5.1 Der Wandel vom Vollerwerbs- zum Nebenerwerbsbauern
Eine der größten Änderungen in der Illmitzer Weinwirtschaft war sicher die schon oben erörterte Problematik des Rückgangs der Zahl derer, die sich hauptberuflich dem Weinbau widmen. Diese Zahl schrumpfte in den letzten Jahren drastisch.
Tabelle 7 zeigt die sozioökonomische Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in Illmitz vom Jahre 1960 bis 1993. Diese Tabelle spiegelt sowohl die heutige Situation der Weinbaugemeinde Illmitz als auch deren Vergangenheit wider.
Tabelle 7: Der Wandel vom Voll- zum Neben- und Zuerwerbsbauern in Prozenten
1960 1970 1980 1993
Vollerwebsbauern 61% 51% 41% 3%
Nebenerwerbsbauern 24% 36% 56% 80%
Zuerwerbsbauern 15% 15% 3% 17%
Bei Tabelle 7 tauchte ein Problem auf: die Werte aus dem Jahre 1970 ergeben nicht in Summe 100%, wie dies bei Statistiken der Fall sein sollte, sondern 102%. Diese Ungenauigkeit könnte aus Rundungsfehlern herrühren.
Trotz dieses Fehlers zeigt diese Tabelle sehr gut den Trend in der Illmitzer Landwirtschaft und somit im Illmitzer Weinbau. Waren 1960 noch 61% der Landwirte Vollerwerbsbauern, so sank diese Zahl um 58%(!) und liegt nun bei nur mehr 3%. 80% der Bauern sind nur mehr nebenberuflich in der Landwirtschaft beschäftigt.
Die Gründe mögen vielfältig sein. Einer davon war sicherlich der Weinskandal. Noch heute haben viele Winzer mit den Nachwehen dieses Skandals zu kämpfen. Da das Vertrauen in den österreichischen, vor allem aber in den burgenländischen Wein noch immer nicht bei allen Weintrinkern vorhanden ist, tun sich viele Weinbauern mit dem Absatz ihres Weines schwer. Sie sehen auch in der Zukunft keine Perspektiven mehr und geben ihre Weinbaubetriebe ganz oder zum Teil auf.
Eine andere Ursache wurde auch schon behandelt: der weltweite Trend, daß man nur durch immer größere Anbauflächen konkurrenzfähig bleibt.
Überhaupt muß erwähnt werden, daß viele ein sicheres Einkommen gegenüber dem Leben als Bauer vorziehen, in dem man abhängig von Wetter, und somit von Qualität und Quantität der Ernte, von Subventionen und von der ständig wechselnden Situation am Weinmarkt ist.
Ein weiterer Grund für das Bauernsterben ist, nach Meinung vieler Bauern, der Beitritt Österreichs zur EU. Generell muß allerdings gesagt werden, daß dieses Ereignis diesen Prozeß nur beschleunigt hat, denn durch die größere Konkurrenz in diesem Binnenmarkt besteht zwar ein enormer Preis- und Leistungsdruck, es hat sich für die Bauern aber ein viel breiterer Absatzmarkt aufgetan. Viele Bereiche der Landwirtschaft, und da vor allem die Bergbauern, werden durch Billigstanbieter aus anderen Staaten der Gemeinschaft und durch den radikalen Abbau staatlicher Subventionen stark unter Druck gesetzt werden. Doch gerade Branchen wie der Weinbau, der eher von der Qualität des Produktes beeinflußt wird, werden von dieser Öffnung profitieren.
"Eines läßt sich heute bereits klar erkennen: produziert man kompromißlos hohe Qualität - unser Land ist wie kein anderes dafür geeignet - gibt es keinen Grund vor der Zukunft Angst zu haben. Im Gegenteil: für hochwertige Produkte ist die EU ein riesiger Vorteil, denn nun kann man mit gleichen Startbedingungen in den Mitbewerb treten.
Trotz der möglichen Vorteile des EU-Beitritts werden wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren die Zahl der Weinbaubetriebe, die Rebfläche und die Bedeutung des Weinbaus, mit dem wahrscheinlich der wirtschaftliche Aufstieg von Illmitz verbunden war, weiter sinken.
