Die Erzählzeit ist ausschließlich Präsens, die Sätze sind meist kurz und prägnant. Verschiedenartigste Wirklichkeitsfetzen wie Zeitungsausschnitten oder Schlachthausstatistiken bringen dem Leser die Hast und die Unruhe der Stadt näher. Durch das Eingliedern dieser Elemente entstehen oft starke Kontrastwirkungen, woraus sich später Surrealismus und Dadaismus entwickeln.
Häufige Verwendung des Dialogs und inneren Monologs, nicht nur zwischen Menschen , sondern auch zwischen Menschen und unbelebten Gegenständen. Der improvisierte Satzbau der Umgangssprache wird auch in den gewöhnlichen Satz übernommen. Die Sprache ist oftmals Berliner Dialekt. Teilweise Fehler in der Zeichensetzung und der Rechtschreibung der mundartlichen Ausdrücke.
CHARAKTERISTIK
FRANZ BIBERKOPF
Franz Biberkopf ist 1,80 groß und kräftig gebaut. Zeitweise ist er fast zwei Zentner schwer und Mitglied eines Athletenklubs. Vor seiner Inhaftierung war er als Zement- und Möbeltransportarbeiter tätig. Er ist ein grober Mann und hat ein abstoßendes Äußeres.
Überwiegend wird der Charakter des Helden positiv gezeichnet. Immer wieder gilt Franz als gutmütig, treuherzig, friedfertig und naiv. Ein Charakterzug, der besonders auffällt, ist die Treue, die Franz seinen Freunden hält. Gegenüber Reinhold steigert sie sich allerdings zu blinder Ergebenheit.
Schon im Vorwort ist jedoch von einer negativen Entwicklung die Rede, die als hochmütig und ahnungslos, frech, dabei feige und voller Schwäche umschrieben wird.
Er prahlt gern vor seinen Freunden, zugleich hat er Angst, seine Freunde könnten ihn verspotten, wenn ihm etwas Unangenehmes passiert ist. Franz rappelt sich zwar immer wieder auf, gelegentlich zeigt er aber doch auch Selbstmitleid. Sein größtes Problem ist der Alkohol.
Mann kann sich gut vorstellen, daß ein Mensch wie Franz wirklich gelebt hat.
REINHOLD
Reinhold wird vielfach als Gegenbild zu Franz gezeichnet. Er ist nicht dick, sondern schlank. Während Franz' Nase dick und rot sein kann, ist die von Reinhold kurz, stumpf, sachlich aufgesetzt. Statt Bier trinkt Reinhold zunächst nur nichtalkoholische Getränke wie Kaffee. Er hat nicht helle sondern dunkle Augen. Reinhold wird im Allgemeinen als sehr schweigsam und verschlossen beschrieben.
Wie Franz handelt auch Reinhold häufig aus dem Affekt heraus. Zum Beispiel hat er nicht geplant, Franz unter das Auto zu werfen. An jenem Tag ändert sich auch sein Wesen schlagartig, der Kontrast zu Franz wird deutlicher.
INTERPRETATION
Berlin Alexanderplatz (1929) gilt als der bedeutendste Großstadtroman der deutschsprachigen Literatur und zugleich als Döblins Hauptwerk.
Bei der Lektüre des Romans fällt auf, daß immer wieder Geschichten erzählt werden, die nicht unmittelbar zur Haupthandlung gehören, aber auch nicht zur Darstellung Berlins beitragen. Häufig stammen sie aus der griechischen Mythologie oder aus dem Alten Testament. Sie dienen in der Regel als Parallel- und Kontrastgeschichten.
Der Roman ist ein hervorragendes Zeitgeschichtliches Dokument. Gerade der Konflikt zwischen Nationalisten und den Kommunisten wird in einigen Passagen sehr deutlich. Ob er jedoch als gesellschaftskritischer Roman zu betrachten ist scheint sehr fraglich, da Franz nach einer Konfrontation mit beklagenswerten sozialen Verhältnissen, durch einen Läuterungsprozeß, letztlich ein positives Ende nimmt.
Bibel und christliche Kultur sind, wie bereits erwähnt, von Anfang an durch Anspielungen und Zitate präsent. Der Roman beschränkt sich aber nicht darauf, die Geschichte Biberkopfs mit biblischen Motiven zu untermalen. Franz wird solange in vielfältiger Weise auf Gott aufmerksam gemacht, bis es zu einer Art Bekehrung kommt. Auch das Gefängnis kann in einen christlichen Deutungssatz einbezogen werden. Es ist der paradiesische Ort, an dem der Mensch in einer vorgegebenen Ordnung unbekümmert leben kann, ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Immer wenn Franz mit dem Leben außerhalb der Gefängnismauer nicht mehr klarkommt, zieht es ihn zum Gefängnis zurück.
Das Irrationale zieht sich unter immer neuen Bezeichnungen (Schicksal, Leben, dunkle Macht,...) durch den Roman. Franz muß gegen die dunkle Macht ankämpfen ohne sie zu sehen. Bereits im Vorwort heißt es, etwas das wie ein Schicksal aussieht sei daran schuld, daß Franz nicht anständig bleiben kann. Erst als sich Franz der finsteren Macht wirklich stellt, kann er sie auch überwinden. Nur wer das Schicksal nicht mehr als übernatürliche Macht verehrt, vermag es zu zerstören.
Am Ende des Romans entpuppt sich die dunkle Macht als Tod. Entscheidend ist, daß der Tod als positive Größe dargestellt wird. Er klärt Franz über seine Irrtümer, seinen Hochmut und seine Unwissenheit auf. Erst durch diese Einsicht gelingt es ihm ein neues Leben zu beginnen.
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