Die Medienpolitik gehört zu den verbliebenen Kompetenzen der Länder. Infolgedessen sind mit den folgend ausgeführten Aufgaben mehrere - insgesamt 15 - Landesmedienanstalten betraut; außer in der bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) verwirklichten Länderzusammenarbeit unterhält jedes Bundesland eine eigene Anstalt. Die Landesmedienanstalten sind staatsferne Einrichtungen öffentlichen Rechts: Sie sind nicht Teil der staatlichen Verwaltung und haben das Recht auf Selbstverwaltung. (Siehe: ALM, 1996: 65)
Alle Landesmedienanstalten bestehen aus zwei Organen, einem sogenannten "Hauptorgan" und einem Exekutivorgan, das die Beschlüsse umsetzt und die Anstalt nach außen vertritt. Im Detail unterscheidet sich der Aufbau der Einrichtungen voneinander teilweise erheblich. Ein Unterscheidungsmerkmal dabei ist, ob das beschlußfassende Gremium - wie bei den meisten Landesmedienanstalten - mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen (Versammlungsmodell) oder aber einer relativ kleinen Zahl von Sachverständigen (Sachverständigenbeitrat) zusammengesetzt ist, wie beispielsweise bei der MABB. (Siehe auch 3.4)
Die Landesmedienanstalten finanzieren sich von den allgemeinen Rundfunkgebühren, aus dessen Aufkommen sie zwei Prozent erhalten. 1996 waren das insgesamt knapp 138 Mio. Mark. (ALM, 1996: 69)
1.1 Belegung von Sendeplätzen und Vielfaltsicherung
Die Landesmedienanstalten sind für die Lizenzierung privater Rundfunkanbieter zuständig. Sie bestimmen nach Maßgabe landesgesetzlicher Regelungen, welche Bewerber bei der Vergabe freier Sendeplätze Berücksichtigung finden. Hierbei ist zu unterscheiden, ob sich die Bewerbung auf eine bundesweite oder aber lokale Ausstrahlung bezieht und ob die Art der Übertragung terrestrisch, per Satellit, oder über Kabel erfolgen soll.
Lizenzierung nimmt unter den Aufgaben der Landesmedienanstalten insofern eine zentrale Rolle ein, als mit ihr eng verknüpft ihr öffentlicher Auftrag steht, in dem sie zur Vielfaltsicherung beitragen sollen. D.h., daß bei der Vergabe z.B. einer Radiofrequenz die Erwägung eine Rolle spielt, wie hoch der potentielle Beitrag zur Vielfalt eines Bewerbers eingeschätzt wird. Die Frequenzvergabe ist mit anderen Worten das Hauptinstrument der Landesmedienanstalten, möglichst größte Vielfalt im privaten Rundfunk herzustellen, wobei Vielfalt aufgrund der geringeren rechtlichen Anforderungen an private Veranstalter sich nicht in erster Linie in einer Forderung nach einem pluralistischen Binnenprogramm manifestiert (wenngleich auch sie gegenüber Spartenprogrammen im Zweifel bevorzugt werden). Vielmehr wird erörtert, welche der Bewerber für die Gesamtrundfunksituation einer Region zu erwartenerweise das größte Plus an Vielfalt bringt.
Zur Illustration der Entscheidungskriterien, die eine Landesmedienanstalt bei der Frequenzvergabe zugrunde legt, sei hier eine Begründung für eine Sendeplatzvergabe der MABB dokumentiert. Dabei ging es um die Neuausschreibung der "NewsTalk"-Hörfunkfrequenz, die infolge einer Veränderung der Gesellschafterstruktur des Lizenzinhaber vorgenommen wurde.
"[...]Der Medienrat bewertete zwar die Aussichten auf den Beitrag des nun vorgesehenen NewsTalk Formates zur Vielfalt in der Gesamtprogrammlandschaft aufgrund des inzwischen erweiterten Informationsangebotes bei anderen Sendern als geringer als bei der früheren Auswahlentscheidung. Auf der anderen Seite unterschieden sich die beantragten neuen Musikformate nicht so deutlich von den bereits auf dem Hörfunkmarkt verfügbaren, daß einem von ihnen der Vorrang einzuräumen gewesen wäre. Bei dem medienwirtschaftlichem Engagement in der Region zeigte sich ein leichter Vorsprung von NewsTalk, das auf dem bereits aufgebauten Sendebetrieb aufbauen kann und dessen Finanzierung auf absehbare Zeit durch den neuen Gesellschafter Metromedia gewährleistet werden soll. [...]"
