1. Einleitung (Allgemeine Informationen)
Großbritanniens beträgt 244 110 Quadratkilometer. Die Hauptstadt und zugleich größte Stadt ist London.
1. Land
Die maximale Längenausdehnung Großbritanniens beträgt circa 1 260 Kilometer; der nördlichste Punkt ist Out Stack vor Unst auf den Shetland-Inseln, der südlichste ist Saint Agnes auf den Scilly-Inseln. Die maximale Breite beträgt 670 Kilometer zwischen Lough Melvin im Südwesten Nordirlands und Lowestoft in Suffolk. Infolge der stark zergliederten Küste ist kein Ort der Britischen Inseln weiter als etwa 120 Kilometer vom Meer entfernt.
Gemessen an der Größe des Staatsgebiets ist die Landschaft überaus abwechslungsreich und weist oft scharfe Kontraste auf engstem Raum auf. Diese Vielfalt spiegelt zum Teil das geologische Fundament wider; es reicht von den alten präkambrischen Gesteinen der schottischen Highlands bis zu den jüngeren, aus dem Quartär stammenden Ablagerungen im Gebiet der Fens in Ostengland. Das gesamte Gebiet Großbritanniens war mit Ausnahme des Bereichs südlich der Mündungen von Themse und Severn in England während der Eiszeiten im Pleistozän von Gletschereis bedeckt. Zu den weiten Regionen, die durch die Tätigkeit von Gletschern und den nacheiszeitlichen Schmelzwässern entstanden, gehören Lake District in England, die Seen Nordirlands, die Täler von Wales und der Großteil der schottischen Landschaft mit ihren Seen. Auch der Einfluss des wirtschaftenden Menschen hat seinen Teil zur Umgestaltung der Landschaft beigetragen. Dies zeigt sich vor allem im Flachland Südenglands, in den Norfolk Broads, in den Fens und in den Mooren Nordschottlands.
Physische Geografie
Die britische Hauptinsel gliedert sich geographisch in zwei Hauptregionen, das Hochland und das Tiefland. Die Trennungslinie verläuft von der Mündung des Flusses Exe in Devon in nordöstlicher Richtung zur Mündung des Flusses Tees. Schottland und Wales liegen im Hochlandbereich, ebenso der Norden, Nordwesten und Südwesten Englands. Schottland ist in drei geographische Räume gegliedert: die Highlands, die gebirgigste Region im Vereinigten Königreich, in der mit dem Ben Nevis (1 343 Meter) auch dessen höchster Gipfel liegt, ferner das schottische Tiefland (Central Lowlands) und die Southern Uplands. Wales umfasst hauptsächlich die Cambrian Mountains, in denen der höchste Gipfel von England und Wales, der Mount Snowdon (1 085 Meter), liegt. England wird im Osten und Südosten von ausgedehnten Tieflandgebieten eingenommen. Im Norden, Nordwesten und Südwesten breiten sich große Hochlandregionen aus; dies sind die Pennines im Norden, die Cumbrian Mountains im Nordwesten sowie Exmoor (Exmoor Nationalpark) und Bodmin Moor im Südwesten.
Das Sperrin- und das Antrim-Gebirge im Norden und Nordosten Nordirlands stellen die Fortsetzung der schottischen Highlands dar. Das dazugehörige Massiv der Mourne Mountains, in dem der höchste Gipfel Nordirlands, der Slieve Donard (852 Meter) liegt, grenzt an eine Tieflandregion in der Umgebung des Lough Neagh (396 Quadratkilometer), des größten Süßwassersees im Vereinigten Königreich.
Klima
Das Klima Großbritanniens ist gemessen an der Lage des Landes recht mild. Seine geographische Breite entspricht der von Labrador in Kanada; das milde Klima wird durch die Meeresnähe bewirkt, vor allem durch den Einfluss des warmen Golfstromes. Die vorherrschenden Winde aus Südwest, die im Winter einen mildernden Einfluss auf die Temperaturen ausüben und die Tiefdruckgebiete heranführen, beeinflussen das tägliche Wetter der Insel. In den westlichen Landesteilen ist es meist wärmer als im Osten, und der südliche Landesteil ist durch mildere Temperaturen gekennzeichnet als der Norden.
Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 6 °C im hohen Norden Schottlands und beträgt etwa 11 ° C im Südwesten Englands. Im Winter fallen die Temperaturen selten unter -10 °C, die Sommertemperaturen übersteigen nur in Ausnahmefällen 32 °C. Die Winde bringen vom Meer her reichlich Feuchtigkeit; die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge liegt landesweit knapp über 1 000 Millimeter; sie variiert zwischen etwa 5 000 Millimetern in den westlichen Highlands und unter 500 Millimetern in Teilen East Anglias. Regen fällt grundsätzlich das gesamte Jahr hindurch; zu den niederschlagsreichsten Gebieten zählen vor allem Schottland, Wales und Nordengland.
Flora und Fauna
Die Pflanzenwelt des Vereinigten Königreiches ist so vielfältig wie seine Landschaften. Jahrhunderte menschlicher Besiedlung haben die Vegetation stark verändert. Weite Landesteile, mit Ausnahme der Berge und Moorgebiete im Norden und Westen sowie der Sumpfgebiete, waren früher von dichtem Laubwald (v. a. Eichen) bedeckt. Heute sind nur noch Reste dieses ursprünglichen Waldes vorhanden. Die Bestände bedecken etwa 7 Prozent der Fläche Englands, 15 Prozent in Schottland, 12 Prozent in Wales und 5 Prozent in Nordirland. Seit der Gründung einer Waldkommission (Forestry Commission) 1919 hat sich die Waldfläche verdoppelt. Bei dieser Kommission handelt es sich um ein Regierungsressort, das für den Schutz und die Entwicklung der Waldbestände im Vereinigten Königreich zuständig ist.
Etwa ein Viertel des Staatsgebietes, hauptsächlich in Schottland, Südwestengland, Wales und Nordirland, weist Heideland (moorlands) auf. Diese Gegenden erscheinen zwar wild und unberührt, wurden aber durch Weidetätigkeit und Brandrodungen beeinflusst. Zu den Pflanzen dieser Gegenden gehören Heidekraut, Ginster, Vogelbeere und Blaubeere. In feuchten Gebirgsregionen gibt es die in Mitteleuropa nicht vorkommenden Deckenmoore. Mit der Trockenlegung der großen Sumpfgebiete des Landes, wie den Fens in East Anglia und den Somerset Levels, wurde schon vor über 200 Jahren begonnen. Allmählich wurden sie in Weide- und Ackerland umgewandelt, das heute vielerorts durch Einfriedung mit Feldhecken eine charakteristische Kulturlandschaft darstellt. Kleinere Feuchtgebiete wie Marschen, Sumpfwiesen und Flussmündungsgebiete entgingen bis 1945 solchen Veränderungen. Seither führte jedoch ein erhöhter Bedarf an Ackerland und Baugebieten auch hier zu umfangreichen Eingriffen.
Wild lebende Großsäugetiere sind Rothirsche und Rehe sowie die eingebürgerten Damhirsche, Sikahirsche, Wasserrehe und Muntiaks (die beiden letzteren in Südengland). Die früher heimischen Wölfe und Wildschweine wurden ausgerottet. In Exmoor, auf den Shetland-Inseln und im New Forest gibt es halbwilde Ponys. Insgesamt entspricht die Säugetierfauna Großbritanniens weitgehend derjenigen Mitteleuropas. Das Eichhörnchen wird durch das ausgesetzte nordamerikanische Grauhörnchen verdrängt. In Südengland lebt das ebenfalls eingebürgerte Benett-Känguru; eine weitere ursprünglich nicht heimische Säugetierart ist der Mink, ein nordamerikanischer Verwandter des Nerzes. An den Küsten leben Seehunde und Kegelrobben.
Die Britischen Inseln bieten zahlreichen Vögeln verschiedenartige Lebensräume, sie liegen im Zentrum eines Netzes von Vogelzugrouten. Rund 200 Arten sind hier das gesamte Jahr über heimisch, häufig sind (wie in Mitteleuropa) Amsel, Buchfink, Star und Haussperling. Auf Grund der langen Küstenlinien sind zahlreiche Meeresvögel anzutreffen. Dazu gehören Eistaucher, Sturmvögel, Sturmschwalben, Seeschwalben, Möwen, Enten, Kormorane, Krähenscharben, Papageitaucher, Trottellummen und Tordalken. In den Flussmündungsgebieten haben viele Enten, Gänse und andere Wasservögel ihr Winterquartier. Die Reptilienfauna besteht aus Wald- und Zauneidechsen, Blindschleichen, Schlingnattern, Ringelnattern und Kreuzottern, an den Küsten erscheinen Meeresschildkröten. Zahlreiche Fische fallen der Wasserverschmutzung zum Opfer; Speisefische werden vorwiegend von Fischfarmen geliefert. Häufige Süßwasserfische sind Lachs, Forelle, Plötze, Flussbarsch und Hecht. Zu den von Fischern angelandeten Meeresfischen gehören Kabeljau, Schellfisch, Scholle, Makrele und Hering.