Interessant zu beobachten wird sein wie die Verteilung Voll-, Neben-, und Zuerwerbsbauern in Zukunft aussieht. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Zahl der Illmitzer, die nur von der Landwirtschaft leben, nicht mehr schrumpfen wird. Vielleicht ist ja gerade diese geringe Anzahl für einige Wagemutige ein Anreiz in die Landwirtschaft, und da vor allem in den Weinbau einzusteigen. Sie kennen die Fehler, die ihre Vorgänger machten und sie können versuchen, es besser zu machen. Da zur Zeit keine wirklich große Konkurrenz im Ort vorhanden ist, hätten sie wieder Vorteile.
Vielleicht könnten solche Winzer mit neuen Methoden und Strategien den Markt erobern. Eine solche Methode wäre sicherlich, für seine Produkte Werbung zu machen, denn es muß auch erwähnt werden, daß in letzter Zeit wahrscheinlich in Sachen Marketing zu wenig getan wurde. Es nützt nichts, wenn ein Winzer weiß, daß er durchaus gute Weine lagern hat, aber nur im Keller sitzt und wartet bis Weinkäufer kommen. Nur wer den Schritt in die Werbung wagt, kann sein Produkt auf dem Markt bekannt machen.
Vielleicht wird ja schon bald ein neuer Top-Winzer aus Illmitz von sich reden machen, der mit solchen "modernen" Methoden den Markt erobert, denn daß in Illmitz aufgrund von oben schon erwähnten Umständen ausgezeichnete Qualität heranreift, weiß man in Illmitz. Gerade Marketingmaßnahmen sind sicher ein geeignetes Mittel, um dies auch Weinliebhabern aus aller Welt mitzuteilen.
Der moderne Weinbau verlangt es vielleicht, daß man mehr Zeit und vor allem Geld in den Wein investieren muß, aber oben genannte Winzer beweisen, daß sich dies auch rechnen kann....
5.2 Der moderne Weinbau
5.2.1 Marketingmaßnahmen
Ohne den Weg in die Werbung wird es in Zukunft sehr schwer werden, sich auf dem Markt durchzusetzen. Marketing ist wahrscheinlich der Schlüssel zum Erfolg. Es gibt aber sicherlich im Zusammenhang mit Werbung für die Weinbauern auch viele Probleme und Schwierigkeiten. Ein "herkömmlicher" Weinhauer, der weder zu Großgrundbesitzern zählt, wird nicht unbedingt das Geld aufbringen können, das notwendig ist, um in die Werbung einsteigen zu können. Es werden wahrscheinlich wieder nur einige wenige auf den "Zug Marketing" aufspringen, um dann den anderen davonfahren können. Für die Weinbaugemeinde Illmitz im Ganzen bringt dies mit Sicherheit sowohl Vor- als auch Nachteile. Finanziell potente Winzer sorgen dafür, daß Illmitz im Zusammenhang mit dem Weinbau noch bekannter wird. Doch andererseits können kleine Bauern wieder nicht mitziehen und bleiben so auf der Strecke.
Aus diesem Grunde wurden in den letzten Jahren Absatzgenossenschaften gegründet, denen vor allem auch unbekanntere Weinbauern beitreten können. Diese laufen meist unter einem gemeinsamen Markennamen, der durch Werbung dann in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll. Diese Absatz- und Marketinggenossenschaften werden in Folge noch genauer betrachtet.
Aber auch die "Österreichische Weinmarketing GmbH", die für den österreichischen Wein weben soll, macht im In- und Ausland auf den Wein, das kostbare Kulturgut Österreichs, aufmerksam.
