Fliedner, Theodor Pfarrer, Erneuerer des apostolischen Diakonissenamtes,* 21.1. 1800 als Pfarrerssohn in Eppstein (Taunus), † 4.10. 1864 in Kaiserswerth (Rhein).Seit 1822 wirkte F.
als Pfarrer in Kaiserswerth. Da die dortige Samtfabrik Bankrott machte, geriet die kleine reformierte Diasporagemeinde in größte Not. Darum begab sich F. auf Kollektenreisen durch das Bergische Land, nach Holland und England. Im Lauf von 14 Monaten brachte er die für den weiteren Bestand seiner Gemeinde nötigen Geldmittel zusammen. Gleichzeitig lernte er Männer und Frauen, Vereine und Anstalten christlicher Liebesarbeit kennen, u.
a. Elizabeth Fry (s. d.), die Bahnbrecherin der weiblichen Gefangenenfürsorge in England, und in holländischen Mennonitengemeinden das Diakonissenamt. Angeregt durch das Wirken der E. Fry, begann nun auch F.
seine Arbeit an den Gefangenen. Jeden zweiten Sonntag wanderte er drei Jahre hindurch nach Düsseldorf, um dort im Gefängnis die frohe Botschaft von dem Heiland der Sünder zu verkündigen. Am Sonntagabend und Montagmorgen sprach er dann seelsorgerlich mit den einzelnen Gefangenen. Damit begnügte sich F. nicht. Er besuchte die meisten Gefängnisse in Rheinland und Westfalen.
Die Gefangenen waren in engen, schmutzigen Räumen, oft in feuchten Kellern zusammengepfercht. Auch die halbwüchsigen Burschen, die wegen eines geringen Vergehens zum erstenmal ins Gefängnis gekommen waren, saßen mit alten abgefeimten Verbrechern zusammen; selbst Untersuchungsgefangene waren nicht von denen getrennt, die eine langjährige Strafe zu verbüßen hatten. Niemand dachte daran, durch geregelte Arbeit und strenge Aufsicht, durch Unterricht und Seelsorge auf die Gefangenen erzieherisch einzuwirken. F. gewann den Eindruck, daß die Gefängnisse und Zuchthäuser Hochschulen des Verbrechens und Lasters waren. Darum schaute er nach Hilfe aus und gründete am 18.
6. 1826 die »Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft«, die dafür sorgen sollte, daß die Gefangenen nach Alter und Art ihrer Verbrechen gesondert untergebracht und beschäftigt und Pfarrer und Lehrer für sie angestellt würden. Auch sollte diese Gesellschaft, die staatliche Genehmigung und Unterstützung fand, um die Betreuung der Strafentlassenen bemüht sein. Für besonders notwendig hielt man die Gründung eines Heims für weibliche Strafentlassene. F. erklärte sich dazu bereit und nahm am 17.
9. 1833 eine aus dem Zuchthaus in Werden Entlassene vorläufig in sein Gartenhaus auf.F.s Bedeutung liegt jedoch auf einem anderen Gebiet, auf dem der weiblichen Diakonie. Durch seine Hausbesuche und Reisen kannte er die Not der Kranken. In vielen Städten gab es keine Krankenhäuser, und die Pflege der Kranken in den Anstalten der Großstädte war schlecht.
F. kam der Gedanke, es müssten junge Mädchen gefunden werden, die sich der Armen und Kranken in dienender Liebe annahmen, wie es einst die Diakonissen der ersten Christenheit getan hatten. Darum ging er zu den Amtsbrüdern in Düsseldorf, Elberfeld, Barmen und Mettmann und bat sie, eine Anstalt zu gründen, in der junge Mädchen auf den Beruf der Krankenpflege und den Dienst in der Gemeinde ausgebildet würden. Sie lehnten alle ab und erklärten ihm, er solle die Sache nur frisch in die Hand nehmen, da er bei seiner Gemeinde von 200 Seelen die Zeit dazu habe und die Stille des abgelegenen Kaiserswerth für eine solche Anstalt besonders günstig sei. Nun schaute sich Fliedner mit seiner Gattin (s. Münster, Friederike) in der Stille um nach einem für ein Hospital geeigneten Haus.
Da wurde auf einmal das größte und schönste Haus in Kaiserswerth für 2300 Taler zum Kauf angeboten. F. kaufte es am 20.4. 1836, ohne zu wissen, woher er die Summe, die am 11.11.
1836 bezahlt werden sollte, erhalten werde. Sein Glaube aber wurde nicht zuschanden; rechtzeitig war das Geld da. Dann gründete F. den »Rheinisch-Westfälischen Diakonissenverein«, dessen Statuten am 30.5. 1836 in Düsseldorf unterzeichnet wurden.
Bei der Verwirklichung seiner Pläne stieß F. auf viel Widerstand seitens der katholischen Bevölkerung, fand aber auch auf evangelischer Seite wenig Verständnis und Unterstützung. Die größte Schwierigkeit jedoch war, geeignete Kräfte für den Diakonissenberuf zu gewinnen. Am 13.10. 1836 eröffnete F.
in aller Dürftigkeit das Diakonissenhaus und nahm drei Tage später als die erste Kranke eine katholische Magd auf. Am 20.10. trat die 48jährige Gertrud Reichardt (s. d.) als die erste Diakonisse ein.
Nach l4jähriger Ehe verlor F. 1842 seine Gattin durch den Tod; aber Gott gab ihm ein Jahr später in Karoline Bertheau (s. d.) eine Lebensgefährtin und Mitarbeiterin und seinen verwaisten Kindern und Schwestern eine neue Mutter. Um sich dem wachsenden Diakonissenwerk ganz widmen zu können, legte F. 1849 sein Pfarramt nieder.
Er reiste nach Nordamerika, Jerusalem und Konstantinopel, nach England, Frankreich und der Schweiz und gründete Stationen des -Kaiserswerther Mutterhauses oder regte die Gründung neuer Diakonissenhäuser an. Als F. nach jahrelangem Lungenleiden starb, gab es 30 Diakonissenhäuser mit 1600 Diakonissen. 425 davon gehörten dem Kaiserswerther Mutterhaus an und arbeiteten auf mehr als 100 Stationen in vier Weltteilen.
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