Bevölkerung
Großbritannien hat 59,6 Millionen Einwohner (2001). Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 244 Einwohnern pro Quadratkilometer. Das jährliche Bevölkerungswachstum liegt durchschnittlich bei 0,23 Prozent. Die mittlere Lebenserwartung beträgt für Männer 75,1 Jahre und für Frauen 80,7 Jahre (2001).
Die Bevölkerung Englands macht 80 Prozent der Gesamtbevölkerung im Königreich aus, zugleich ist England mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 371 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Teil des Gesamtstaates. 10 Prozent der britischen Bevölkerung sind Schotten, 4 Prozent sind Iren (Nordirland) und 2 Prozent sind Waliser. Hinzu kommen 1 Prozent Inder und Angehörige anderer Volksgruppen (insgesamt 3 Prozent). Die Angehörigen der ethnischen Minderheiten leben hauptsächlich in den städtischen und industriellen Ballungszentren Englands, besonders im Südosten und in den Midlands.
Großbritannien ist unter den größeren Nationen der Welt einer der am stärksten verstädterten Staaten. 89 Prozent der Bevölkerung leben in Großstädten oder mittleren und kleinen Städten. So konzentrieren sich ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens in den sieben großen städtischen und industriellen Ballungszentren der Insel. Diese erstrecken sich im Umfeld der Städte London, Manchester, Liverpool, Sheffield, Birmingham, Newcastle upon Tyne und Leeds. Mit Ausnahme von London wuchsen diese Städte nach dem Beginn der industriellen Revolution zu bedeutenden Zentren der verarbeitenden Industrie, des Bergbaus oder des Handels heran. Die Konzentration von zwei Dritteln der walisischen Bevölkerung in den Tälern im Süden und von drei Vierteln der schottischen Bevölkerung im zentralen schottischen Tiefland rund um Glasgow und Edinburgh hat ähnliche Gründe.
Die Monarchie
Der Monarch des Vereinigten Königreiches ist das Staatsoberhaupt und damit dem Gesetz nach Oberhaupt der Exekutive, wichtiges Element der Legislative, Oberhaupt der Judikative, Oberbefehlshaber der königlichen Truppen und Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche (Church of England). Darüber hinaus ist er Oberhaupt des Commonwealth of Nations und Staatsoberhaupt der 51 Commonwealth-Staaten. Das Amt des Monarchen ist erblich; es geht an die Söhne des Königshauses in der Reihenfolge ihrer Geburt über oder an die Töchter, sofern keine Söhne vorhanden sind. Der Act of Settlement, ein Erbfolgegesetz aus dem Jahr 1700, legte fest, dass nur protestantische Nachfahren von Prinzessin Sophia, Kurfürstin von Hannover und Enkelin von Jakob I., König von England, und als Jakob VI. König von Schottland, die Thronfolge antreten dürfen. Die gegenwärtige Monarchin Königin Elisabeth II. bestieg den Thron am 6. Februar 1952, nach dem Tod ihres Vaters König Georg VI. Thronerbe ist ihr ältester Sohn Charles, Prinz von Wales.
Die Monarchie ist die älteste der Regierungsinstitutionen des Vereinigten Königreiches. Sie geht auf den sächsischen König Egbert zurück, der 829 England unter seiner Herrschaft vereinte. Die ehemals uneingeschränkte Macht des Königs wurde jedoch nach und nach beschnitten. Heute handelt der Monarch auf die Empfehlungen seiner Minister hin, die nach verfassungsmäßigem Recht nicht übergangen werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass das Vereinigte Königreich heute von der Regierung ihrer Majestät im Namen der Königin und mit Zustimmung des Parlaments regiert wird. Innerhalb dieses Rahmens kommen dem Monarchen spezifische Funktionen zu, die als elementare Bestandteile der verfassungsmäßigen Regierung des Vereinigten Königreiches zu betrachten sind. Daher existieren auch für den Fall, dass der Monarch sein Amt nicht mehr ausüben kann oder noch minderjährig ist, gesetzlich festgelegte Bestimmungen zur Ernennung eines Regenten.