Für viele kleine Weinbaubetriebe, die wir ja in Illmitz vermehrt antreffen, ist die Werbung für ihre eigenen Weine noch kein Thema, denn sie können oder wollen mit den modernen Methoden des Weinbaus nichts anfangen:
"Lange Zeit begnügten sich weinbäuerliche Familienbetriebe in Österreich damit, die Weingärten zu betreuen, die Trauben zu ernten, den Wein für eine gewisse Zeit in Fässern ausreifen zu lassen, ihn in ungefällige Zwei-Liter-Flaschen zu füllen und zu warten, daß Kund/innen auf den Hof kommen und sich um das fertige Produkt bemühen. Erst in den letzten zehn Jahren erkannten die Winzer/innen die Notwendigkeit, selbst aktiv zu sein und Initiativen zu setzen. Daß das Marketing trotzdem noch immer nur stiefmütterlich betrieben wird, führen Winzer/innen auf Zeit-, Geld- und Wissensmangel zurück."
Werbung und Marketing machen nicht nur in Inseraten, in Zeitungen oder in Werbespots im Fernsehen und Radio auf sich aufmerksam. Auch auf Weinmessen im In- und Ausland kann man sein Produkt einer interessierten Zielgruppe vorstellen. Auch ein neues, bedeutendes Medium, könnte den Winzern behilflich werden: das Internet
Sowohl zur Informationsbesorgung als auch zu Werbezwecken ist es sicher ein geeignetes Mittel für Weinhauer. Der Internet-Experte Gerhard Dogl stellt im "WEINBAU" (2/97), einer Fachzeitschrift für Weinbauern, das Internet und seine Vor- und Nachteile vor, damit diese auch dieses neue Mittel zum Marketing kennenlernen:
"Besonders für Klein- und Mittelbetriebe kann dies eine kostengünstige Werbemöglichkeit und Verkaufsunterstützung sein. Auch im Bereich des Weinbaus wurden mit der vorbildlichen Homepage der Österreichischen Weinmarketing GmbH erste Schritte gesetzt. (...)
Das INTERNET mit seinen weltweit ca. 30 Millionen Benutzern öffnet über die private Anwendung hinaus neue Wege für die Wirtschaft, und dies bei relativ geringen Einstiegskosten. Die rasante Weiterentwicklung spricht dafür, daß es in Zukunft eines der wichtigsten Medien sein wird."
Wahrscheinlich werden nur jene Weinbauern überleben können, die mutig den Schritt ins Ungewisse wagen und neue, unkonventionelle Methoden ausprobieren. Österreichische Top-Winzer haben dies ja des öfteren schon dem Ausland und den Inländern gezeigt.
5.2.2 Absatzgenossenschaften
Die "Genossenschaftsidee" ist immer wieder, in nahezu allen Epochen der Geschichte seit den frühesten Hochkulturen, dagewesen.
"Mehr oder weniger reichhaltig sind uns aus allen Hochkulturen der Vergangenheit Beispiele von Selbsthilfeeinrichtungen überliefert. Zeitlich fallen sie alle mit dem Augenblick zusammen, da die reine Selbstversorgung der arbeitsteiligen Wirtschaftsweise weicht. Menschen gleicher Tätigkeit (=Berufe) schließen sich zu Gruppen zusammen: Der einzelne hilft, um Hilfe erwarten zu können, aber auch aus der Einsicht, daß gemeinsam mit anderen mehr erreicht werden kann."
Unter dem Motto "Gemeinsam statt einsam" bildeten sich also auch in den letzten Jahren immer wieder neue Absatzgenossenschaften, die es sich als Ziel gesetzt haben, Bereiche wie Absatz und Marketing der Weine gemeinsam durchzuführen.
Solche Zusammenschlüsse können den teilnehmenden Winzern viele Vorteile bringen.
Bei den regelmäßigen Treffen der Mitglieder wird Fachwissen ausgetauscht. Die neuesten Errungenschaften im Bereich des Weinbaus werden vorgestellt, Erfahrungen ausgetauscht, und die Winzer können durch solche Zusammenschlüsse voneinander lernen.
Die Mitglieder teilen sich außerdem die Kosten, die für Marketing anfallen, und durch eine gemeinsame Marke kann auch effektiver Werbung betrieben werden.
