In dem Artikel "Verzerrtes Weltbild" aus der Stuttgarter Zeitung vom 05.09.1974 wird eine Kritik an unserer heutigen Gesellschaft und den Berichterstattungen deutlich. Im folgenden Eröterungstext werde ich auf die Maßstäbe eines Nachrichtenereignisses und dem Stellenwert der Medien in unserer heutigen Gesellschaft näher eingehen.
Der Aufgabenbereich der Medien ist sehr umfangreich und umfasst die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte. In dem Zeitungsartikel wird die nach Sensationen suchende Mediengesellschaft und damit verbunden, das Individuum Mensch kritisiert. An den Beispielen aus dem Text ist dies gut erkennbar. "Ein Zug entgleist, ein Flugzeug stürzt ab" (Stuttgarter Zeitung: Verzerrtes Weltbild, 05.09.1974, Z.1) und die Berichterstatter sind sofort an der Unfallstätte. Alle Einzelheiten, Fotos und Berichte werden sofort ausgewertet und Spekulationen und Gerüchte geschürt. Diese Gegenüberstellungen sind kennzeichnend für die Schreibweise des Verfassers. Überall wo Kriege ausbrechen, Unruhen herrschen und Regierungen gestürzt werden (a. a. O. Z.6/7) scheut man keine Kosten, um die aktuellen Ereignisse in Bild und Ton wiederzugeben. Außer Acht lassen wir hierbei oft die erfolgreichen Landungen und glücklichen Ankünfte, die eine Vielzahl von Menschen gesund an ihr Ziel bringen. Dieser Werdegang vermittelt den Eindruck "einer immer chaotischer werdenden Welt" (a. a. O. Z.9/10). Den kleinen Dingen des Lebens, wie die persönlichen, liebevollen und familiären Angelegenheiten, wird jedoch niemals eine solche Bedeutung beigemessen. Hier wird die sarkastische und zynische Schreibweise des Autors und die damit verbundene Kritik, welche zum Nachdenken anregen soll, deutlich. Eine positive und erfreuliche Nachricht, wie das "Konzil der Jugend" (a. a. O. Z.20), die für Gerechtigkeit und Frieden eintreten wird keine große Beachtung geschenkt und als Nichtigkeit abgetan. Obwohl gerade Neuigkeiten dieser Art unser "verzerrtes Weltbild" (a. a. O. Z.25) wieder etwas zurechtrücken könnte.
Das große Medieninteresse ist aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht auch damit zu erklären, dass auf Katastrophen und Unfälle besonders viele Nachrichtenfaktoren zutreffen. Diese sind z.B. Außergewöhnlichkeit, Eindeutigkeit, Bedeutsamkeit, Überraschung und Negativität.
Die Medien sind zu aktuellen, wahrheitsgetreuen und sachlichen Informationen verpflichtet. Das Problem für einen Außenstehenden hierbei ist, dass man das Gesehene und Gehörte wahrnimmt und als Tatsache betrachtet. Viele Menschen nehmen dies als Wahrheit, ohne ein Anzeichen von Skepsis, hin. Natürlich gibt es Unterschiede in der Berichterstattung. Manche Zeitungen oder TV-Sender versuchen, trotz rationaler und den Hintergründen entsprechender Berichte, eine gewisse Ruhe und Entschlossenheit zum Zusammenhalt zu vermitteln. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Situation nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Dies wurde besonders in amerikanischen Medien deutlich. Hiermit sollte das National- und Einheitsgefühl des Volkes gestärkt werden. Andere wiederum stellen Prognosen und Vermutungen auf, welche die gesamte Weltbevölkerung in Angst und Schrecken versetzten. Einige Beispiele dafür waren, der nun folgende 3. Weltkrieg, der Zusammenbruch des Weltwirtschaftsmarktes und neue Terroranschläge auf der ganzen Welt.
Ein weiterer Aspekt ist die Medienfreiheit. Sind die Medien wirklich frei? Oder werden sie als eigentliche unabhängige, Instanz, dazu benutzt politische, Vorgehensweisen und Richtlinien zu rechtfertigen? Ich denke dabei nur an die Problematik des Irak Krieges. Hier wurden die Medien eindeutig seitens des Staates missbraucht, um die amerikanische Vorgehensweise zu rechfertigen. Wenn dem Nachrichtenkonsumenten tagtäglich gezeigt wird, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen und stelle eine Gefahr für die Weltbevölkerung dar, dann glaubt man es irgendwann und nimmt es als gegeben hin.
Oftmals ist es nur eine Suche nach dem besten Schnappschuss, der ereignisreichsten Story und den sensationsreichsten Themen, wie im Ausgangstext erkennbar ist.
Diesen Werdegang der Medien kann man aber nicht nur den Fotografen, Autoren, Berichterstattern oder Moderatoren anhängen. Der Mensch selbst als Konsument ist dafür verantwortlich. In unserer heutigen Gesellschaft, in der jeder nur auf den anderen schaut und sich nicht um sein eigenes, privates Leben kümmert, ist die Hetzjagd nach Affären, Sensationen und politischen Missgeschicken immer größer geworden. Die Problemstellungen fremder Menschen, z.B. Prominenter, Politiker und Sportler sind interessanter und für Diskussionen besser geschaffen als die eigenen und lenken oft auf unterhaltsame Art und Weise von ihnen ab.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nur den allgemeinen und sachlichen Neuigkeiten Aufmerksamkeit schenke. Das groß Geschriebene steht in unserer heutigen Gesellschaft nun einmal im Mittelpunkt. Die meisten Menschen erinnern sich einen Tag später nicht mehr an die Meldungen des letzten Tages, da es brandneue, aktuelle Informationen gibt. Der Mensch stumpft ab. Schlimme und schreckliche Bilder werden zwar wahrgenommen, zeigen aber beim Beobachter kaum noch Regung. Dies ist meiner Meinung nach das schlimmste Problem hierbei. Mitgefühl ist kaum noch vorhanden, da eine gewisse Distanz zu dem Gezeigten gewahrt wird.
Ein friedliches, familiäres und liebevolles Leben ist keine Zeile wert.
Aber warum ist dies so? Ist das alltägliche Leben einfach zu uninteressant, sogar langweilig geworden?
Leider kann ich diese Fragen nicht beantworten. Das muss wohl jeder Einzelne von uns selbst mit sich klären. Jeder sollte lernen kritisch mit dem Gezeigten umzugehen und sich die Zeit nehmen, das Wahrgenommene zu hinterfragen. Zum Glück haben wir als Menschen diese Gabe, Kritik zu üben und freie Meinungen zu äußern. Wir können uns anhand von mehreren Informationsquellen, die durchaus gegeben sind, eine etwas realistischere Sicht der Dinge erarbeiten. Diesen, manchmal etwas beschwerlicheren Weg, sollten wir versuchen des Öfteren zu gehen um unserer, "immer chaotischer werdende Welt" (a. a. O. Z.9/10), ein besseres Gesicht zu verschaffen.
|