Neben dem Aspekt der Vielfalt finden, wie zu sehen ist, die Solidität des Finanzierungskonzeptes und standortpolitische Überlegungen Eingang in die Erwägung.
Anbieter bundesweiter Programme benötigen eine Satellitenlizenz, um ihr Programm allen Bundesländern anbieten zu können. Diese finden nach Maßgabe der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen bei der Vergabe der Kabelkanäle Berücksichtigung.
Bedingt durch die begrenzten Kapazitäten der Kabelnetze hat hier das Verhalten der Landesmedienanstalten eine ähnliche Steuerungsfunktion wie die Lizenzierung selbst. Allerdings bleibt der Ermessensspielraum der Landesmedienanstalten hier gering, da die Kriterien für eine Rangfolge der Belegung landesgesetzlich festgelegt sind (und sich dabei länderübergreifend ähneln) . Priorität genießen demzufolge Anbieter, die bereits über Antenne zu empfangen sind.
1.2 Programmkontrolle
Die Landesmedienanstalten sind neben der Zulassung privater Programmanbieter auch für die Kontrolle der von ihnen gesendeten Programme verantwortlich. Sie haben zu überprüfen, ob Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen - bei bundesweiter Ausstrahlung insbesondere die im Rundfunfstaatsvertrag (RStV) verankerten - vorliegen. Den Landesmedienanstalten kommt insofern die Rolle des Implemantationsträgers zu, d.h. sie müssen die mit den gesetzlichen Regelungen verbundenen politischen Zielsetzungen zu verwirklichen trachten. (Vgl. Holgersson, 1995: 31 und 39)
Weitreichende Regelungen hat der RStV in den Bereichen Jugendschutz und Werbung getroffen. Sie bilden den Hauptgegenstand einer zielgerichteten Programmkontrolle, da hier Verstöße i.d.R. eindeutig zu benennen sind. Die Überwachung umfaßt ferner die Einhaltung der unbestimmteren Regelungen der Programmgrundsätze (§41 RStV) und zur Sicherung der Meinungsvielfalt.
Als Aufsichtsmittel stehen den Landesmedienanstalten die Verhängung von Bußgeldern und in letzter Konsequenz der Entzug der Sendelizenz zur Verfügung.
1.2.1 Jugendschutz
Eine Hauptvorschrift ist diejenige aus §3 Abs. 2 RStV, wonach Filme, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit nicht für Jugendliche unter 16 (bzw. 18) Jahren freigegeben sind, erst ab 22 Uhr (23 Uhr) gesendet werden dürfen.
Ferner sind Sendungen unzulässig, wenn sie z.B. pornographisch sind (§3 Abs.1 Nr.4 iVm. §184 StGB) oder den Krieg verherrlichen (§3 Abs.1 Nr.3).
1.2.2 Werbung
Im RStV ist der Bereich der Werbung vergleichsweise stark reglementiert.
Im §44 Abs.1 heißt es, daß Sendungen für Kinder und Gottesdienste nicht durch Werbung unterbrochen werden dürfen. Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Unterbrechungen innerhalb einer Sendung muß mindestens 20 Minuten betragen (§44 Abs.3). Die Dauer der Werbung darf insgesamt 20%, die der Spotwerbung 15% der täglichen Sendezeit nicht überschreiten; innerhalb eines Einstundenzeitraums darf die Spotwerbung nicht mehr als einen 20%-Anteil ausmachen (§45 Abs.1 und 2).