Außerdem entstehen durch solche Zusammenschlüsse auch oft Qualitätssteigerungen, denn die Kriterien in diesen Vereinigungen gehen oft weit über die Anforderungen des Weingesetzes hinaus.
Die Art der verschiedenen Absatzgenossenschaften ist sehr vielfältig. Es gibt Vereinigungen, bei denen nur Weinbauern aus einer Ortschaft aufgenommen werden. Ein solcher Verein waren die "Illmitzer Naturweingärtner". Im Jahre 1991 schlossen sich 55 Winzer aus Illmitz zusammen, um möglichst naturschonenden Weinbau zu betreiben. Man verzichtete auf Bewässerung und Mineraldüngung und schränkte sich in der Schädlingsbekämpfung ein. Die Weine wurden von den Mitgliedern selbst ausgebaut und dann zu sortenreinen Cuves verarbeitet. Obwohl Weine der "Illmitzer Naturweingärtner" Auszeichnungen, wie die Einberufungen in den "Salon österreichischen Weins" , erhielten, mußte die Gemeinschaft schon bald den Konkurs anmelden.
Ein Beispiel, wie es doch gehen kann, zeigt der "Pannonische Reigen - Verband der großen Weine". Im Jahre 1988, also kurz nach dem Weinskandal, schlossen sich 120 Winzer aus dem Gebiet Neusiedlersee zum "Verband der großen Weine" zusammen. Sie bieten unter strengen Qualitätsvorschriften Weine unter der Gebietsmarke "Pannonischer Reigen" an.
"Die strengen Kontrollen, denen sich die Mitgliedsbetriebe unterziehen müssen, beginnen mit der Weingartenfestlegung, der Rebschnittüberprüfung und der Vorgabe von Höchstertragsmengen durch die Organe des "Pannonischen Reigens". Der Wein wird, nachdem er die staatliche Prüfnummer erlangte, einer weiteren Prüfung unterzogen: Neun Mitglieder der Degustationskommission des "Pannonischen Reigens" verkosten das Produkt blind, und mindestens sieben müssen ein positives Urteil abgeben. Wenn diese Prüfung bestanden wurde, darf der Wein unter dem Markenname "Pannonischer Reigen" abgefüllt und verkauft werden."
In erster Linie zählt bei diesem Zusammenschluß der Markenname. Man muß einheitliche Flaschen abfüllen, die gleiche Etikettierung und Verkorkung gewährleisten. Etiketten befinden sich auf der Vorder- und Hinterseite der Flasche, wobei die Vorderseite bei allen Mitgliedern gleich ist und die Hinterseite den Winzer und den Wein vorstellt.
Ein Markenzeichen dieser Absatzgenossenschaft ist, daß einzelne Weine für eine Jahreszeit stehen.(Frühling Sommer, Herbst (Altweibersommer) und Winter. Die Etiketten der Weine des "Pannonischen Reigens" wurden von einem burgenländischen Künstler entworfen und die Landschaft des Seewinkels in den Stimmungen dieser Jahreszeiten einfangen.
Es werden außerdem Mindestpreise für den Ab-Hof-Verkauf festgesetzt, damit die einzelnen Mitglieder sich mit Dumpingpreisen nicht gegenseitig unterbieten.
Der "Verband der großen Weine" ist, neben den einzelnen Weinbauvereinen, die größte Vereinigung von Weinhauern in der Region. Sie hilft vielen, auch kleinen Weinbauern, ihre Weine abzusetzen. Doch auch sie kämpft mit Problemen. Man hört oft, daß die größeren Betriebe lieber in einer kleineren Gemeinschaft arbeiten wollen, um effektiver sein zu können. Die Mitgliederzahl der Teilnehmer hat sich mit der Zeit fast halbiert:
"Die Aufnahmegebühr je Mitglied beträgt 10.000 Schilling (darin ist ein Jahresbeitrag inkludiert). Der jährliche Mitgliedsbeitrag von 3.000 Schilling wird automatisch von einem Konto, das jedes Mitglied zur Verfügung stellen muß, abgebucht. Für jede gefüllte Flasche ist ein "Werbeschilling" von drei Schillingen abzugeben."