Zu den spezifischen Funktionen des Monarchen gehören die Einberufung, Vertagung und Auflösung des Parlaments und die Zustimmung zu Gesetzesvorlagen, die in beiden Kammern des Parlaments verabschiedet wurden. Ohne diese königliche Zustimmung kann kein Gesetz in Kraft treten. Der Monarch ist auch für die offizielle Ernennung des Premierministers und der Regierungsminister zuständig sowie für die Ernennung von Richtern, Offizieren der Streitkräfte, Gouverneuren, Diplomaten, Bischöfen und Erzbischöfen sowie anderen höheren Geistlichen der anglikanischen Staatskirche. Der Monarch verleiht Ehrentitel und Auszeichnungen, hat als Staatsoberhaupt das alleinige Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, ausländische Staaten anzuerkennen und Verträge abzuschließen. Im Rahmen des Regierungsalltags kommt dem Monarchen das Recht zu, zu allen die Nation betreffenden Fragen konsultiert zu werden, wobei er zu absoluter Unparteilichkeit verpflichtet ist. Die Königin sitzt Treffen des Privy Councils (siehe unten) vor, empfängt regelmäßig den Premierminister, erhält Berichte über Kabinettsentscheidungen und unterzeichnet Staatspapiere.
Die Politik
Die politischen Parteien, die sich im Vereinigten Königreich im 17. Jahrhundert herausbildeten, sind ein elementarer Bestandteil des politischen Systems. Im Unterhaus sind zwar mehrere Parteien vertreten, in der Vergangenheit war die politische Bühne des Königreiches jedoch über ein Jahrhundert lang von einem Zweiparteiensystem geprägt. Die stärkste Partei im Unterhaus bildet die Regierung, der zweitstärksten Partei kommt die Rolle der Opposition zu - der offizielle Titel lautet "ihrer Majestät loyale Opposition". Der Oppositionsführer erhält ein Gehalt aus öffentlichen Mitteln. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges dominieren die Konservative Partei (Conservative Party) und die Labour Party das politische Geschehen. Die Labour Party war grundsätzlich immer sozialistisch orientiert, tendiert jedoch seit Anfang der neunziger Jahre stärker zur politischen Mitte hin. Nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im Mai 1945 begann sie mit der Verstaatlichung einzelner Industrien. Die Labour Party wurde 1900 als politischer Arm der Gewerkschaften gegründet und war in ihrer geistigen Ausrichtung von der Fabian Society beeinflusst. Ihre Wählerschaft sowie finanzielle Unterstützung bezog sie aus beiden Gruppen. In jüngster Zeit führten jedoch Veränderungen in der Parteisatzung zu einer Reduzierung des Gewerkschaftseinflusses auf die politische Linie der Partei. Der politische Kurs der Konservativen Partei verfolgt tendenziell die Unterstützung der privaten Wirtschaft und weniger Regulierung durch den Staat. Nach dem 2. Weltkrieg stimmte sie jedoch auch sozialpolitischen Maßnahmen wie dem Beveridge-Plan zu, der die Einrichtung eines umfassenden Sozialversicherungssystems vorsah. Der ebenfalls um diese Zeit gegründete staatliche Gesundheitsdienst (National Health Service) erhält nach wie vor breite Zustimmung in der Öffentlichkeit. In den achtziger Jahren versuchten die Konservativen, die zu dieser Zeit die Regierung bildeten, den Gesundheitsdienst zu reformieren, um Kosten zu senken und die Prinzipien des freien Marktes stärker einzubringen; die Bestrebungen stießen jedoch auf beträchtlichen Widerstand.
