Ur- und Frühgeschichte
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Erste Spuren menschlicher Besiedlung des Berliner Raumes stammen aus der mittleren Altsteinzeit (um 50000 v. Chr.). Um 3500 v. Chr. bilden sich - stark verzögert im Vergleich zum südlichen Mitteleuropa - entlang von Spree und Havel erste bäuerliche Siedlungen heraus, deren sesshafte Bewohner Ackerbau und Viehzucht betreiben. Damit beginnt die kontinuierliche Siedlungsgeschichte des Berliner Raumes. Ab dem 7. Jahrhundert wandern slawische Stämme in diese Region ein, die ihre Vorherrschaft bis Mitte des 12. Jahrhunderts behaupten können. Ab 1160 siedeln zunehmend deutsche Bauern und Handwerker in dem von Albrecht dem Bären eroberten Gebiet. Ende des 12. Jahrhunderts gründeten durchreisende Kaufleute, vermutlich vom Niederrhein kommend, auf zwei benachbarten Spreeinseln erste Niederlassungen: Berlin und Cölln.
Doppelstadt Berlin-Cölln im 13. und 14. Jahrhundert
Im Jahre 1232 wurde der Doppelsiedlung Berlin-Cölln von den brandenburgischen Markgrafen das Stadtrecht verliehen. Politisch stand das wirtschaftlich prosperierende Berlin-Cölln lange im Schatten der Bischofsstadt Brandenburg. Das vom Herrschergeschlecht der Askanier verliehene Stapelrecht - durchziehende Kaufleute mussten ihre Waren einige Tage in der Stadt anbieten - sowie Zollprivilegien trugen wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Doppelstadt bei. Die wichtigsten Handelsgüter waren Roggen, Fisch und Holz.
Die Hansestadt: 1307 schlossen sich die Stadtteile Berlin und Cölln zu einer Union zusammen. Die Doppelstdt entwickelte sich zu einer vollwertigen, von Handel und Gewerbe geprägten mittelalterlichen Kommune, deren Bürgerschaft sich in weiten Bereichen selbst verwaltete. Seit 1308 erste Stadt im Märkischen Städtebund trat Berlin-Cölln im 14. Jahrhundert der Hanse bei. Die direkten Handelsbeziehungen reichten bis nach England, Flandern und bis nach Russland hinein, so dass Berlin und Cölln bereits um 1350 das mit Abstand höchste Steueraufkommen der Mark aufwiesen. Parallel dazu vergrößerte die Doppelstadt ihre Gemarkungen und erwarb umliegende Dörfer, u.a. Reinickendorf, Rosenfelde, Lichtenberg und Pankow. An der Spitze der Stadtverwaltung stand zunächst ein vom Landesherrn eingesetzter Schultheiß. Im religiösen und kulturellen Leben von Berlin-Cölln spielten in dieser Expansionsphase die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner eine herausragende Rolle. Ab 1370 gab es einen gemeinsamen Rat für die Doppelstadt; ab 1435 waren Berlin und Cölln mehrmals Tagungsort der brandenburgischen Stände.
Politische Wirren: Anfang des 14. Jahrhunderts begann nach dem Aussterben der Askanier für die Mark Brandenburg und Berlin-Cölln eine Zeit der Wirren. 1323 belehnte der deutsche König Ludwig der Bayer seinen minderjährigen Sohn Ludwig I. mit der Mark Brandenburg. In der Folgezeit wurden die Mark und Berlin in den Konflikt zwischen den Wittelsbachern und Luxemburgern sowie in den Machtkampf zwischen Kaisertum und Papst verwickelt. Berlin stellte sich auf Seiten des Wittelsbachers Ludwig des Bayern, einem erbitterten Gegner von Papst Johannes XXII. Die Ermordung des papsttreuen Propstes von Bernau im Jahr 1325 führte zu Verhängung des Kirchenbanns über Berlin-Cölln. Dieser wurde erst 1344 nach Leistung von Bußzahlungen der Bürger aufgehoben. 1391 erhielt Berlin Cölln vom Kaiser das Privileg der eigenen Gerichtsbarkeit. Dem sich ausbreitenden Raubrittertum - besonders berüchtigt waren die Brüder Johann und Dietrich von Quitzow - suchte Berlin-Cölln durch Bündnisse mit anderen märkischen Städten zu begegnen. Städtebundes.
