1775 siedelte Goethe auf Einladung des jungen Herzogs Karl August nach Weimar über. Die
Residenzstadt genoss den Ruf des " Musenhofes ". Herzogin Anna Amalia hatte bedeutende
Persönlichkeiten um sich versammelt. Als einmalig konnte man die damaligen literarischen
Gesprächsrunden und musikalischen Zirkel bezeichnen, in denen sich der aufgeklärte Adel
mit dem gebildeten Bürgertum austauschte. Durch die Ankunft Goethes entfaltete sich die
künstlerische und wissenschaftliche Geselligkeit am Hofe.
Herzog August betraute Goethe schnell mit einigen wichtigen Aufgaben. Er arbeitete in der
Bergwerksverwaltung und beaufsichtigte Museen. Goethe schaffte es in kurzer Zeit zum
hohen Staatsbeamten aufzusteigen. Er wurde gegen den Widerstand der Beamtenschaft im
Jahre 1776 Geheimer Legationsrat. 1779 stieg er zum Geheimrat auf, d.h. er war somit auch
Mitglied der Regierung, und 1782 schließlich wurde er zum Präsidenten der Finanzkammer
ernannt. Aufgrund seiner hervorragenden Arbeit wurde er 1782 sogar vom Kaiser geadelt. Im
selben Jahr bezog er das Haus am Frauenplan. Es wurde zum Anziehungspunkt für viele
auswärtige Besucher. Der trotz einiger Vorbehalte gefasste Entschluss in Weimar zu bleiben,
wurde nicht zuletzt durch die Bekanntschaft mit Charlotte von Stein gestärkt.
In den folgenden Jahren entwickelte sich Charlotte von Stein zur engen Vertrauten Goethes,
die oft zwischen ihm und dem Herzog vermittelte. In dieser Zeit fand auch ein großer Wandel
in Goethes Leben statt. Seine Liebe zu Charlotte von Stein und das jetzt völlig neue Ideal des
tätigen Menschen wandelten Goethe zum klassischen Dichter, der "Klarheit der Form,
Mäßigung der Leidenschaft und organische Selbstentfaltung" anstrebt. So entstanden auch
seine ersten klassischen Werke:
. Grenzen der Menschheit
. An den Mond
. Wanderers Nachtlied, die alle drei Gedichte waren.
. Die Schauspiele "Iphigenie" und "Tasso"
Der Wandel, der sich in der Person Goethes vollzog wird sehr gut anhand seiner Werke
deutlich. Zwischen dem "Götz" des Stürmers und Drängers und der "Iphigenie" des
Klassikers Goethe liegen Welten. Diese Unterschiede zeigen sich sowohl im Aufbau als auch
im Inhalt der Dramen. Der "Götz" ist eher umgangssprachlich und in Prosa verfasst, die
Szenen wechseln sehr häufig, die Einheit der Handlung wird nur durch die Hauptperson
gewährleistet. In der "Iphigenie" ist der dramatische Aufbau mustergültig. Die Sprache ist in
fünffüßige Jamben gefaßt, die Handlung spielt an einem Ort in wenigen Stunden. Inhalt des
"Götz" sind Kampf, List und Untreue. Die Spannung wird durch äußeres Geschehen
hervorgerufen. Auch die Tragik ist nicht tief, da Götz an den Widerwärtigkeiten der Umwelt
zugrunde geht. Wirkliche Tragik entsteht aber erst, wenn auch die inneren Konflikte des
Helden geschildert werden. Die "Iphigenie" hat die läuternde Wirkung einer großen, reinen
Seele zum Thema. Iphigeniens Konflikt ist ein innerer; sie kämpft sich durch zu wahrer
Seelengröße: "Reinen Herzens bleiben, das ist das Höchste, dessen der Mensch fähig ist."
Goethes Interesse an mineralogischen und anderen naturwissenschaftlichen Studien wurde
hauptsächlich durch seine Aufgabe als Beaufsichtiger des Bergbaues geweckt. Goethes Drang
zur Naturwissenschaft, auf deren Gebiet er vielfältige Forschungen betrieb und Beträge
leistete zur Mineralogie, Geologie, Biologie, Farbenlehre und der Meteorologie, wirkte sich
wiederum auf seine Werke aus. Für einige Zeit trat ganz die wissenschaftliche Forschung in
den Vordergrund seiner Arbeit. So entdeckt er z.B. 1784 den Zwischenkieferknochen beim
Menschen, und nach und nach kam er auch mit seiner Methode der morphologischen (die
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äußere Gestalt betreffend, der Form nach) Betrachtung voran. Allerdings beengte dies und
seine amtlichen Verpflichtungen und Stellungen sein Dichterherz so sehr, dass er 1786
regelrecht nach Italien floh. Dort blieb er bis 1788 und verfaßte und vollendete Werke wie:
. Egmont
. Iphigenie
. Torquato Tasso
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