a) Siggi Jepsen
Siggi Jepsen, 1933 im Jahr der Machtergreifung durch die Nazis geboren, erzählt seine eigene Geschichte. Er wird in Begegnungen und Erlebnissen, mitunter aus Verstecken, durch Fenster und Schlüssellöcher zum Beobachter und Zeugen seiner Zeit, die er von seinem 10. Lebensjahr an intensiv erlebt und die er kurz vor seinem 21. Geburtstag erinnert und zu begreifen beginnt. In der Strafarbeit behandelt er das gestellte Thema im Rückblick auf Selbsterlebtes, indem er nicht die Freuden, sondern die Leiden und Opfer der Pflicht darstellt. Erst jetzt überwindet er die Zwangsneurose, ständig angeblich gefährdete Bilder in Sicherheit bringen zu müssen. Die Mühle, die er seinerzeit als Versteck gewählt hatte, ist längst abgebrannt. Es ist ihm auferlegt die damals verbrannten Bilder als deren Sinndeutung nachzuschaffen. In dem Maße, wie ihm dies gelingt, befreit er sich von den Obsessionen des Vergangenen, indem er persönlich durchdringt. Reif wird Siggi, als er beginnt die passive Rolle des Danebenstehenden aufzugeben. Ausdrücklich erkennt der Anstaltswärter Joswig die vollzogene Reifung an.
[ Er legte mir die Hand auf die Schulter, tätschelte meine Schulter mit nachsichtiger Anerkennung und sagte:"An deinen Worten merkt man, daß du volljährig geworden bist." Er gab mir offiziell Raucherlaubnis für den Rest des Tages, knuffte mich zum Abschied leicht am Hinterkopf.]
Am Ende wird Siggi aus dem abgeschlossenem Erinnerungsraum, in dem er sich in sich selbst versenkte, entlassen.
b) Polizeiposten Jepsen
Er ist der uniformierte Staatsbürger, pflichtbewußt, gehorsam bis zur Selbstaufgabe, loyal bis zur Menschenverachtung. Befehl ist für ihn Befehl.
[ "Ich tu nur meine Pflicht."] ist der Leitsatz seines Handelns.
[...ich frage nicht, was einer gewinnt dabei, wenn einer seine Pflicht tut, ob es einem nützt oder so. Wo kämen wir hin, wenn wir uns bei allem fragten: und was kommt danach? Seine Pflicht, die kann man doch nicht nach Laune tun...]
Über Generationen eingeschliffen, ist das preußische Vermächtnis, aufopferungsvoll seine Pflicht zu tun, zum Kadavergehorsam verkommen, der den unaufhaltsamen Anstieg des deutschen Faschismus erst ermöglichte. Vielsagend heißt es: [ Die Hände meines Vaters hingen schlaff und bereit an der Hosennaht, zwei gehorsame Wesen.]
Für den Polizeiposten ist das verhängte Malverbot unumstößliches Gesetz, dessen Einhaltung er, ungeachtet persönlicher Beziehungen, zu überwachen hat. Ein eigenes Urteil ist im Dienstreglement nicht vorgesehen. Die eingebleute Pflichtausübung überdauert noch den Zusammenbruch des Faschismus. Auch nach 1945 fährt der Polizeiposten fort, den Bildern nachzustellen.
Der Polizeiposten ist der Typus des deutschen Kleinbürgers mit dem starken Bedürfnis, seine Leitbilder in einer Sphäre zu suchen, die seine eigene enge Welt übersteigen.
c) Der Maler
Er ist der Gegenspieler des Polizeiposten. Der Maler wohnt draußen auf Bleekenwarf. Schon der abseits gelegene Ort enthebt den genialen Künstler allem Provinziellen.
Deutlich erkennbar ist in der fiktiven Gestalt der 1867 im nordschleswigschen Nolde als Hansen geborene Emil Nolde, der expressionistische Maler, der in Paris, München und Berlin als bedeutender Künstler hervorgetreten und anerkannt war, 1913 eine Reise nach Neu-Guinea unternommen hatte und sich 1927 mit seiner Frau in Seebüll ansiedelte, wo er auf der leeren Warft ein Haus baute. Im Jahr 1914 erhielt er Berufsverbot. Zugleich wurden 54 eingesandte Bilder beschlagnahmt. Nolde galt fortan als entartet. Während des allerdings sehr großzügig überwachten Malverbots entstanden Aquarelle auf Japanpapier. Nolde starb 1956.
Die beiden Vornamen im Roman verweisen auf die Maler Max Beckmann und auf Ernst Ludwig Kirchner. Die Anspielung auf die beiden herausragenden Expressionisten hebt die allgemeine Situation der Kunst im Faschismus um so deutlicher hervor.
Nansen setzt gegen den blinden staatsbürgerlichen Gehorsam das eigene kritische Urteil: [ ...es kotzt mich an, wenn ihr von Pflicht redet. Wenn ihr von Pflicht redet, müssen sich andere auf was gefaßt machen.]
[...wenn du glaubst, daß man seine Pflicht tun muß, dann sage ich dir das Gegenteil: man muß etwas tun, das gegen die Pflicht verstößt. Pflicht, das ist für mich nur blinde Anmaßung.]
Allein entscheidend ist das Gewissen des einzelnen für sein Tun. Wahre Pflicht ist der innere Auftrag, seiner Bestimmung treu zu bleiben, weiterzumalen trotz des Malverbots. Jede Abweichung bedeutet Verrat am eigenen Selbst. In seiner Kunst wie in seinem Handeln im Alltag dient Nansen dem Leben. Er war es, der seinen Jugendfreund Jens Ole Jepsen vor dem Ertrinken rettete, er ist es auch, der dessen desertierten Sohn Klaas vorübergehend bei sich aufnimmt.
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