3.1. Die Mäeutik
Sokrates verstand seine Philosophie als Mäeutik, die auch Hebammenkunst genannt wird. Denn er wollte seine Zuhörer nicht von seinen Einstellungen überzeugen, sondern ihnen Helfen, selbst die Einsicht und Selbsterkenntnis zu finden und er wollte diese Menschen dazu bringen, selbst nach der Wahrheit zu suchen.
3.2. Das Universale
Sokrates versuchte die Begriffe Tapferkeit, Wahrheit, Frömmigkeit, Gerechtigkeit, die Tugend und vor allem das Schöne und das Gute zu ergründen. Habe man nämlich einmal das wirklich Gute gefunden, wäre man nicht mehr imstande, Böses oder Ungerechtes zu tun.
Sokrates galt als immer optimistisch. Seiner Meinung nach könnte niemand, der weiß, was eine schlechte Handlung ist, solch eine auch vollstrecken. Und er hielt es für unmöglich, glücklich zu werden, wenn man gegen seine eigene Überzeugung vorgehe.
3.3. Die sokratische Ironie
Die Ironie, griech. die eironeia, ist ein weiteres Hilfsmittel Sokrates gewesen. Er verstellte sich absichtlich und benahm sich so, als hätte er nicht verstanden, was sein Gesprächspartner gemeint hatte. Dies führte dazu, dass sie sich selbst widersprachen und am Ende erkennen mussten, dass ihre zuvor vertretene Meinung nicht die vollkommen richtige oder falsche gewesen ist.
Ihm war aber auch klar geworden, dass es tatsächlich ein paar Dinge gab, die er über das Leben und die Welt nicht verstand und nicht wusste. Diese formulierte er in seinem bekannten Satz: "Ich weiß, dass ich nichts weiß!"
Mit einem weiteren Ausspruch bestätigte er sich selbst, dass er der Klügste sei, obwohl er sich eingestanden hatte, dass er nichts wusste. "Die Klügste ist die, die weiß, dass sie nichts weiß". Selbst das zu dieser Zeit als allwissende geltende Orakel Delphi bestätigte ihm das.
3.4. Die zwiegespaltene Persönlichkeit
Trotz seiner schon erwähnten Hilfsbereitschaft und Tapferkeit vernachlässigte Sokrates oftmals seine Familie und seine Arbeit im Haus. Er kümmerte sich weder um seine Kinder noch um seinen eigentlichen Beruf als Steinmetz. Er folgte lieber ausschließlich seiner Berufung, der Philosophie.
Seine Prophezeiung an einen Heiratswilligen "Was du auch tust, du wirst es bereuen", lässt vermuten, dass seine Ehe nicht die glücklichste war.
In vielen Quellen wird berichtet, dass Xanthippe einen sehr tyrannisierenden Charakter gehabt haben soll, wodurch Sokrates seine Familie wohl oft gemieden hat. Seine Frau wollte ihn unbedingt von seiner Philosophie abbringen, da ihr seine Lebensart nicht gefiel. Doch sie erreichte nur, dass er immer mehr in seine Gedankenwelt abtauchte, und immer länger weg blieb, um mit Freunden zu diskutieren.
3.5. Seine philosophische Lehre
Sokrates ging davon aus, dass jeder Mensch aufgrund seiner Vernunft, die menschlich und naturgegeben ist, die Wahrheit verborgen in sich trage. Diese müsse nur "geboren" werden, weshalb Sokrates seine Lehre als Mäeutik, also Hebammenkunst, auffasste. Mit der Mäeutik wollte Sokrates den Menschen helfen, ihr "Ideenbaby" auf die Welt zu bringen. Durch das elenktische Verfahren, seinem Gesprächspartner so lange Fragen zu stellen, bis diesem klar wird, dass er nur "Scheinwissen" anwendet, diesen dann auf die Suche nach dem wahren Wissen zu schicken, versuchte Sokrates seinen Mitbürger zur Besinnung auf das Wesentliche zu führen, vom Besonderen zum Allgemeinen zu kommen, um schließlich zur Wesensbestimmung zu gelangen.
Sokrates stellte die Frage nach dem Guten (agathon) und der Tugend (arete), die das richtige Handeln begründeten und schließlich die Glückseligkeit herbeiführen sollten. Diese Vollkommenheit könne aber erst nach erlangter Selbsterkenntnis eintreten, weshalb Sokrates forderte: "Erkenne Dich selbst!"
Jeder solle sich um seine Seele sorgen, sich also um die philosophische Einsicht in das Wesen der Tugenden bemühen, da nämlich das Gutsein des Menschen aus der Verfassung seiner Seele entspringe. Tugend sei Wissen und weil jeder zur Tugend geeignet, weil zur Erlangung der Weisheit befähigt sei, könne jeder lernen, gut und wissend zu werden und dieses theoretische Wissen in Form von sittlichem Handeln in die Praxis umzusetzen. Sokrates stellte sich gegen das Streben nach dem Materiellen, weil für ihn die Sorge um "äußere" (also materielle) Güter das Streben nach falschen Gütern war. Für ihn war die wesentlichste aller Aufgaben das Erkennen und Erlangen der Tauglichkeit und Tüchtigkeit (die spezifische arete) der menschlichen Seele, weil diese das Gute hervorbringe. Obgleich Sokrates überzeugt war von der Auffassung
"Niemand tut gegen besseren Wissens freiwillig Böses." , so war er doch der Meinung, dass sich die meisten Menschen aufgrund ihrer Unkenntnis über Gut und Böse im Irrtum über das Wesentliche des Lebens befänden und deshalb schlecht, weil nicht um die Seele sondern um Äußeres besorgt, handelten.
Und hier setzte Sokrates seine Mäeutik und Elenktik ein, brachte Scheinsicherheiten zum Einsturz und verhalf den Menschen zur Selbsterkenntnis, durch die sie sich schließlich Rechenschaft über ihr Leben ablegen konnten, was das Ziel des philosophischen Gespräches war. Für Sokrates war die Philosophie die Anwendung von Verstand und Vernunft, so dass auch sein Verständnis von Gerechtigkeit, Liebe, Tugend und Selbsterkenntnis rein rational war.
3.6. Die Art zu philosophieren
Sokrates pflegte es, auf öffentlichen Plätzen und Straßen Athens seinen Mitbürgern, insbesondere der vornehmen Jugend, seine Lehren zu vermitteln, was er aus seiner Überzeugung heraus und seiner pädagogischen Leidenschaft tat.
Auf Grund dieser Art zu philosophieren und seines Verständnisses der Philosophie hat Sokrates keine Schule gegründet.
3.7. Die Quellen seiner Philosophie
Sokrates selbst hat in seinem Leben keine Schriften verfasst. Unsere Kenntnis seiner Philosophie verdanken wir in erster Linie den Dialogen seines Schülers Platon (428 - 348 v.Chr.), dem heute jedoch nachgesagt wird, dass er Sokrates Namen für seine eigene Philosophie benutzte.
Neben Platon hielten die Dichter und Philosophen Xenophon (426 v.Chr - 355 v.Chr.), Aristoteles (384-322 v. Chr.), der Sokrates nur vom Hörensagen kannte, sowie Aristophanes (445 - 385 v.Chr.) sein Leben und seine Lehren schriftlich für die Nachwelt fest.
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