Residenz der Hohenzollern seit dem 15. Jahrhundert
Die Ernennung von Burggraf Friedrich IV. von Nürnberg als Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg zum \"obersten Verweser und Hauptmann der Mark\" durch König Sigismund im Jahr 1417 war der Beginn einer über 500-jährigen Herrschaft der Hohenzollern in Brandenburg und Berlin. Sie endete im November 1918 mit der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. Die Kurfürsten Friedrich I. (R1417-1440) und Friedrich II. (R1440-1470) schränkten die über 200 Jahre gewachsenen Autonomierechte von Berlin und Cölln ein (u.a. Aufhebung der patrizischen Ratsverfassung, der Gerichtshoheit und des Stapelrechts, die an den Landesherrn zurückfielen), wogegen sich die Einwohner 1447/48 im sog. Berliner Unwillen vergeblich zur Wehr setzten. 1448 wurden Berlin und Cölln zu kurfürstlichen Residenz-Städten, nachdem sie ihre politische Selbstständigkeit weitgehend verloren hatten. Der Verlust von Handelprivilegien führte zwar zu einem wirtschaftlichen Niedergang; dennoch wuchs die Bevölkerungszahl in der jungen Residenzstadt von 6000 (um 1450) auf rund 11000 im Jahr 1540. Zwischen 1450 und 1650 bauten die Hohenzollern Berlin-Cölln schrittweise zu ihrer Hauptresidenz in Brandenburg aus. Das an der Spree gelegene Stadtschloss wurde zum beherrschenden Gebäudekomplex ausgebaut. Die Beamten der staatlichen Zentralverwaltung prägten die administrativen Strukturen der Stadt, in der die meißnische Kanzleisprache zunehmend den brandenburgischen Dialekt verdrängte. Berlin wurde somit zu einer hochdeutschen Sprachinsel innerhalb des niederdeutschen Sprachraumes.
Reformation und Dreißigjähriger Krieg - von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
Die Reformation wurde 1539 unter Kurfürst Joachim II. Hektor (R 1535-1571) eingeführt. In dem aufgehobenen Franziskanerkloster wurde die Lateinschule zum \"Grauen Kloster\" eingerichtet. Vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde Berlin stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Schrecken des Krieges bekam die Bevölkerung erstmals 1627 zu spüren, als die Stadt vom kaiserlichen Heer unter Albrecht von Wallenstein vorübergehend besetzt wurde. Bis 1648 hatte Berlin mehrfach unter Heeresdurchzügen zu leiden und musste an die verschiedenen Kriegsparteien (kaiserliche Katholiken, Protestanten, Schweden u.a.) Naturalabgaben leisten und Sondersteuern zahlen. Bei Kriegsende war die Bevölkerungszahl von 20000 im Jahre 1618 auf rund 6000 zurückgegeangen. Handel und Gewerbe lagen darnieder.
Aufschwung unter Friedrich Wilhelm I., dem Großen Kurfürsten, ab Mitte des 17. Jahrhunderts
Friedrich Wilhelm I.
© Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh
Die Regierungszeit von Friedrich Wilhelm I., dem Großen Kurfürsten, (R1640-1688) brachte Berlin einen Wiederaufschwung. Mit Freidrichswerder (1667) und der Dorotheenstadt (1676) entstanden neue Vorstädte mit gitterförmig angelegten Straßenzügen. Die alten Mauern um die Stadtkerne Berlin und Cölln ließ der Große Kurfürst zwischen1658 und 1683 abtragen und mit Gräben und Bastionen zu einer Festung nach holländischem Vorbild ausbauen. Parallel dazu wurde Berlin durch die Ansiedlung von rund 1 500 Soldaten mit Familien zur Garnisonsstadt. Der Bau des Oder-Spree-Kanals (1662-1668) machte Berlin zu einem wichtigen Umschlagplatz für den Fernhandel längs des Wasserwegs zwischen Hamburg und Breslau in Schlesien. Friedrich Wilhelm I. förderte die Einwanderung von Handwerkern und Bauern insbesondere vom Niederhein, aus Holland und Flandern, aber auch aus Sachsen, Böhmen und der Schweiz. Ab 1685 kamen vor allem französische Hugenotten auf Einladung des Kurfürsten nach Berlin, wo sie teilweise auf die religiös und wirtschaftlich motivierte Ablehnung der lutherischen Bevölkerung stießen. Allerdings trugen diese etwa 4000 sog. Refugiés zu einer starken Belebung von Wirtschaft und Kultur bei, indem sie Lederindustrie, Seifenfabrikation, Tapetenverfertigung, Spiegel- und Glasmacherei in Berlin heimisch machten. Die Gründung der kurfürstlichen Bibliothek 1661 durch den Großen Kurfürsten, aus der später die Königliche Biblothek und die Preußische Staatsbiblithek hervorgingen ist ein weiteres Beispiel für die kulturelle Belebung Berlins.
\"Haupt- und Residenzstadt Berlin\" seit dem 18. Jahrhundert
Friedrich III.
© Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh
Ab 1695 erbaute Kurfürst Friedrich III (R1688-1713), der als Friedrich I. seit 1701 König in Preußen war, seine Friedrichstadt südlich der Straße unter den Linden und vereinigte sie 1609 mit Berlin, Cölln und den Vorstädten Dorotheenstadt und Friedrichswerder zur \"Haupt- und Residenzstadt Berlin\", die zu diesem Zeitpunkt rund 56000 Einwohner zählte.Während seiner aufwändigen Regentschaft florierten Handel und Gewerbe, und Berlin stieg auch zum kulturellen Zentrum des preußischen Staates auf. Sichtbare Zeichen für diesen Aufstieg von Wissenschaft und Künsten waren u.a. die Einrichtung der Akademie der Künste 1696 und die 1700 auf Initiative des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibnitz erfolgte Gründung der Akademie der Wissenschaften. Mit dem von Arnold Nehring und Andreas Schlüter errichteten Zeughaus erhielt Berlin 1706 das größte und prachtvollste Barock-Bauwerk seiner Baugeschichte. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde zudem das Berliner Schloss nach Entwürfen von Schlüter zum größten Barockbau nördlich der Alpen ausgebaut. Die Berliner Bevölkerung ergänzte sich weiterhin durch Einwanderer, deren Anteil an der Stadtbevölkerung 1720 fast 20% betrug König Friedrich Wilhelm I., der \"Soldatenkönig\" (R1713-1740 schränkte Hofhaltung und Förderung von Kunst und Wissenschaft stark ein und legte den Schwerpunkt seiner Politik auf den Ausbau der Stadt, von Handel und Gewerbe, vor allem aber des Militärs. Eine große Garnison (1725 waren es 12 000 Mann bei einer Einwohnerzahl von 60 000) sowie Exerzierplätze wurden eingerichtet. Es entstanden die Luisenstadt, das Stralauer Viertel, die Königsstadt, die Sophienstadt , das Spandauer Viertel und die Friedrich-Wilherlm-Stadt. 1734 wurden in der rasch wachsenden Stadt die Befestigungswälle abgetragen, 1737 wurde stattdessen eine Zollmauer errichtet (1866 wieder abgerissen). Wenngleich König Friedrich II., der Große (R1740-1786), nach 1740 seine Residenz ganz nach Potsdam-Sanssouci verlegte, erhielt Berlin durch das Wirken des so machtbewussten wie kunstsinnigen Königs zahlreiche Impulse.
Friedrich II.
© Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh
Auf Friedrichs II. Betreiben entstanden am Forum Fridericianum und am Gendarmenmarkt repräsentative Bauten (Staatsoper, königliche Bibliothek, Hedwigs-Kathedrale; Schauspielhaus). In Berlin bildete sich im Zeichen der Aufklärung ein reiches kulturelles Leben heraus mit Clubs, Salons und einer vielfältigen Zeitungslandschaft. Um 1800 hatte Berlin rund 150 000 Einwohner und war nach Wien die zweitgrößte Stadt des Reiches. Die Wirtschaft war neben dem traditionellen Handwerk vor allem durch z.T. staatlich geförderte Manufakturen geprägt, die für den Bedarf von Hof, Militär und der rasch wachsenden Bevölkerung produzieretn (u.a. Tuch- und Baumwollerzeugnisse, Porzellan, Eisen- und Silberwaren, Pulver, Waffen). Ab Mitte des 18. Jahrhunderts siedelten sich auch mehrere Bankhäuser in Berlin an.
Reformen, Industrialisierung und Reichshauptstadt im 19. Jahrhundert
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde auch Berlin von der Krise des preußischen Staates erfasst. Auf die preußische Niederlage bei Jena und Auerstädt im Oktober 1806 folgte der Einmarsch Napoleons in Berlin und eine zweijährige Besatzung durch französische Truppen. Neue Impulse erhielt die Stadtentwicklung ab 1808 im Rahmen der Hardenbergschen Reformen, die Berlin u.a. die (partielle) kommunale Selbstverwaltung und die Gewerbefreiheit brachten. Am 16. April 1809 wählte die Berliner Bürgerschaft Berlin erstmals eine Stadtverordnetenversamlung nach Zensus-Wahlrecht. Der von dieser Versammlung gewählte Magistrat war ihr gegenüber verantwortlich. Berlin unterstand unmittelbar dem Potsdamer Regierungspräsidenten. 1810 sorgte die Gründung der Universität für nachhaltige Impulse für die Wissenschaft. Bald wirkten führende Gelehrte, darunter Johann Gottlieb Fichte, Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Leopold von Ranke, die Brüder Grimm, Alexander von Humboldt, an der Berliner Universität. Berlin war 1848 ein Zentrum der bürgerlichen Revolution. Im März 1848 kam es in der Stadt zu Barrikadenkämpfen. Schließlich behielt das preußische Militär die Oberhand. Jedoch errangen die Liberalen 1858 in der Stadtverordnetenversammlung die Mehrheit und nahmen in der Folgezeit starken Einfluss auf die Stadtentwicklung. Im Zuge der industriellen Revolution entstanden in Berlin etwa ab 1850 in wachsender Zahl Fabriken und Handelshäuser. Schwerpunkte bildeten zunächst der Maschinenbau und die Elektroindustrie. Als eine der ersten Eisenbahnlinien in Deutschland wurde 1838 die Strecke Berlin-Potsdam in Betrieb genommen. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Stadt zu einem Eisenbahnknotenpunkt. Parallel dazu setzte ein anhaltender Zuwandererstrom insbesondere aus Brandenburg und den preußischen Ostprovinzen ein, der zu einem sprunghaften Anstieg der Einwohnerzahl Berlins führte (1850: 419000; 1852: 511000). Im Jahre 1861 wurde das Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Moabit und Wedding stark vergrößert. 1871 wurde Berlin Hauptstadt des neugegründeten Deutschen Reiches, was der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung erneut starke Impulse gab. Innerhalb weniger Jahrzehnte stieg die Einwohnerzahl von 820000 (1871) auf 2 Mio. (1900). Verbunden war dieses Wachstum jedoch mit zunehmendem Wohnungselend großer Bevölkerunggruppen und der Ausbreitung sog. Mietskasernen. Um die Jahrhundertwende lebten rund 50% der Einwohner in gesundheitsschädlichen Hinterhofwohnungen. Auf der anderen Seite entstanden prachtvolle Villenvororte, vor allem im Südwesten. Im \"neuen Westen\" entwickelte sich um den Kurfürstendamm ein neues Zentrum bürgerlichen Wohlstands, das der alten Mitte bald Konkurrenz machte. Die industrielle Entwicklung setzte sich rasant fort; Berlin wurde nun auch zu einem Zentrum der Papier- und Druckindustrie und Sitz zahlreicher Groß-Verlage wie Ullstein, Mosse und Scherl.