Diese hohen "Nebenkosten", die erst einige Jahre nach der Gründung der Marke beschlossen wurden, veranlaßte viele Mitglieder aus der Gemeinschaft auszutreten.
Nach einem Höchststand von 232 Mitgliedern liegt diese Zahl nun bei 130 Betrieben (Stand 1995).
Das neueste Projekt der Seewinkler Winzer ist der "Nationalpark Wein". Für die Weinhauer der Nationalparkgemeinden besteht die Möglichkeit ihren Wein als "Nationalpark Wein" zu füllen. Ähnlich wie beim "Pannonischen Reigen" werden die Weine von einer Fachjury verkostet und ausgewählt. Die Winzer füllen ihre Weine in einheitliche Flaschen mit einheitlichen Etiketten und Korken.
Trotz der hohen Kosten bringt solch ein Zusammenschluß vieler kleinerer Betriebe doch einiges an positiven Aspekten mit sich. Der Bauer verliert zwar teilweise die Identität, jedoch könnte er mit seinem eigenen, begrenzten Werbebudget nicht einen auch nur annähernd so hohen Grad der Wiedererkennung beim Kunden erreichen.
Offensichtlich wiegen die Vorteile eines Zusammenschlusses von Weinhauern die Nachteile auf, weshalb dies auch der Weg sein wird, den die meisten der Winzer beschreiten werden (müssen), um sich ihre zukünftige Existenz zu sichern.
5.2.3 Die Winzergenossenschaft Illmitz
In den Jahren 1962 - 1972 gab es in Illmitz auch eine Winzergenossenschaft, die den Mitgliedern Trauben abkaufte, verarbeitete und den Wein dann verkaufte.
"Die Winzergenossenschaft Illmitz wurde im Jahre 1962 gegründet. Durch die ständig ansteigende Weingartenfläche war diese Gründung notwendig geworden, um eine bessere Absatzsicherung zu gewährleisten. Die Genossenschaft hatte 170 Mitglieder, die ziemlich gleichmäßig über die Größenklassen verteilt waren. Am Anfang hatte jedes Mitglied einen Geschäftsanteil von 3000 S, später wurde der Anteil auf Beschluß auf 6000 S erhöht."
Die Lagerkapazität der Winzergenossenschaft betrug ungefähr 1600 hl. Im Durchschnitt wurde den Mitgliedern für die Trauben um 50Groschen je Kilogramm mehr bezahlt.
Man erwog die Genossenschaft auszubauen und hatte dies auch schon einstimmig beschlossen, da jedoch durch dieses Projekt 1000 Schilling pro Anteil mehr erforderlich gewesen wären, wurden schon bald die ersten Gegenstimmen laut.
Eine Kette ist nur so stark, wie sein schwächstes Glied, und somit ist eine Genossenschaft auch nur so gut, wie ihre Mitglieder. Die Mitglieder der Winzergenossenschaften waren jedoch immer mehr untereinander zerstritten. Dazu kam noch, daß die Weinbauern, die bei der Genossenschaft keine Anteile hatten, immer wieder mit Sticheleien versuchten, die Mitglieder unzufrieden werden zu lassen. Sie sagten, daß auch sie bei den Sensalen nicht weniger Geld bekommen würden, jedoch keine Anteile vorher kaufen mußten.
Immer mehr Winzer sehnten sich nach dem freien Markt, bedachten aber nicht die Konsequenzen und Risiken, die er auch nach sich zieht. Auch die Sensale, denen die Winzergenossenschaften einen beträchtlichen Teil des Geschäftes wegnahmen, hätten daher gerne den Untergang dieser Genossenschaft gesehen.
"Dieser kam dann auch 1972 durch mangelnde Liefertreue, durch die Kleinheit der Anlage und durch Zwiespältigkeiten der Mitglieder. Auch versuchten die Landwirte immer wieder in den Jahren günstiger Preisentwicklung ihren Lieferverpflichtungen auszuweichen und ihre Trauben am Markt abzusetzen. Die Geschäftsanteile wurden zurückgezahlt und der Betrieb eingestellt. Die Leute bedachten aber nicht, daß sie mit dem Mitgliedsbeitrag folgender Sorgen entledigt wurden: Absatzsicherung, Kellerbau und Einrichtung, was hunderttausende Schillinge kosten würde."
