Die Klassik nimmt die Forderung des "Sturm und Drang", dass jeder sich zu einer harmonischen Individualität entfalten muss, auf, erkennt dabei aber auch eine gesellschaftliche Ordnung an. Sie versucht harmonische Individualität und harmonisches Zusammenleben miteinander zu verbinden. Um dieses Ziel zu erreichen darf der Mensch aber nicht unterdrückt werden, sondern er muss das Maß und die Grenzen freiwillig anerkennen. Diese "doppelte Harmonie", ein Zustand, in dem die Idee des Menschen Gestalt annimmt, ist ein Ideal dem die Klassik entgegenstrebt. Die griechische Antike hatte das Leitbild der "doppelten Harmonie" schon in Kunst und Leben veranschaulicht. Deshalb ist das Studium der Griechen ein unverzichtbarer Teil der Bildung.
Jedoch war die doppelte Harmonie bei den Griechen noch Naturgabe, "(...) keine Frucht ethischer individueller Leistung." Der Mensch ist in der Lage diese Harmonie, nachdem sie verlorenging, durch Selbstbildung und Selbstzucht wiederzuerlangen. "Die Geschichte verläuft also im Dreischnitt: von naturgegebener Harmonie über ihren Verlust zu ihrer Neuerwerbung [.
..]." "[Um diese Aufgabe zu lösen muss man] sich soweit überwinden, dass [sich Neigung und Pflicht, Triebstruktur und Vernunft nicht mehr widersprechen]. Dies alles bezeichnet der Vertreter der Klassik als Humanität. Der Humanitätsgedanke verbindet das Schöne (doppelte Harmonie) mit dem Guten (moralische Leistung) und dem Wahren (die Idee des Menschen).
Winkelmann drückt in der von ihm geprägten Formel in seinem Aufsatz "Laokoon" "Edle Einfalt, Stille Größe" seine Überzeugung vom rechten Maß zwischen Körper und Geist, Physis und Psyche aus. "[Das] Idealbild ist also der in Harmonie von Körper und Geist, Denken und Fühlen ausgeglichene, innerlich freie Mensch, der in der Versöhnung zwischen Sinnlichkeit und Vernunft, Pflicht und Neigung in der "schönen Seele" seine Gestalt findet.
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