Erster Weltkrieg, Novemberrevolution und \"Goldene Zwanziger\"
Der Erste Weltkrieg (1914-1918) führte in Berlin ab 1916 zur ständigen Verschlechterung der Versorgungslage und sog. Hungerwintern. Im November 1918 war die Stadt, seit Jahren eine Hochburg der Arbeiterbwegung und der SPD, Zentrum der revolutionären Bestrebungen, die von der Kieler Matrosenrevolte ihren Ausgang genommen hatte. Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann von einem Fenster des Berliner Reichstags die Republik aus. In den folgenden Wochen kam es zu schweren Kämpfen zwischen der Reichswehr und linksradikalen Gruppierungen (Spartakus-Aufstand), die mit dem Sieg der Regierungstruppen endeten. Berlin war nunmehr Hauptstadt und Regierunsgsitz des republikanischen Deutschland, zugleich Hauptstadt des Freistaats Preußen. 1920 wurde durch Zusammenschluss von 8 bisher slbständigen Städten und zahlreicher Landgemeinden die Stadt \"Groß-Berlin\" gebildet, die nach Fläche (878 qkm) und Einwohnerzahl (3,8 Mio.) mit Abstand größte Stadt Deutschlands. Nach Überwindung politischer Unsicherheit und Inflation nahm Berlin ab 1923/24 eine rasante Entwicklung zur Weltstadt. Es waren die \"Goldenen Zwanziger Jahre\", in denen Kultur und gesellschaftliches Leben blühten und das \"Berliner Tempo\" sprichwörtlich wurde. Die Stadt zog führende Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler und Maler aus ganz Deutschland und aller Welt an. Namen wie Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Erich Kästner, Gottfried Benn, Max Reinhardt und Erwin Piscator stehen für die Avantgarde in Literatur und Theater. Bildende Kunst und Musik standen dem in nichts nach. Auch seinen Ruf als Wissenschaftszentrum mit zwei Universitäten und mehreren Kaiser-Wilhelm-Instituten konnte Berlin festigen. In der pulsierenden Anonymität einer weltoffenen Viermillionen-Stadt wurden vielfältige Lebensformen ausprobiert. Sozialdemokratisch inspirierte Siedlungsprojekte verbesserten nachhaltig die Wohnsituation vieler Menschen. Die SPD war zwar stärkste politische Kraft, allerdings stellten ab 1921 die Bürgerlich-Liberalen mit Gustav Böß (DDP) den Oberbürgermeister. Doch blieben soziale Gegensätze bei aller Offenheit der Atmosphäre bestehen. Sie verschärften sich nach 1929/30, als die Weltwirtschaftskrise zu dramatisch wachsender Arbeitslosigkeit und der Verelendung breiter Bevölkerungskreise führte. Berlin wurde 1931/32 zum Schauplatz politischer Kämpfe, die sowohl von links (KPD) als auch von rechts (NSDAP) auf den Straßen mit zunehmender Brutalität ausgetragen wurden. Im Juli 1932 wurde die in Berlin residierende Regierung des Freistaats Preußen unter Otto Braun (SPD) vom rechtskonservativen Reichskanzler Franz von Papen abgesetzt. Dieser rechtswidrige \"Preußenschlag\" beseitigte die letzte demokratische Bastion in dem von inneren Unruhen zerrissenen Deutschland.
Berlin im Zentrum nationalsozialistischer Herrschaft 1933 bis 1945
1936, Berlin: Adolf Hitler eroeffnet Olympische Spiele
Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde Berlin zum Zentrum des nationalsizialistischen Herrschafts- und Terrorapparats. Auch in Berlin wurde das politische und kulturelle Leben gleichgeschaltet, politische Gegner wurden verfolgt und terrorisiert. Der Oberbürgermeister wurde auf einen obersten Verwaltungschef herabgestuft; das politische, gesellschaftliche und kulturelle Erscheinungbild bestimmte fortan weitgehend Gauleiter Joseph Goebbels. 1936 war Berlin Austragungsort der Olympischen Spiele, die die Nationalsozialisten vor allem zur Selbstdarstellung gegenüber dem Ausland missbrauchten. Nach den Vorstellungen Hitlers sollte Berlin zur Mega-Stadt \"Germania\" mit gigantischen Aufmarschplätzen und Monumentalbauten umgestaltet werden. Albert Speers entsprechende Planungen kamen wegen des Krieges ab 1939 aber über einige Ansätze nicht hinaus. Ab 1941 war Berlin immer wieder Ziel alliierter Bombenangriffe, die vor allem in den inneren Stadtbezirken schwerste Zerstörungen anrichteten. Am 16. April 1945 begann die Rote Armee den Angriff auf Berlin, das sie am 2. Mai 1945 eroberte. Am 9. Mai 1945 wurde in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet.