Es spitzte sich die Situation auf dem Traubenmarkt drastisch zu. Da der Großteil der Winzer keine Möglichkeit hatte, Trauben zu verarbeiten, war er auf Gedeih und Verderben den Sensalen ausgeliefert, die die Preise diktierten. Schon einige Tage vorher mußten die Winzer sich bei den Sensalen melden und ihnen mitteilen, daß sie ihre Trauben ernten wollten. Diese verkauften sie ihnen dann um Preise, die einige Jahre zuvor kaum vorstellbar gewesen wären. Noch heute ist es so, daß einige Winzer ihre Trauben verkaufen müssen, weil sie nicht die notwendige Ausrüstung im Keller haben, um die Weine weiterverarbeiten und lagern zu können. ( Es fehlt an Fässern, Tanks oder Zisternen, um die Weine zu lagern, Schläuchen, Weinpressen und andere Maschinen, die ihnen die Arbeit erleichtern.) Daher müssen sie auch die Preise akzeptieren, die ihnen die Händler vorschreiben. Besonders gut sieht man dies an den Wochenenden, an denen die vielen Nebenerwerbsbauern, deren Zahl ja immer mehr steigt, Zeit zur Traubenernte haben. Hier drücken die Sensale die Traubenpreise besonders herunter, da sie wissen, daß die Bauern verkaufen müssen.
Eine hohe Lagerkapazität in den Weinbaugemeinden könnte die Abhängigkeit der Winzer von den Händlern beenden. Doch dabei treten auch einige Probleme auf. Die Winzer müssen lernen, ihren Wein zu vermarkten, damit dieser nicht zum Ladenhüter in ihren Kellern wird. Geht man heute in die Keller der Illmitzer Winzer, sieht man zwar viele Weinfässer und Tanks, die Rodungsaktionen und die Fröste in den letzen Wintern taten aber das ihre, daß diese Fässer und Tanks, für die die Winzer einst viel bezahlen mußten, heute oftmals leer sind.
Die Illmitzer Winzer rüsteten in den Jahren vor dem Weinskandal ihre Keller auf. Die Lagerkapazität der einzelnen Betriebe stieg rapide an. Waren es im Jahre 1974, also kurz nach Zusammenbruch der Winzergenossenschaft, nur 5.902.400 Liter, so stieg die Zahl bis 1982 schon auf 7.600.800 Liter und erreicht heute schon 12.452.455 Liter, die aber, wie schon oben erwähnt, zu einem großen Teil leer stehen. (Die Lagerkapazität von 1988 bis 1997 sind in Tabelle 10 auf der Seite 55 im Anhang nachzulesen.)
In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der Winzergenossenschaft dachten viele, daß es ohne eine solche Einrichtung im Illmitzer Weinbau nicht weitergehen kann. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Die Illmitzer Winzer, die schon mit so vielen Problemen kämpfen mußten, steckten auch den Verlust einer Winzergenossenschaft und somit den Verlust eines Absatzmarktes, den sie aber zum größten Teil selber verschuldet hatten, mehr oder weniger gut weg. In den letzten Jahren war der Ruf nach einer solchen Genossenschaft kaum zu hören. Im Umkreis von Illmitz gibt es heute Winzergenossenschaften in Apetlon, in Pamhagen und in Andau
Das Gebäude der ehemaligen Winzergenossenschaft wurde geschleift und das neue Feuerwehrhaus dort hingebaut.
5.2.4 Marktnischen
Immer mehr Weinbauern setzen in letzter Zeit auf Marktnischen. Ein Versuch, solche zu nutzen, waren sicher die "Illmitzer Naturweingärtner", die auf Bioprodukte setzten. Diese konnten sich aber auf dem Markt nicht bewähren. Dennoch wäre es eine Alternative, weiterhin auf solche Produkte zu vertrauen. Durch den Trend der heutigen Zeit wird die Nachfrage auch in Zukunft im Steigen begriffen sein, und gerade für Wein ist der "Bio-Markt" noch lange nicht gesättigt.