Die Liberale Partei (Liberal Party), die jahrzehntelang immer wieder Regierungen gestellt hatte, verlor in jüngerer Zeit ihren Rückhalt bei den Wählern. 1988 tat sie sich mit der Sozialdemokratischen Partei (SDP: Social Democratic Party, von Labour-Abtrünnigen gegründet) zusammen, woraus die Liberal-Demokratische Partei (Liberal Democrat Party) entstand. In den neunziger Jahren gehörten zur Parteienlandschaft außerdem die nationalistischen Parteien von Schottland und Wales, Scottish Nationalist Party und Plaid Cymru, sowie die Parteien Nordirlands, die Ulster Unionist Party, die Democratic Unionist Party, die Social Democratic and Labour Party und Sinn Féin. Alle sind im Unterhaus vertreten, wobei jedoch die zwei Abgeordneten der Sinn Féin vom Parlamentspräsidium von der Mitarbeit ausgeschlossen sind, da sie den Treueeid auf die Königin nicht leisten wollen. Das Parlament Nordirlands ist seit 1972 suspendiert. Weitere, nicht im Parlament vertretene Parteien sind die Kommunistische Partei und die Partei der Grünen. In den Parlamentswahlen von 1997 errangen die kleinen Parteien insgesamt fast 26,2 Prozent (davon 16,7 Prozent für die Liberaldemokraten) der Stimmen, erhielten jedoch infolge des britischen Mehrheitswahlrechtes, bei dem nur der jeweilige Sieger eines Wahlkreises einen Sitz erhält, nur 75 von insgesamt 651 Sitzen im Unterhaus. Die Konservativen hingegen verloren über 11 Prozent im Vergleich zur Wahl von 1992 und erlitten ihre schwerste Niederlage seit 1832: Sie erhielten nur noch 30,6 Prozent der Stimmen und 165 Sitze im Parlament, Labour dagegen erzielte mit 43,2 Prozent der Stimmen das bisher beste Wahlergebnis für die Partei und 419 Sitze. Diese Diskrepanz zwischen dem Rückhalt der kleinen Parteien in der Bevölkerung und ihrer Repräsentation im Parlament hat inzwischen Forderungen nach der Einführung eines Verhältniswahlrechtes laut werden lassen, die vor allem von den Liberal-Demokraten mit Nachdruck vertreten werden.
Für den Schutz der Tierwelt ist in erster Linie der Wildlife and Countryside Act, ein Gesetz von 1981, maßgeblich. Es wurden Programme zum Erhalt bedrohter Arten, beispielsweise der Schlafmaus und einer selten gewordenen Spinnenart in den Fens, gefördert. Anfang der neunziger Jahre existierten im Vereinigten Königreich über 340 staatlich unterhaltene Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 190 000 Hektar sowie über 2 000 von anderen Organisationen eingerichtete Reservate. Zu diesen Organisationen zählt auch die Königliche Vereinigung zum Schutz von Vögeln (Royal Society for the Protection of Birds), Europas größte gemeinnützige Artenschutzinstitution.
Die Vereinigung
Eine Grundlage des britischen Sicherheitssystems ist die Mitgliedschaft in der NATO (North Atlantic Treaty Organization: Nordatlantischer Verteidigungspakt). Das Vereinigte Königreich leistet einen bedeutenden Beitrag zur Verteidigungspolitik der NATO. Die Verteidigungspolitik des Königreiches wird vom Ausschuss für Verteidigung und Außenpolitik beschlossen. Er wird geleitet vom Premierminister und schließt die Minister für Verteidigung, Außenpolitik und Innenpolitik mit ein. 1964 wurden die drei Waffengattungen der Streitkräfte zusammen dem neu geschaffenen Amt des Staatsekretärs für Verteidigung unterstellt. Der Verteidigungsrat, zu dem der Staatssekretär für Verteidigung, die Stabschefs der drei Waffengattungen, der oberste wissenschaftliche Berater für Verteidigungsfragen und der ständige Unterstaatssekretär für Verteidigung gehören, besitzt die Befehlsgewalt und die Oberaufsicht über die Verwaltung der Streitkräfte. Seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts und der Beendigung des Kalten Krieges zwischen den weltpolitischen Machtblöcken wurde die Verteidigungspolitik neuen Richtlinien unterstellt und die Stärke der Streitkräfte deutlich reduziert.
Der Verteidigungsrat nimmt seine Oberaufsicht durch eine Armeebehörde wahr, die sich aus zivilen und dem Militär angehörenden Mitgliedern zusammensetzt. Die aktiven Streitkräfte selbst werden von freiwilligen Berufssoldaten, die sich im Allgemeinen für 22 Jahre verpflichten, gebildet (113 950 Mann). Seit 1972 besteht jedoch auch die Möglichkeit, sich nur für drei Jahre zu verpflichten. Eine Reservearmee aus Zivilisten, die so genannte Territorial Army, verfügt über mehr als 70 000 Mann und kann in Krisensituationen entsandt werden. Nordirland besitzt eine gesonderte, 6 200 Mann starke Reservearmee, das Ulster Defence Regiment, das die regulären Streitkräfte zeitweise unterstützt.
