Der vierte Aufzug setzt im Gegensatz zum vorherigen Aufzug an der politischen
Peripherie des Geschehens ein.
Die umtriebe Frankreichs sind entdeckt. Burleigh entlarvt sowohl den
französischen Gesandten als auch das Doppelspiel Leicesters. Leicester, der sich
entlarvt sieht, verrät Mortimer, indem er ihn verhaften läßt. Mortimer entgeht
dem weiteren, indem er sich umbringt. Zum ersten Mal in diesem Drama zeigt eine
Person Erhabenheit über das Leben. Mortimer leistet hier, was Maria im fünften
Akt leisten wird: Sie enden als über das Leben Erhabene und himmlische
Verklärte.
Burleigh berichtet Elisabeth die Täuschung durch Leicester. Diese, nachdem sie
im dritten Aufzug wortlos abgegangen war, zeigt sich sehr erregt, mehr noch
durch den Betrug Leicesters als durch den Triumph Leicesters. Burleigh kennt
Elisabeths weibliche Schwäche, wenn er jede weitere Begegnung Elisabeths mit
Leicester verhindern will.
Burleighs Ahnung erfüllt sich auch. Leicester gelingt es, zu Elisabeth zu
kommen, der seine Stellung im Herzen Elisabeths schamlos auszunutzen versteht.
Leicester erreicht in diesem Auftritt den ihm gemäßen Höhepunkt: Er spielt mit
Elisabeth um sein Leben, auf seine Weise. Er bringt die Verhaftung Mortimers vor
und gibt sogar Maria selbst preis, indem er für ihren Tod stimmt.
Nachdem Elisabeth nun schon zwei Beweggründe für die Hinrichtung hat (der Betrug
Leicesters, die Erniedrigung durch Maria), gesellt sich durch Burleighs
Vorschlag ein neuer hinzu: Leicester habe die Hinrichtung zu leiten. Elisabeth
sieht hierin einen Beweis, daß Leicester Maria nicht liebt.
Die Hinrichtung Marias scheint nun gesichert, doch Shrewsbury, der der Königin
zuvor beim Attentat das Leben gerettet hat, versucht auf geschickte Art und
Weise, die Vollstreckung zu verhindern, was ihm jedoch nicht gelingt.
Im Monolog Elisabeths macht Schiller deutlich, daß die Königin nur eine
Marionette seelischer und politischer Notwendigkeiten ist. Es ist ihr Schicksal,
dem sie erliegt, von dem sie sich jedoch durch Marias Hinrichtung zu befreien
versucht. Trotzdem zögert sie noch; sie ist nicht fähig, eine Entscheidung zu
treffen und versucht, sie auf Davison, einen Bediensteten, abzuschieben, dem die
Entscheidung obliegt, was mit dem unterschriebenen Urteil geschehen soll - bis
Burleigh ihm das Urteil entreißt und davoneilt.
\\\"Hier mangelt es völlig an dem großen Ernst des Rechts... Wo über ein Leben
entschieden wird, denkt jeder nur an sich und kämpft um den eigenen kleinen
Ehrgeiz rücksichts- und skrupellos, mit allen Mitteln, aber versteckt und ohne
Mut der Wahrheit. So Burleigh gegen Leicester, so mit wahrhaft abgründiger
Gemeinheit Leicester gegen Mortimer; dann folgt das Ringen der beiden ersten
Männer Englands um ihren Platz bei Elisabeth... Nicht um ihrer vorgeblichen
Verbrechen will, um Leicester willen muß Maria fallen. Vergeblich sind
Shrewsburys klare und überzeugende Worte, vergeblich, daß die Volkswut durch
seine Stimme sofort besänftigt wird. Trotz aller Angst um Ruf und Welt, der
einfache psychische Haß läßt sich nicht bändigen - Elisabeth unterschreibt.
Aber immer noch soll die Verantwortung abgeschoben werden. Dem armen ratlosen
Davison bürdet sie die Entscheidung auf. Diesem entreißt Burleigh das Dokument,
- nicht um England zu retten, sondern damit endlich sein Plan vollzogen wird.
Läge in dem allen der Nachdruck auf dem äußeren Geschehen, so wäre es ein
verletzendes Intrigenspiel.
Aber jeder Satz ist getränkt in der Ironie der tragischen Verdeutlichung des
Lebens. Hier ist die Tragödie in Wahrheit das große Gericht über Welt und
Menschen.\\\" (Eugen Kühnemann)
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