A. Wie sieht die optimale Bezahlung eines Handelsvertreters aus?
1. Aktionen und Ergebnisse
Eine Unternehmung vertreibt ihr Produkt über einen Vertreter. Der Vertreter, der sonst kein Einkommen bezieht, muß sich entscheiden, wie sehr er sich für diesen Auftrag engagieren möchte: stark oder weniger stark (ausgedrückt durch hohe oder niedrige Arbeitsintensität). Setzt er sich sehr für das Produkt ein, wird die Herstellerfirma stärker von seiner Arbeit profitieren, als wenn er sich nur mäßig engagiert. Die Firma hat keine Möglichkeit, das Verhalten ihres Vertreters zu beobachten. Als Ergebnis seiner Tätigkeit erhält sie lediglich die Menge an zusätzlichen Aufträgen. Im Beispiel gebe es drei Möglichkeiten, deren Wahrscheinlichkeiten von der Arbeitsintensität des Agenten beeinflußt werden:
Wahrscheinlichkeit für: geringe Intensität hohe Intensität
keine zusätzlichen Aufträge 0,6 0,1
Aufträge im Wert von 250 DM 0,3 0,3
Aufträge im Wert von 750 DM 0,1 0,6
Tabelle 1: Die Wahrscheinlichkeit der Ereignisse
Die Zuordnung ist nicht eindeutig, so führt eine hohe Arbeitsintensität nicht automatisch zu Aufträgen im Wert von 750 DM. Die Firma kann bei Aufträgen im Wert von 750 DM nur schließen, daß eine hohe Arbeitsintensität wahrscheinlicher war. Weil der Prinzipal die Aktion des Agenten nicht beobachten kann und außerdem jede Aktion zu jedem Ergebnis führen kann, kann der Vertrag zwischen Agent und Prinzipal keine Bezahlung in Abhängigkeit von der Arbeitsintensität enthalten. Für den Agent bestünde bei fixer Bezahlung die Versuchung, die am wenigsten beschwerliche Aktion zu wählen. Dies versucht der Prinzipal durch eine geeignete Anreizstruktur zu verhindern.
2. Der Nutzen des Agenten
Der Agent ist risikoneutral. Sein Nutzen ergibt sich als Funktion seines Gehaltes w und der Arbeitsintensität a. Seine Nutzenfunktion sei U(w,a) = w - a.
Seine Arbeitsintensität wird wieder in Geldeinheiten (hier DM) umgerechnet (vgl. Seite 1), er wählt zwischen "gering" (a=75) und "hoch" (a=100). Sein Minimalnutzen ist VM=100.
Soll sich der Vertreter also mit hoher Arbeitsintensität engagieren, muß dies der Firma mindestens 200 DM wert sein, damit der Agent seinen Minimalnutzen erreicht. Damit der Agent überhaupt für die Firma tätig wird, muß sie ihm 175 DM bezahlen.
geringe Intensität hohe Intensität
zu erreichender Minimalnutzen VM: 100 100
+ Arbeitsintensität a: 75 100
= von der Firma zu zahlen, damit der Vertreter für sie arbeitet 175 200
Tabelle 2: Die Bezahlung des Agenten
3. Das Kalkül des Unternehmens
Auch der Prinzipal ist risikoneutral.
Der Nutzen der Unternehmung ergibt sich aus der Aktion des Agenten. Wenn der Vertreter mit geringer Intensität arbeitet, so beträgt der erwartete Brutto-Gewinn des Unternehmens 0,6*0 + 0,3*250 + 0,1*750 = 150 DM, arbeitet er mit hoher Intensität, so beträgt der erwartete Brutto-Gewinn 525 DM.
Die Firma wird den Vertreter engagieren, wenn er mit hoher Intensität arbeitet, denn dann macht sie einen erwarteten Netto-Gewinn von 325 DM. Falls jedoch von Beginn an feststeht, daß er nur mit \"geringer Intensität\" arbeitet, erleidet sie einen (erwarteten) Schaden von -25 DM; noch größer wird der Schaden, falls sie ihm für hohe Intensität 200 DM bezahlt, er aber nur mit geringer Intensität arbeitet. Der maximal erzielbare Netto-Gewinn der Unternehmung beträgt 325 DM.
geringe Intensität hohe Intensität
erwarteter Bruttogewinn der Unternehmung 150 DM 525 DM
- Zahlung an den Vertreter -175 DM -200 DM
= erwarteter Nettogewinn der Unternehmung -25 DM 325 DM
Tabelle 3: Das Kalkül der Unternehmung
4. Der Vertrag zwischen Unternehmung und Vertreter
Der Prinzipal wird versucht sein, Anreize zu schaffen, daß der Agent mit hoher Intensität arbeitet. Dies soll durch den Arbeitsvertrag geschehen. Die Gleichungen für die optimale Prämienfunktion bei Risikoneutralität (Gleichung 13 und Gleichung 14) geben vor, wie die Anreize auszusehen haben.
Die Firma vereinbart folgendes: \"Wenn kein zusätzlicher Auftrag eingeht, muß der Vertreter 325 DM bezahlen. Gehen Aufträge im Wert von 250 DM ein, so zahlt der Vertreter noch 325 - 250 = 75 DM, gehen aber Aufträge im Wert von 750 DM ein, so beträgt sein Honorar 750 - 325 = 425 DM.\"
Jetzt steht der Vertreter vor folgendem Entscheidungsproblem:
a) Er lehnt ab und versucht, seinen Minimalnutzen VM = 100 durch eine andere Arbeit zu bekommen.
b) Er nimmt den Vertrag an und arbeitet mit geringer Intensität. Sein erwarteter Nutzen (=erwartete Prämie abzüglich Arbeitsintensität) beträgt:
[,6 * (-325) + 0,3 * (-75) + 0,1 * 425] - 75 = -250
c) Er nimmt den Vertrag an und arbeitet mit hoher Intensität. Dann beträgt sein erwarteter Nutzen:
[0,1* (-325) + 0,3 * (-75) + 0,6 * 425] - 100 = 100.
5. Interpretation
Arbeitet der Vertreter mit geringer Intensität, so wird sein erwarteter Nutzen negativ. Zwischen der ersten und der dritten Möglichkeit ist er indifferent. Wird der Vertrag geringfügig zu seinen Gunsten modifiziert, wird er ihn annehmen.
Entscheidend ist, daß er aus eigenem Interesse mit hoher Intensität arbeiten wird, denn nur eine hohe Arbeitsintensität garantiert ihm einen positiven Nutzen. Überwachung oder Kontrolle durch die Unternehmung ist nicht nötig; die Unternehmung erhält mit Sicherheit den maximal möglichen Netto-Gewinn von 325 DM. Die Unternehmung trägt also kein Risiko mehr.
Da der Gewinn der Unternehmung unabhängig von der Arbeitsintensität des Vertreters gesichert ist, ist dieses System einer Bezahlung über Umsatzprovisionen deutlich überlegen.
B. Tabellarische Zusammenfassung des Beispiels
Tabelle 4: Zusammenfassung des Beispiels
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