Die biblischen Berichte der hebräischen Genealogie und Geschichte sind in den meisten Punkten glaubwürdig und lassen sich vielfach durch archäologische oder historische Studien bestätigen. In ihrer heutigen Form wurden sie jedoch erst Jahrhunderte nach den dargestellten Ereignissen niedergeschrieben und bedürfen daher der sorgfältigen Interpretation. Obwohl Moses seinen Vater als Aramäer bezeichnet (A.T., Deuteronomium 26, 5), stammen die Israeliten jedoch nicht allein von den Aramäern, sondern auch von Amoritern und Hethitern ab, wobei die typische jüdische Physiognomie, wie sie auf alten babylonischen Wandgemälden erscheint, am deutlichsten jener der Hethiter ähnelt. Die jüdische Sprache gehört zur Gruppe der nordwestlichen semitischen Sprachen.
Die zwölf Stämme
Die Geschichte der Stämme als Nachfahren des Ahnherren Jakob, wie sie das Alte Testament erzählt, muß im Licht des Nationalbewußtseins betrachtet werden, das die jüdischen Verfasser und Herausgeber der historischen Bücher im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. entwickelt hatten. In ihrem Bemühen, einen fortlaufenden und genauen Bericht zu geben, der eine gemeinsame Abstammungslinie schuf, machten diese Autoren zweifellos die Legende zur Geschichte. Gleichwohl besteht kein krasser Widerspruch zwischen biblischer Erzählung und den Ergebnissen der historischen Forschung. Die Schriften sprechen von zwölf hebräischen Stämmen, den Nachfahren der zwölf Söhne Jakobs: Aser, Benjamin, Dan, Gad, Issakar, Joseph, Juda, Levi, Naphtali, Ruben, Simeon und Zebulon. Die Forschung sieht die Jakobsgeschichte als symbolhafte Darstellung an, bei der sich die Stammesgeschichte mit persönlichen Erfahrungen vermischt hat. Zwischen den Stämmen herrschte Blutsverwandtschaft, einige von ihnen, vor allem Ruben, Simeon, Levi und Juda (Söhne derselben Mutter) unterhielten noch engere Beziehungen. Aser und Gad (Kinder von Dienerinnen) gehörten zu den unterworfenen Stämmen. Auch der Bund zwischen Jakob und Laban (A.T., Genesis 31, 44-54) personifiziert die Stammesgeschichte. Wissenschaftler erblicken in ihm einen frühen Vertrag zwischen hebräischen und syrischen Stämmen, die die Grenzen ihrer Weideländer im Norden von Gilead absteckten.
Der alttestamentlichen Tradition sowie der historischen Theorie zufolge kamen die aramäischen Vorfahren Israels aus der Gegend von Ur in Sumer am unteren Euphrat. Zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. gelangte eine Gruppe aramäischer Stämme in die Region von Carrhae (heute Harran, Türkei), einer alten babylonischen Kolonie. Einige Jahrhunderte später zogen mehrere Familienverbände weiter in südwestliche Richtung und ließen sich in vereinzelten Gruppen am Jordan nieder. Aus diesen Siedlern entstanden die hebräischen Stämme, die neben den Jahwegläubigen auch die Ammoniter, Moabiter und Edomiter umfaßten.
Der Exodus
Einige der Stämme, die traditionell der Gruppe von Joseph zugerechnet werden, begaben sich zwischen 1694 und 1600 v. Chr. nach Ägypten, wo die Hyksoskönige, die semitischen Eroberer Ägyptens, herrschten. Bis zu deren Absetzung (um 1570 v. Chr.) lebten die Stämme friedlich zusammen, dann wurden die Hebräer als Fremde verfolgt und zu Sklaven gemacht. Viele Historiker werten den Exodus als erfolgreichen Versuch der gefangenen Hebräer, sich mit verwandten hebräischen Stämmen zu vereinigen. Selbst archäologische Funde von Inschriften in Ägypten geben keinerlei Hinweis auf den Auszug, wahrscheinlich deshalb, weil die ägyptischen Hebräer höchstens einige tausend Menschen zählten und ihr Weggang kein großes Aufsehen erregte.
Im Gegensatz dazu mißt die jüdische Geschichte dem Exodus große Bedeutung bei. Moses hatte auf dem heiligen Berg Sinai den Bund mit Jahwe geschlossen und damit den Grundstein für den jüdischen Glauben gelegt, mit dem sich auch nomadentypische Vorstellungen von Eigentum, individuellem Recht, Sexualmoral und der Gleichheit aller Mitglieder der Gemeinschaft verbanden. Die Freiheitsliebe, die ebenfalls zu den hervorstechenden Charakteristika der wandernden Semiten zählte, und der Gedanke eines gesetzgebenden, königlichen Schöpfergottes bildeten die übrigen Merkmale der Religion und späteren politischen Theorie Israels.
Die Eroberung Kanaans im 2. Jahrtausend v. Chr. kam nicht allein durch militärische Siege, sondern ebenso durch Hochzeiten und Bündnisse zustande. Überdies nutzten die Invasoren die Gelegenheit, ihre Macht ungestört zu entfalten. Die Position der Ägypter, Hethiter und Sumerer war geschwächt, Assyrien besaß zwar alle Voraussetzungen zu einer Großmacht, hatte seine Kräfte jedoch noch nicht gesammelt. Unter Moses' Nachfolger Josua überquerten die Stämme Jahwes den Jordan, nahmen Jericho sowie die umliegende Ebene ein und siedelten sich im Westen Palästinas an. Zwar vermochten sie die Zahl der Kanaaniter nicht aufzuwiegen, doch fühlten sie sich durch ihren religiösen Bund und ihre gemeinsame Abstammung vereint. In der Zeit der Richter, der großen militärischen und zivilen Führer, sicherten die Israeliten ihr Land. Sie schlugen Angriffe der Moabiter, Midianiter und vor allem der Philister zurück, die aus der Ägäis gekommen waren.
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