Wiederaufbau und Viersektoren-Stadt
Große Teile der Stadt lagen bei Kriegsende in Trümmern. 39% (600000) der Wohnungen waren zerstört, weitere 100 000 schwer beschädigt. 35% der Industrieanlagen waren unbrauchbar. Gemäß den Londoner Vereinbarungen von 1944 wurde Berlin in vier Sektoren aufgeteilt, in denen die Besatzungsmächte Großbritannien, Frankreich, USA und Sowjetunion ab Juli 1945 alle Bereiche von Politik, Wirtschaft und Kultur kontrollierten. Entscheidungen für ganz Berlin wurden vom Alliierten Kontrollrat getroffen, in dem die vier Stadtkommandanten zusammenarbeiteten. Zum ersten Oberbürgermeister wurde der parteilose Arthur Werner ernannt.
Kalter Krieg, Blockade und Teilung
1953: Aufstand in Ost-Berlin
Nach einer Phase relativ gedeihlicher Zusammenarbeit der vier Siegermächte entwickelte sich Berlin ab 1946/47 zu einem zentralen Schauplatz des Kalten Krieges. Im Ostsektor ging die KPD mit Unterstützung der Sowjets daran, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Sinne zu gestalten. Die KPD betrieb auch den Zusammenschluss mit der SPD, der im April 1946 in Berlin mit der Bildung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vollzogen wurde. In den Westsektoren hatten sich zuvor eine große Mehrheit der SPD-Mitglieder gegen eine Vereinigung mit der KPD ausgesprochen. Im Oktober 1946 fanden die ersten Wahlen in ganz Berlin statt, bei denen die SPD 48,7% der Stimmen, die SED nur 19,8% erhielt. Ab 1947/48 vollzog sich die Teilung Berlins in mehreren Etappen. Im März 1948 verließ der sowjetische Vertreter die Alliierte Kommandantur Berlin. Auf die Währungsreform vom Juni 1948 in den Westzonen und West-Berlin reagierte die Sowjetunion mit einer Blockade aller Land- und Wasserverbindungen zwischen West-Berlin und den Westzonen. In den folgenden elf Monaten wurde West-Berlin über eine Luftbrücke versorgt. Der kommunistische Sturm auf die Stadtverordnetenversammlung im September 1948, der dadurch provozierte Auszug der sozialdemokratischen und bürgerlichen Abgeordneten sowie die Bildung eines eigenen, SED-dominierten Magistrats im November 1948 vertieften die politische Spaltung der Stadt. Beide Teile der Stadt entwickelten sich in den folgenden Jahren immer weiter auseinander. Während im Ost-Sektor die SED ihre diktatorische Macht immer weiter ausbaute, festigten sich in den drei Westsektoren unter dem Schirm der Westalliierten demokratische Verhältnisse mit privatkapitalistischer Wirtschaftsform. Im Juni 1953 kam es in Ost-Berlin zu einem Aufstand gegen das SED-Regime, der von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurde.
