Wie stark der sowjetische Einfluß war, zeigte sich auch mit dem Beginn der zweiten Phase. Stalins Tod bewirkte in Moskau die städtebauliche Umorientierung zum industrialisierten Wohnungsbau ohne "Zuckerbäckerei und Fassadenkosmetik". In der ersten Baukonferenz der DDR im April 1955 propagierte man die Losung: "Besser, schneller, billiger bauen" (vgl. von Beyme 1987, 291). Der industrielle Wohnungsbau, der die Vollbeschäftigung der Bevölkerung zur Grundlage hatte, wurde in der DDR aus der Wiege gehoben.
Beispielhafte Städte für diesen neuen Baustil sollten Hoyerswerda (Abbildung 3) und Dresden werden. In diesen meist trabantenartigen Wohnsiedlungen vor den Toren der Stadt konnten die Ziele der Industrialisierung im Wohnungsbau verwirklicht werden, mit denen man versuchte, der bestehenden Wohnungsknappheit besonders in den Industrieregionen entgegenzuwirken. Die offene Bauweise der in Zeilen angeordneten Häuser forderte Platz. Zudem war das Endprodukt dieser Entwicklung, die Großplattenbauweise nur beim Bau von Großwohnsiedlungen ökonomisch zu verwirklichen. Solch flächenextensive Neubauten konnten demnach nur auf der grünen Wiese entstehen - oder besser montiert werden, da einzelne Teile vor Ort nur noch zusammengefügt werden mußten. Elemente der neuen Baukunst, insbesondere die Plattenbauweise, finden sich später in der ganzen DDR wieder. "Dies hatte jedoch die Vernachlässigung der Zentren zur Folge, [...] da sich das Baugeschehen vorwiegend an den Stadträndern vollzog" (Hewitt et al 1993, 444).
Erst später als Ende der 50er Jahre vom Parteitag die Aufgabe gestellt wurde, die Zentren bis 1965 wiederherzustellen, bezog man die Stadtkerne mehr in das Planungsgeschehen ein. Die westliche Sicht der Innenstädte als wirtschaftliches Zentrum eines Ballungsraumes entsprach nicht der sozialistischen Ideologie: Sie waren administratives Zentrum. Neben der Enttrümmerung witmete man sich ganz der repräsentativen Gestaltung auf den zahlreichen Freiflächen. Die Innenstädte wurden als administratives Zentrum gesehen: Wahrzeichen und Verwaltungsgebäude sollten den Mittelpunkt der Stadt bilden und die allgegenwärtige Stellung der Partei demonstrieren. Die Folge dieses "stalinistischen Fassadenkults" wird bei der Betrachtung des Gesamtbildes einiger Städte deutlich. Abbildung 3 zeigt den Stadtkern von Bautzen, wo man ohne Rücksicht auf die historische Substanz sozialistische Repräsentativbauten erstellte. Schöller vergleicht - aus westdeutscher Sicht zur Zeit des "kalten Krieges" - die Innenstädte beider deutscher Staaten: "Statt dem Reiz bunter, enger, überraschenden Mannigfaltigkeit herrscht kalte Strenge, Weitflächigkeit und oft Öde" (Schöller 1967, 79), ein Bild, welches nicht auf alle ost- und westdeutschen Städte zu übertragen ist.
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