Die Marine (Royal Navy) wird vom Marineministerium, das dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht, geleitet. 1993 und 1994 wurden im Bereich des Marinepersonals und -inventars umfangreiche Kürzungen, Änderungen und Rationalisierungen durchgeführt, die auch die Größe der Flotte betrafen. 1999 umfasste die Marine 43 770 Soldaten.
Die Luftwaffe wurde 1912 gegründet. 1914 wurde die Abteilung des Seeflugwesens als eigenständige Division etabliert, und 1918 wurden beide Abteilungen zur heutigen Royal Air Force (RAF) vereinigt. Seit 1964 untersteht die Luftwaffe dem Verteidigungsministerium. Die Verwaltung obliegt der Luftwaffenbehörde, die ihrerseits dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht. Die 54 730 Soldaten umfassende Luftwaffe verfügt über eigene Sektionen für das In- und Ausland. Die Luftwaffeneinheit für Frauen wurde 1994 in die Royal Air Force eingegliedert.
1999 waren noch über 55 000 britische Soldaten im Ausland stationiert. Kontingente bestehen in Deutschland, im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina, in Zypern, in Brunei, auf den Falkland-Inseln, in Gibraltar und in Belize.
Die Wirtschaft
Die Wirtschaft Großbritanniens wird in erster Linie von der Dienstleistungsbranche und der verarbeitenden Industrie dominiert. Das Königreich zählt zu den führenden Industrienationen der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 1 442 Milliarden US-Dollar (1999). Davon entfielen 73,7 Prozent auf den Dienstleistungssektor, 25,2 Prozent auf die Industrie und 1 Prozent auf die Landwirtschaft. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt errechnet sich zu 24 230 US-Dollar. Großbritannien ist Mitglied der Europäischen Union.
Die Struktur des Arbeitsmarktes hat sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt. 72 Prozent der Angestellten sind heute in der Dienstleistungsbranche tätig, im Jahr 1955 waren es nur rund ein Drittel. Die verarbeitende Industrie, 1955 mit 42 Prozent der Beschäftigten noch der größte Arbeitgeber, bietet heute nur noch 27 Prozent eine Beschäftigung. Seit Mitte der fünfziger Jahre hat die Zahl der Frauen, die einer Beschäftigung außer Haus nachgehen, deutlich zugenommen. Heute beträgt der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung 43,9 Prozent (1999). Jüngere Entwicklungen sind beispielsweise die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigungen und eine Zunahme an zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen anstelle einer dauerhaften Anstellung.
Nach offiziellen Zahlen lag die Arbeitslosigkeit 1994 noch bei über 2,6 Millionen Arbeitslosen oder 9,2 Prozent aller Erwerbstätigen. Dies bedeutete jedoch immerhin einen Rückgang gegenüber der Höchstzahl von drei Millionen Arbeitslosen während der Rezession in den späten achtziger Jahren. Die Arbeitslosenquote variierte je nach Region beträchtlich; so lag sie beispielsweise in East Anglia bei 7,1 Prozent und in Nordirland bei 13 Prozent. 1998 betrug sie im landesweiten Durchschnitt 6,1 Prozent.
Der Warenhandel macht nur einen Teil des britischen Gesamthandels aus. Der Dienstleistungssektor, einschließlich Finanzdienstleistungen und Tourismus, Einkünfte aus Kapitaleinlagen und weitere immaterielle Werte, die auch als unsichtbare Einkünfte bezeichnet werden, sind für die britische Wirtschaft ebenso wichtig wie der Handel mit materiellen Gütern. Bei den Einkünften aus Dienstleistungen gehört das Vereinigte Königreich zu den drei weltweit führenden Staaten; sein Anteil am gesamten internationalen Dienstleistungssektor beträgt 5 Prozent, der Anteil an Kapitaleinkünften 14 Prozent.
Der Einfluss der Gewerkschaften im Vereinigten Königreich nahm seit 1980 dramatisch ab. Der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich des Rückgangs bei der verarbeitenden Industrie und der Zunahme an Teilzeitbeschäftigungen haben die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sinken lassen. Mitte der neunziger Jahre hatten die 287 Einzelgewerkschaften, die dem Gewerkschaftsverband (Trades Union Congress) angehören, noch neun Millionen Mitglieder, was 35 Prozent der Beschäftigten entspricht. Darüber hinaus wurde die Macht der Gewerkschaften auch durch die seit 1980 von der Tory-Regierung verabschiedeten Gesetze stark beschnitten; danach muss nun jeder Streik vorher durch eine geheime Abstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern gebilligt werden. Auch die Beschaffung von Geldmitteln seitens der Parteien wurde gesetzlich neu geregelt. Nach dem Regierungswechsel 1997 zugunsten der Labour Party versprechen sich die Gewerkschaften Großbritanniens günstigere Bedingungen.