Im Schatten der Mauer
Nach Schließung der innerdeutschen Demarkationslinie 1952 durch die DDR blieb Berlin das einzige \"Schlupfloch\" für DDR-Bürger, um relativ gefahrlos in den Westen zu gelangen. Jährlich nutzten mehr als 150000 DDR-Flüchtlinge diese Möglichkeit. Mit dem Bau der Mauer im August 1961 versperrte die SED diese Fluchtmöglichkeit und vollendete die Teilung Berlins. In West-Berlin bemühte sich in den folgenden Jahren der SPD-geführte Senat, durch eine \"Politik der kleinen Schritte\" die Mauer durchlässiger zu machen, was in Form von Passierscheinabkommen und ab 1972 eine ständige Besuchsregelung zumindest in West-Ost-Richtung in mühevoller Kleinarbeit auch gelang. Ost-Berlin sollte nach den Plänen der DDR-Führung zur repräsentativen \"Hauptstadt der DDR\" ausgebaut werden. Zu diesem Zweck floss regelmäßig ein Großteil der Finanzmittel und Materialien nach Ost-Berlin, zu Lasten übrigen Gebiete der DDR. Bis Mitte der 80er Jahre wurden in Ost-Berlin z.T. ehrgeizige Infrastruktur- und Städtebaumaßnahmen (u.a. Satelittenstadt Marzahn, Wohnanlage Ernst-Thählmann-Park) realisiert. Allerdings kam es ab Ende der 70er Jahre zu einer schubweisen Verschlechterung der ökonomischen Situation und der Versorgunsglage. Politische Unmutsäußerungen oder Ansätze zur Opposition wurden rigoros unterdrückt. West-Berlin, von den alliierten Westmächten politisch, von der Bundesrepublik wirtschaftlich gestützt, entfaltete gesellschaftlich und politisch vielfach ein gewisses Eigenleben. 1968 war es ein Zentrum der Studentenbewegung; Anfang der 80er Jahre entwickelte sich eine Hausbesetzer- und sog. Alternativszene. Kulturell konnte Berlin weiterhin mit internationalen Spitzenleistungen aufwarten (Berliner Philharmoniker, Schaubühne etc.). 1981 endete die jahrzehntelange Dominanz der SPD in West-Berlin. Richard von Weizsäcker (CDU) wurde zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Ihm folgten 1984 Eberhard Diepgen (CDU) und 1989 Walter Momper (SPD).
Fall der Mauer und Vereinigung
1989, Berlin: Fall der Mauer
© Sipa Press, Paris
Im Sommer/Herbst 1989 spitzte sich in Ost-Berlin die politische Lage zu. Nach der offensichtlichen Fälschung der Kommunalwahlen vom Mai 1989 häuften sich die Proteste gegen das SED-Regime. Dennoch kam der Fall der Mauer am 9. November 1989 für alle überraschend. Nach der Verkündigung einer unklaren neuen Reiseregelung durch Günter Schabowski am Abend des 9. November nahmen die Ost-Berliner die Sache selbst in die Hand und erzwangen die Öffnung der Grenzübergänge. Willy Brandt prägte die Formel: \"Nun wächst zusammen, was zusammengehört.\" Am 3. Oktober 1990 wurde zugleich mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik die Wiedervereinigung Berlins vollzogen. Bei den ersten Gesamtberliner Wahlen seit 44 Jahren errang die CDU einen deutlichen Sieg und stellte mit Eberhard Diepgen den Regierenden Bürgermeister. Im September 1991 zog der Gesamtberliner Senat vom Rathaus Schöneberg ins Rote Rathaus im Bezirk Mitte um. Am 20. Juni 1991 beschloss der Bundestag in Bonn mit knapper Mehrheit, den Parlaments- und Regierungssitz nach Berlin zu verlegen. In den folgenden Jahren entfaltete sich in der wiedervereinigten Stadt eine rasante Bautätigkeit. Zu den spektakulärsten Projekten gehören die Neubebauung des Potsdamer Platzes und die Neugestaltung der Friedrichstraße. Um das völlig umgebaute Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestages, entstand ein neues Regierungsviertel mit Kanzleramt, Ministerien (teils Neubauten, teils renovierte ältere Gebäude) und Abgeordnetenbüros. Im Sommer 1999 zogen Bundestag und Regierung an die Spree. 2001 stürzte das Berliner Abgeordnetenhaus Eberhard Diepgen durch einen Misstrauensantrag und wählte den SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit zum neuen Regierenden Bürgermeister. Nach Neuwahlen am 21. 10. 2001 scheiterten Gespräche von SPD, FDP und Grünen über die Bildung einer Ampelkoalition. Schließlich einigten sich SPD und PDS auf die Bildung eines rot-roten Regierungsbündnisses.
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