Der Sieg der reformierten Orte im 2.Villmergerkrieg schloss nicht nur
eine 200jährige Periode von Glaubenskämpfen ab, sondern verschob
auch die Machtverhältnisse in der alten Eidgenossenschaft zu Gun-sten
der Städte, die sich in einem industriellen Aufschwung befanden.
Die politischen Verhältnisse änderten sich aber bis 1798 kaum. Nach
wie vor herrschte die Aristokratie. Auf der sozialen sowie auf der
wirtschaftlichen Ebene fanden jedoch tiefgreifende Reformen statt.
Erstmals keimte die Hoffnung auf, auf der Basis des gesunden Men-schenverstandes
liesse sich eine neue Morallehre begründen, die für
Menschen verschiedener Konfession Geltung hätte. Damit aber die
Welt besser werden konnte, galt es das Wissen zur Öffentlichkeit zu
bringen. Die Verbesserung der Landwirtschaft wurde lautstark propa-giert.
Mit Schriften und Preisausschreibungen wurde versucht Feld-nutzung
und Arbeitsmethoden zu verbessern. Bekannt ist das Beispiel
des Zürcher Bauern Kleinjogg, welcher mit einem nach neuartigen
Prinzipien gestalteten Musterhof zu Reichtum gelangte.
Langsam fasste die Idee einer gewinnbringenden Wirtschaft auf dem
Lande Fuss. Die Allmenden wurden der allgemeinen Weidenutzung
entzogen und unter den reichen Bauern aufgeteilt. Der Übergang zur
Stallfütterung des Viehs erlaubte die Düngung der Felder und die bes-sere
Nutzung des Brachlandes. Wegen dem Bevölkerungswachstum
und den damit verbundenen, periodischen Hungersnöten, wurden ver-mehrt
Kartoffeln und Klee angebaut.
Die Bevölkerung wuchs, vor allem auf dem Lande, von 1.2 Millionen
im Jahre 1700 auf 1.6 Millionen im Jahre 1800. Zwar mochten die
fremden Dienste 50 000 - 80 000 Männer zeitweise zu absorbieren,
aber das Interesse nahm im Laufe des 18. Jahrhunderts merklich ab.
Mehr denn je waren Kleinbauern und Tagelöhner nun auf zusätzliche
Verdienste angewiesen. Von dieser Bevölkerungssituation profitierte
vor allem die aufkommende Verlagsindustrie. Baumwollspinnerei, Baum-wollweberei,
Tuchdruckerei, Seidenbandindustrie, Seidenstoffweberei
und Stickerei erlebten vor allem in den nördlichen und östlichen Lan-desteilen
einen grossen Aufschwung. Um Genf, Neuenburg und im
Jura bereitete sich die Uhrenindustrie aus, die ebenfalls im Verlags-system
betrieben wurde. Hunderttausende lebten auf dem Land bald
von der Heimarbeit. Das 18. Jahrhundert wurde zur eigentlichen Epo-che
der Industrialisierung der Schweiz, welche bis zur Helvetischen
Revolution zum meist industrialisierten Land des Kontinents aufstieg.
Wenn auch die Verlagsindustrie die Armut nicht beseitigen konnte, so
führte sie doch zeitweise zu einem gewissen Wohlstand auf dem Lan-de,
und für viele Heimarbeiter sank die Landwirtschaft zu einer Ne-benbeschäftigung
ab. Aber um so mehr hingen sie von den heftigen
Preisschwankungen des Marktes ab. Im Jahre 1723 musste in der
textilen Hauswirtschaft durchschnittlich 1-3 Tage gearbeitet werden,
um 5 Pfund Brot zu verdienen; 1762 waren er dagegen nur noch ein
halber Tag. Im Hungerjahr 1771 brauchte man dazu fast eine Woche
und 1780 wieder nur einen Tag.
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