Die Industrie
Etwa ein Drittel (um 30 Prozent) aller Erwerbstätigen im Vereinigten Königreich sind heute in der verarbeitenden Industrie beschäftigt. Maschinen- und Fahrzeugbau bilden eine wichtige Grundlage für Großbritanniens Export; allein für das Segment Maschinen und Transportausrüstungen lag der Anteil am Gesamtexport 1997 bei 46 Prozent. Die Nichteisenmetallindustrie Großbritanniens gehört zu den bedeutendsten Europas. In der Eisen- und Stahlindustrie, dem Schiffbau und der Luftfahrtindustrie sind viele der verstaatlichten Betriebe mittlerweile wieder ganz oder teilweise privatisiert worden. Einige traditionelle Industriezweige wie beispielsweise die Textil- und Bekleidungsindustrie haben ihre frühere wirtschaftliche Bedeutung verloren. Dagegen gelten die elektrotechnische- und Elektronikindustrie sowie die chemische und pharmazeutische Industrie als Wachstumsbranchen. Gemessen an den erzielten Einkünften sind die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, die Baustoffherstellung, die Glas- und Keramikindustrie sowie der Tourismus ebenfalls wichtig.
In Schottland und Nordirland besitzen Whiskyherstellung und Textilproduktion, vor allem Tweed und Leinen, eine lange Tradition. Heute ist Schottland aber auch innerhalb des Vereinigten Königreiches führend in der Computerherstellung. Die traditionellen Industrieregionen Englands sind z. B. Greater London und die städtischen Ballungsräume (mit Grafschaftsstatus) Greater Manchester, West Midlands (Birmingham), South Yorkshire und Tyne and Wear.
Der Tourismus
Die Tourismusbranche beschäftigt 7 Prozent aller Erwerbstätigen und trägt Einnahmen von etwa 20 Milliarden US-Dollar jährlich zur Gesamtwirtschaft bei. Das Vereinigte Königreich zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen der Welt. 1999 zog es rund 25,7 Millionen Besucher aus dem Ausland an. Mit dem Tourismusförderungsgesetz von 1969 wurde die British Tourist Authority (Britische Fremdenverkehrszentrale) gegründet. Diese staatliche Organisation ist für die Öffentlichkeitsarbeit und die Verbesserung des Unterkunfts- und Transportangebots für Touristen zuständig.
Energie
Großbritannien besitzt die umfangreichsten Rohstoffe aller EU-Länder und ist darüber hinaus ein weltweit bedeutender Erdöl- und Erdgaslieferant. Weitere wichtige Energiequellen sind Kohle und Kernenergie. Wasserkraft war in der Frühphase der Industrialisierung die Hauptenergiequelle, spielt aber heute abgesehen von einigen Wasserkraftwerken in Schottland kaum noch eine Rolle. Die Entwicklung alternativer Energien befindet sich noch in den Anfängen, vor allem der Bau so genannter Windfarmen in Gebieten Nord- und Südwestenglands, in Wales und in Schottland. 69,38 Prozent der benötigten Energie erzeugten 1999 Wärmekraftwerke, 26,68 Prozent stammen aus Kernkraftwerken und gut 1,55 Prozent aus Wasserkraftwerken. Die Jahresgesamtproduktion für 1999 betrug 342,8 Milliarden Kilowattstunden. Davon gingen 36 Prozent in private Haushalte, 34 Prozent benötigte die Industrie. Die Elektrizitätsindustrie wurde 1989 privatisiert.
Das Vereinigte Königreich gehörte zu den ersten Staaten, die Kernkraftwerke zur Stromerzeugung einsetzten. Das erste große, kommerziell genutzte Atomkraftwerk der Welt, das Kraftwerk Calder Hall in Cumberland, ging 1956 in Betrieb. In der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield ereigneten sich eine Reihe von Störfällen, die die Umwelt erheblich belasteten und heftige Kritik auslösten. Dennoch lieferte die Atomenergie immerhin knapp ein Drittel des Stromes im Vereinigten Königreich.
