleunigen. Ihr Hauptziel war es den Bürgern den neuen Kurs verständlich und offen zu erklären und ein gutes Vorbild dar zu stellen, die "Menschen aus ihrem Winterschlaf" zu wecken, die Gleichgültigkeit und Passivität der Bürger zu überwinden und somit das Bewußtsein der Menschen für die neuen Realitäten zu schärfen. Ohne die Glasnost wäre keine Perestroika möglich gewesen.
Die Erfolge der Perestroika waren nach Gorbatschow in erster Linie, dass das totalitäre System abgeschafft wurde. Tiefgreifende demokratische Umwälzungen wurden in die Wege geleitet. Erstmals wurden allgemeine, freie Wahlen abgehalten, bei denen die Bürger tatsächlich unter mehreren Alternativen wählen konnten. Die Pressefreiheit wurde garantiert und die Gründung politischer Parteien zugelassen. Repräsentativorgane der Macht wurden gebildet, erste Schritte in Richtung Gewaltenteilung getan. Die Achtung der Menschenrechte, die bisher nur pejorativ als "sogenannte" bezeichnet werden mußten, wurde zu einem strikten Grundsatz (zumindest offiziell mit Nachdruck). Die Gewissensfreiheit wurde gewährleistet.
Die wirtschaftliche Freiheit wurde gesetzlich verankert, so dass die unternehmerische Tätigkeit deutlich zunahm, Aktiengesellschaften gegründet und Staatsunternehmen privatisiert wurden. Im Zuge des Gesetzes über den Grundbesitz blühte die Bauernschaft wieder auf, Farmwirtschaften entstanden. Millionen Hektar Land wurden den Dorfbewohnern und Städtern übergeben. Erste Geschäftsbanken wurden eröffnet.
"Mit anderen Worten, die Grundlagen für eine normale, demokratische und friedliche Entwicklung des Landes und seine Umwandlung in ein normales Mitglied der Völkergemeinschaft wurden geschaffen."
Eine radikale Abwendung von den traditionellen, ideologischen Dogmen und Stereotypen wurde angestrebt und mittels der Glasnost gelangte diese auch in die Köpfe der Menschen. Viele Bürger hatten jenes über Jahre hinweg indoktrinierte Denken "die da oben haben eh immer recht." Dieses Denken hatte aber auch seinen Ursprung in der Verfassung, welche jene zentralistische Lenkung des Gesellschafts- und Staatslebens legitimierte und die "oben" beschlossenen Entscheidungen lediglich dem Volk als Befehl übertrug.
Die Regierung rief zu mehr politischer Meinungsbildung, zur aktiven Teilnahme und zur kritischen Überprüfung der Politik auf. Das Ergebnis dieser Konzepte war das außenpolitische "Neue Denken", was stets von der Überzeugung ausging, dass "die Interessen der Menschheit die oberste Priorität haben, und nicht etwa enge klassenspezifische oder nationale Interessen."
Ein Angriffspunkt der Kritiker zur Perestroika war das Nichtvorhandensein eines ausgearbeiteten Models, eines exakten Plans. Gorbatschow schreibt hierzu geschickt, das gerade dieses Argument "die in Jahrzehnten anerzogene Gewohnheit, in Plänen zu denken" wieder spiegelt.
Bei all seinen Bemühungen betonte Gorbatschow in den Jahren der Perestroika stets den demokratischen, friedlichen Weg zu nehmen um ein notwendiges Vorbild zu sein. Folglich charakterisiert er das Wesen der Reformprozesse bezüglich der Frage Revolution oder Evolution folgendermaßen: "Nach ihrer inhaltlichen Zielsetzung zu urteilen, war die Perestroika natürlich eine Revolution, aber der Form nach war sie ein evolutionärer Reformprozeß."
Tragischer weise kam es auch zum Blutvergießen während der Perestroika, was nach Gorbatschows Meinung "lediglich die Folge des Widerstands der Gegner der Perestroika in der höchsten Nomenklatura" war. Soweit ich das beurteilen kann teile ich seine Meinung jedoch sollte man mehr berücksichtigen, dass es bei den Volksaufständen und Demonstrationen zwecks Unabhängigkeitsbestrebungen zu einigen sinnlosen Morden seitens der Armee kam. (Dazu aber später genaueres.)
Abschießend muß ich jedoch anmerken, dass längst nicht alle der angestrebten Ziele auch erfüllt wurden. Gründe hierfür sind die Bürokratie der Demokratie, deren einziges Mittel Reformen sind. Diese mußten im Akkord ratifiziert werden um Besserung herbei zu rufen, wurden aber verständlicher weise von konservativen Politikern in der Regierung verzögert und abgelehnt. Außerdem fehlte eine Musterlösung, eine Anleitung um Millionen Menschen zu helfen, was eine Herausforderung ist, der, denke ich, selbst der klügste Politiker nicht gewachsen ist, zumal wenn ihm demokratische Erfahrung fehlt und er hin und wieder durch seine eigenen Scherben gehen muß. Daran angeknüpft ist auch die Frage in welchem Verhältnis, vorallem in welcher Chronologie man politische und wirtschaftliche Reformen machen soll. Beides bedingt sich gegenseitig, um Erfolg zu haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, etwa wie in China, erst die Wirtschaft zu liberalisieren und darauf aufbauend die politischen Rahmenbedingungen zu verändern. Vielleicht unterschätzte Gorbatschow die Bedeutung der Wirtschaft oder rechnete nicht mit der extremen Unkenntnis und Unfähigkeit großer Bevölkerungsgruppen sich umzustellen von der administrativen Kommandowirtschaft auf Eigeninitiative und Marktwirtschaft.
Fakt ist jedoch, dass während der Reformprozesse die Produktivität sank, sich folglich die materielle Versorgung verschlechterte, was die Bürger unzufrieden machte, so dass viele enttäuscht ihr Vertrauen in die Perestroika verloren, einige sogar die Rückkehr zum alten System forderten. Dies wiederrum schuf einen idealen Nährboden für Kritik seitens der Opposition, welche die Lage geschickt auszunutzen wußte.
Trotzdem muß man, denke ich, Gorbatschow für die Versuche Reformen zu erlassen und überhaupt das Annehmen der nahe zu unlösbaren Herausforderung Respekt und Achtung zukommen lassen. Er ist der Mensch des letzten Jahrhunderts, der am meisten bewegt hat, dessen Entscheidungen die größte Zahl von Menschen betrafen, ein Symbol für Freiheit, Frieden und die Umsetzung von scheinbar unmöglichen Utopien.
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