Als eine weitere Alternative in den letzten Jahren kam die Idee auf, aus Weintrauben nicht nur Wein zu erzeugen, sondern sie auch zu anderen Produkten zu verarbeiten.
Als Möglichkeiten bieten sich hierbei sicherlich die Produktion von Sekt oder Destillaten.
Eine Vorreiterrolle in der Erzeugung von Sekt spielt in Illmitz das Weingut Klein, das für seine Schaumweine auch schon Auszeichnungen, wie den "Worldchampion", erhielt. Man sieht, daß das Gebiet um den Neusiedlersee auch zur Erzeugung von Sekt geeignet ist.
Die Nachfrage nach Weinbränden und Likören, die aus Wein hergestellt sind, stieg in den letzten Jahren rapide an. Kaum ein Weinbaubetrieb bietet nur mehr Weine an, sondern hat auch solche Brände in seiner Palette. Die Gäste, die an Weinproben teilnehmen, sehen also, was alles aus den Weintrauben erzeugt werden kann. Sie haben die Möglichkeit, oft frischen Most, in Folge auch Sturm, rote Weine, weiße Weine, süße wie trockene, schwere wie leichte und auch hochprozentige Edelbrände zu kosten und zu kaufen. Auch hierbei konnten Illmitzer Schnapsbrenner Erfolge verzeichnen. "Bedingt durch die vielen Sonnentage reifen im Seewinkel Trauben von edler Güte. Diesen Vorteil machten sich Kroiss und Mann zugute und begannen im Jahre 1987 den ersten Muskat- Weinbrand zu destillieren. Sieben Jahre später wurden sie mit einem Eiswein-Grappa Landesmeister.
Den großen Auftritt hatten Kroiss und Mann aber heuer bei der Destillata ´98 in Bad Kleinkirchheim. 1114 Edelbrände aus Deutschland, der Schweiz, Italien und Österreich standen zur Verkostung zur Verfügung. Dem Muskat- Weinbrand der Illmitzer Brennstube verlieh man Gold."
Die Weinbaugemeinde Illmitz bietet also ein weites Spektrum und bietet für jeden Weinfreund etwas. Die zahlreichen Auszeichnungen, die die Vertreter von Illmitz auf Weinmessen im In- und Ausland erhielten, sind ein Beweis dafür, daß im Gebiet um den Neusiedlersee Weine reifen, die auch im internationalen Vergleich als außergewöhnlich
gelten.
Die Vielfalt an Sorten, die Vielfalt von Verarbeitungsmöglichkeiten von Weintrauben und die Vielfalt der verschiedenen Weinarten (trockene, resche Weine bis hin zu höchsten Prädikaten wie Trockenbeerenauslesen, Eis- und Schilfweinen), die in Illmitz geboten wird, ist ein Garant dafür, daß die Weinbaugemeinde Illmitz und deren Winzer auch in Zukunft eine der ersten Adressen für Weinliebhaber, und solche, die es werden wollen, sein wird. Obgleich nach dem Weinskandal die Zeichen für den Weinbau in ganz Österreich schlecht standen, erholt sich die Weinwirtschaft immer mehr, denn die Weinbauern wollen mit einer Qualitätsoffensive das Vertrauen in ihre Produkte wieder steigen lassen und zur Konkurrenz aus dem Ausland wieder aufschließen.
Alle Weinhauer aus Illmitz, ob ihnen nun eine große Anbaufläche zur Verfügung steht oder nicht, ob sie für ihre Weine schon Auszeichnungen erhielten oder nicht, haben erkannt, daß sie in der Vergangenheit Fehler begangen und oft die Trends und Entwicklungen auf den Weinmarkt verschlafen haben. Doch der Großteil von ihnen sieht der Zukunft durchaus positiv entgegen und ist bereit für den Übertritt ins 21. Jahrhundert.
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