Die Geschichte
Das Königreich Großbritannien entstand im Jahr 1707 durch die Vereinigung des englischen und schottischen Parlaments (siehe Act of Union: Vereinigung Englands und Schottlands). England, einschließlich des im 14. Jahrhundert annektierten und im 16. Jahrhundert per Gesetz an England angeschlossenen Fürstentums Wales, und Schottland waren seit dem frühen Mittelalter getrennte Königreiche. Ab 1603, nach dem Tod von Königin Elisabeth I., wurden beide Länder in Personalunion vom selben König regiert, erhielten jedoch erst 1707 eine gemeinsame gesetzgebende Versammlung. London wurde zur Hauptstadt des gesamten Inselreiches. Damit verfügte Großbritannien von nun an nicht nur über ein gemeinsames Parlament, sondern auch über ein gemeinsames, landesweites Verwaltungssystem, einheitliche Besteuerung und ein einheitliches Maß- und Gewichtssystem. Alle Zollgrenzen innerhalb des Landes wurden aufgehoben. England und Schottland behielten jedoch weiterhin getrennte Gerichtssysteme und Staatskirchen, die presbyterianische Kirche in Schottland und die anglikanische Kirche in England und Wales.
1997 sprach sich die Bevölkerung Schottlands und Wales jedoch in einem Referendum jeweils für größere Souveränität aus. In Schottland wurde die Einführung eines eigenen Parlaments beschlossen. Es verfügt über begrenzte Steuerhoheit und ist mit Befugnissen in den Bereichen Kommunalverwaltung, Gesundheit und Soziales, Wohnungsbau und Verkehr, Landwirtschaft sowie Sport und Kultur ausgestattet. Die ersten Wahlen zum schottischen Parlament fanden 1999 statt. In Wales votierte lediglich eine knappe Mehrheit für ein Regionalparlament, das keine eigenen Gesetze verabschiedet, sondern vor allem das Ministerium in Wales kontrollieret, das es auch in den Bereichen der Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungspolitik berät. Wales entsendet 38 Abgeordnete ins britische Unterhaus.
Zur Geschichte Großbritanniens vor 1707 siehe Britannien, in der Frühgeschichte; England; Schottland; Wales.
Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft
Die Krise in der Landwirtschaft, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Irland zu sozialen Unruhen führte, wirkte sich auch auf die Landwirtschaft Großbritianniens und den Wohlstand der Landbesitzer aus. Auf den Wirtschaftsboom der hochviktorianischen Zeit folgte eine Periode der Deflation, fallender Löhne und phasenweise weit verbreiteter Arbeitslosigkeit. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Deutschland überholten das Vereinigte Königreich in der Stahlproduktion und in der Herstellung anderer Güter. Das Königreich blieb jedoch noch weltweit führend im Schiffbau, in der Spedition und im Finanzwesen, und die Mehrheit der Briten konnte eine wachsende Kaufkraft verzeichnen. Die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften nahm kontinuierlich zu, und es gab unübersehbare Bemühungen, auch die angelernten Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren. Der Streik der Londoner Hafenarbeiter 1889 war ein Ergebnis solcher Bemühungen. Sozialforscher ebenso wie bekennende Sozialisten machten auf die grassierende Armut etwa in den Slums Londons und anderer Großstädte aufmerksam. Sowohl die Regierung als auch freiwillige Vereinigungen waren nun gefordert, das soziale Elend zu bekämpfen. Obwohl zahlreiche Bürger des Vereinigten Königreiches in überseeische britische Kolonien und in die USA auswanderten (während der achtziger Jahre des Jahrhunderts mehr als 200 000 Menschen), verdoppelte sich die Bevölkerung von England und Wales zwischen 1851 und 1911 auf nun über 36 Millionen Einwohner. In Schottland war die Bevölkerung in diesem Zeitraum um über 60 Prozent auf fast fünf Millionen angewachsen. In Irland hingegen war infolge der Auswanderung, die dort das größte Ausmaß zeigte, die Bevölkerungszahl um zwei Millionen gesunken; zwischen 1847 und 1861, in der Zeit, die auf die Hungersnot folgte, traten über zwei Millionen Iren die Reise über den Atlantik in die Vereinigten Staaten an. Sowohl die Sterbe- als auch die Geburtenrate im Vereinigten Königreich ging etwas zurück. Ein Reihe von Gesetzesänderungen verschaffte einer winzigen Minderheit von Frauen die Möglichkeit, eine Universität zu besuchen und bei Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben, sowie das Recht, auch innerhalb eines Ehebündnisses über ihr Eigentum selbst zu verfügen.
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