Geboren 1880 in Klagenfurt, gestorben 1942 in Genf in der Emigration hat in seinem "Curriculum Vitae" selbst seinen Lebensweg beschrieben:
Vater Alfred von Musil, altösterreichische Beamten-, Gelehrten-, Ingenieurs- und Offiziersfamilie; war lange Zeit Ordinarius an der Brünner Technischen Hochschule. Keine Geschwister. Bestimmt zum Offiziersberuf, entdeckt er beim Studium des Artilleriewesens seine technischen Fähigkeiten. Verläßt mit plötzlichem Entschluß die Militärschule. und studiert Maschinenbaum. 1902/03 Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart. Bleibt unbefriedigt und ergreift das Studium der Philosophie, vornehmlich Logik und experimentelle Psychologie. Konstruiert den Musilschen Farbkreisel, schreibt eine erkenntnistheroetische Dissertation über E. Mach, verzichtet aber auf die angebotene Möglichkeit, sich zu habilitieren, und da er mit seinem inzwischen (1906) erschienen ersten Buch bereits internationale Resonanz gefunden hat, beschließt er , den durch nichts gebundenen und von akademischen Rücksichten freien Beruf des Schriftstellers zu ergreifen. 1911/14 Praktikant und Bibliothekar an der Technischen Hochschule Wien. 1914 Redakteur an der Zeitschrift Die neue Rundschau, Berlin. 1914-1918 Offizier an der italienischen Front. Ende 1918 bis 1920 in besonderer schriftstellerischer Tätigkeit im Staatsamt des Äußeren. 1920-1922 Fachbeirat im Bundesministerium für Heereswesen. Wird, neben seiner Hauptarbeit, Theaterkritiker (Prager Presse), schreibt Essays u.a., geht schließlich nach Berlin, weil dort die Spannungen und Konflikte des deutschen Geisteslebens fühlbarer sind als in Wien. 1933 kehrt er nach Errichtung des "Dritten Reiches", obwohl kein äußerer Zwang auf ihn wirkt, Deutschland den Rücken. Leb in Wien, alles für die Vollendung seines Hauptwerkes opfernd".
Der Weg in die Emigration über Zürich nach Genf, führte Musil 1938 in Jahre schwerer schriftstellerischer und materieller Bedrängnis.
Sein Werk
Romane und Erzählungen:
· Die Verwirrungen des Zöglings Törleß 1906
· Grigia 1932
· Die Portugiesin 1932
· Drei Frauen 1924
· Der Mann ohne Eigenschaften, 1. Buch 1930
· Der Mann ohne Eigenschaften, 2. Buch 1933
· Nachlaß zu Lebzeiten 1936
· Der Mann ohne Eigenschaften Dritter Band 1943, Fragment
· Der Mann ohne Eigenschaften 1952, Adolf Frisé
Dramatisches:
· Die Schwärmer 1921
· Vinzenz und die Freundin Bedeutender Männer 1924
Wissenschaftliche und essayistische Arbeiten:
· Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs 1908
· Über die Dummheit 1937
· Tagebücher, Aphorismen, Essays und Reden 1955
· Tagebücher (Neuausgabe, 2 Bände) 1977
Musil war wie Broch von genialer Vielseitigkeit. Er hat die Möglichkeiten, die ihm aufgrund seines erfolgreichen technischen, philosophischen und psychologischen Studiums offenstanden, ausgeschlagen, um sich der Literatur zu widmen. Der frühe Ruhm, den er mit seinem Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß errang, verblaßte so rasch, daß er fast unbekannt war, als er von seiner Wiener Heimat 1938 in die Schweiz emigrierte. Von seinem Hauptwerk Der Mann ohne Eigenschaften waren nur die beiden ersten Bände erschienen. Erst 1952 erfolgte die Gesamtausgabe des über 1600 Seiten umfassenden Werkes, dessen Geschehen in dem knappen Zeitraum von 1913 bis 1914 spielt.
"Der Zusammenbruch der Kultur ist in der Tat das, was der Sommer 1914 eingeleitet hat", sagt Musil. Dieser Zusammenbruch wird mit Nüchternheit und ironischem Ernst und subtiler Analyse dargestellt. Die Handlung ist nur der Ansatzpunkt eines riesigen Panoramas der Verfallszeit, für einen soziologischen und geistigen Querschnitt, eine kulturkritische Gesellschaftssatiere, für philosophische Betrachtungen und Essays, eine Fülle von Details und Bildern. Die Weilt ist zersplittert, die Menschen leben "ohne Eigenschaften", der Relativismus hat alle ergriffen, nichts steht fest: "Es gibt kein Ja, an dem nicht ein Nein hinge". Ein ironischer Zusammenhang der Dinge wird deutlich in der Parallelität des Sterbens aller Personen -sie dokumentieren verzerrt Ulrichs Bemühungen, seine Eigenschaften und Talente sinnvoll einzusetzen, das heißt "das Gesetz des rechten Lebens" zu finden.
Bereits Musils erster Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß hatte jene Stilhaltung gezeigt, die Musil selbst als ein Zugleich von Genauigkeit und Seele kennzeichnete. Die Darstellung pubertärer Erlebnisse und makabrer Vorgänge im Internat, an denen Törleß teilnimmt, deuten schon, über de psychologische Einsicht hinaus, auf die schmale Grenze zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen.
Diesen Zwischenbereich kennt auch der Band die Drei Frauen mit den Novellen Grigia, Die Portugiesin, und Tonka, die zudem geprägt sind von einer "unerhörten Begebenheit" und damit dem klassischen Novellenmuster entsprechen. Der besondere Reiz für den Leser ergibt sich daraus, daß Sprache und Thematik jedoch der Zeit Musils gemäß sind, der mit seinem ausgeprägten Differenzierungsvermögen einer der großen deutschen Stilisten war.
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