1.2.3 Zur Aufsichtspraxis
Die Landesmedienanstalten stehen im Ruf, "zahnlose Tiger" zu sein (Meyn, 1994: 149). Das bezieht sich auf die Mittel der Aufsicht selbst, die ihnen der Gesetzgeber einräumt, aber auch auf die vermeintlich mangelnde Nutzung ihres Spielraumes selbst. In der Praxis wird sehr vorsichtig mit sanktionierenden Maßnahmen umgegangen. Tatsächlich stimmt das Verhältnis zwischen der Anzahl der Beschäftigungen mit "verdächtigen" Sendungen bei den sogenannten "Gemeinsamen Stellen" Werbung und Jugendschutz und der Anzahl schließlich vollstreckter Maßnahmen nachdenklich. Hierbei zielt die Kritik weniger auf eine Infragestellung der Aufsichtsfähigkeit selbst, die mit den Kontrollwerkzeugen der Zuschauerbeschwerden, Stichproben und gezielten breit angelegten Untersuchungen in einem ausreichendem Maße vorhanden zu sein scheint. Vielmehr wird bemängelt, daß den Landesmedienanstalten der "Vollstreckungswillen" fehlt, aufgefundene Verstöße auch zu ahnden.
Problematisch ist eine Beurteilung der Arbeit der Landesmedienanstalten in Bezug auf ihre Einflußnahme auf die Sicherung bzw. Schaffung von Programmvielfalt und -qualität nach Zulassung von Sendern. Die Möglichkeiten der Landesmedienanstalten sind begrenzt und beziehen sich zuvorderst (bei bundesweiter Ausstrahlung) auf ihre Rolle bei der Zulassung von Fensterprogrammen als vielfaltsichernde Maßnahme, die überdies mit dem Hauptprogrammveranstalter "in einvernehmlicher Auswahl" getroffen werden soll (§31 Abs.4 RStV).
Die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten hat beschlossen, im Turnus von zwei Jahren eine Studie zur Programmentwicklung in Auftrag zu geben. Damit wird in die Diskussion um Programmqualität verstärkt eingegriffen. Doch erscheint ein gezielteres Eingreifen zur Verbesserung von Programmen vor dem Hintergrund der geringen Ahndung direkter Verstöße zusätzlich unwahrscheinlich. Holgersson kritisiert, daß den Landesmedienanstalten ein positives Rundfunkleitbild fehlt, auf dem aufbauend ein einheitliches Aufsichtshandeln greifen könnte. Die Landesmedienanstalten präferieren informelle Absprachen mit den Veranstaltern und meiden den Konflikt z.B. in Form von Rechtsstreitigkeiten. Das zurückhaltende Verhalten der Kontrollbehörde "führt langfristig zu einer Umkehrung des gesetzlich vorgesehenen Machtverhältnisses zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem". (Holgersson, 1995: 179)
1.3 Sonstige Aufgaben
Neben diesen zentralen Aufgaben der Landesmedienanstalten gibt es noch eine Reihe anderer ihnen anvertrauter Angelegenheiten, die insofern wichtig sind, als sie teilweise in Verbindung zu ihrer Haupttätigkeit der Sendeplatzvergabe und Programmkontrolle stehen.
So lassen die Anstalten Medienforschung betreiben, deren Ergebnisse, z.B. bei der Unterscheidungsfähigkeit bei Kindern von Werbung und Programm, direkten Einfluß auf die Forderungen der Landesmedienanstalten nach verstärkter Unterscheidbarkeit von Programminhalten für Kinder und Werbung haben. Auch inhaltliche Programmanalysen einzelner Radiosender sind nicht vom Auftrag der Programmkontrolle zu trennen und legen im Gegenteil ggf. die Basis für weitergehende Maßnahmen. Allerdings sind die Forschungen auch teilweise dem Ziel geschuldet, die Entwicklung des kommerziellen Rundfunks zu fördern, d.h. im Sinne der Veranstalter forschend aktiv zu werden. (Vgl. Breunig, 1994: 581, 585ff, 592f.)
Einige Medienanstalten haben sich auf medienpädagogische Fragestellungen und Schulungen spezialisiert und arbeiten daran, daß Schlagwort "Medienkompetenz" mit Leben zu füllen und stellen Überlegungen an, wie diese zu vermitteln sei.
Das Betreiben bzw. Fördern von nicht-kommerziellen Rundfunk (z.B. Uni-Radios) und Offenen Kanälen gehört ebenfalls zu den Tätigkeiten einzelner Landesmedienanstalten.
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