Platen, Karl August Georg Graf, eigentlich Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde, (1796-1835), Schriftsteller.
Platen wurde als Sohn eines verarmten protestantischen Adeligen in Ansbach geboren, war als Knabe Kadett und Page am königlich bayerischen Hof in München und nahm 1814/15 als Leutnant am Frankreichfeldzug gegen Napoleon teil. Von 1818 bis 1826 studierte er in Würzburg und Erlangen Sprachen und Literatur. Über sein von Hypochondrie und selbstquälerischen homoerotischen Empfindungen überschattetes Leben legen die seit 1813 geführten Tagebücher (2 Bde., 1896-1900) Zeugnis ab. Entgegen den Zeittrends romantischer Formauflösung bzw. politischer Tagesschriftstellerei huldigte Platen einem elitären Schönheitskult. Seine Lyrik ist geprägt von der meisterlichen Beherrschung anspruchsvoller Formen und Metren, was in den Bänden Ghaselen (1821), Lyrische Blätter (1821), Sonette aus Venedig (1825) und Gedichte (1828) zum Ausdruck kommt. Mit der Literaturkomödie Die verhängnißvolle Gabel (1826) und als Balladendichter - u. a. Das Grab im Busento - konnte Platen seine größten Publikumserfolge verbuchen. 1826 ging er ins freiwillige Exil nach Italien; die antikisierende Dichtung der italienischen Zeit wurde bereits von seinen Zeitgenossen, namentlich von Heinrich Heine, als epigonal-klassizistisch empfunden. Dennoch wirkte sein Ästhetizismus über den George-Kreis und das Fin de siècle bis zu Thomas Mann, was etwa in dessen Novelle Tod in Venedig zum Ausdruck kommt. Weniger Berücksichtigung fanden in der Platen-Rezeption die politisch-satirischen Züge seiner späten republikanischen Dichtungen - etwa Polenlieder (1839) - und sein radikaler philosophischer Desillusionismus in der Vorläuferschaft Arthur Schopenhauers und Friedrich Nietzsches. Platen starb am 5. Dezember 1835 in Syrakus.
Verfasst von:
Cornelia Fischer
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August von Platen
Der aus einer alten, aber verarmten Adelsfamilie stammende August von Platen brach 1818 die Offizierslaufbahn ab und siedelte im Herbst I826 nach Italien über. Vergebens hatte er in Deutschland nach einer Freundschaft gesucht, wie sie die Goethezeit Homosexuellen zugestand: Eng, aber platonisch. Glück fand Platen freilich auch in Italien nicht. Immerhin vermied er nun den romantischen Ausdruck des Leidens, von dem noch \"Tristan\" (1825) zeugt. Statt dessen schilderte er Leben und Lebensideal in klassisch konkreter Anschaulichkeit: So auch in der \"Einladung nach Sorrent\" die freilich an den Falschen erging - den heterosexuellen Schriftsteller August Kopisch, der Platen nur sein Herz auszuschütten pflegte. 1835 starb er in Syrakus an einer Überdosis an Medikamenten, die er sich selbst gegen die Cholera verabreicht hatte. Thomas Mann nahm ihn später zum Vorbild für seine Novelle \"Tod in Venedig\": August von Platen, geboren in Ansbach, wurde zu Gustav von Aschenbach.
Quelle:
Joachim Campe (Hg.) \"Matrosen sind der Liebe Schwingen\", Frankfurt/M. 1994
(www.internettrash.com)
August Graf von Platen (1796 - 1835)
1796 August Graf von Platen wird am 24.10.1796 in Ansbach geboren, er ist das einzig überlebende Kind aus der zweiten Ehe des Vaters (Oberforstmeister des
Markgrafen von Ansbach-Bayreuth);
1806 P. kommt in das Kadettenhaus nach München, in dem er sich stark eingeengt
fühlt. Entwicklung eines starken Außenseiterbewußtseins, langsam
-qualvolle Entdeckung seiner homoerotischen Veranlagung;
1810 Wechsel ins Münchener Pagenhaus;
1813 Beginn seiner von 1813-1835 geführten Tagebücher;
1815 Teilnahme als Leutnant am Frankreichfeldzug gegen Napoleon;
1818 Dienstbefreiung zum Studium dank seiner guten Beziehungen zum bayrischen
Hof. Studium in Würzburg und Erlangen (v.a. Sprachen und Literatur),
Innerlich große Enttäuschung über die feudale Restauration;
1824 Reise nach Italien (Venedig);
1826 Zweite Reise nach Italien (Florenz, Rom, Neapel), hier führt er ein rastloses
Wanderleben, ermöglicht wurde dieser Italien-Aufenthalt durch bescheidene
Zuwendungen Ludwigs I. von Bayern sowie seines Verlegers Cottas;
1827 Bekanntschaft mit Wilhelm Waiblinger, dem anderen ,,Deutschlandaussteiger\", in Rom, Freundschaftsverhältnis;
1828 Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften;
1832 Tod des Vaters, Rückkehr nach München;
1834 Endgültige Abreise von Deutschland;
1835 Tod am 5.12.1835 in Syrakus, Todesursache unklar (Cholera?).
August Platens Flucht aus Deutschland
Motiv und Erlebnis
August Graf von Platen war als Dichter unglücklich. Seine Dramen und Oden waren wenig erfolgreich, als Mensch wurde er häufig aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert. Kein Wunder, daß er in Deutschland seine Individualität bedroht sah.
Den ersten Ausbruchsversuch nach Italien unternimmt er im September 1824. Er ist von Venedig begeistert. Auch nachdem er viel später andere italienische Städte erlebt hatte, gehört seine besondere Liebe immer nur Venedig. Er verbringt fast jeden seiner Tage mit der Besichtigung von Kirchen, Palästen, Museen und Galerien. Er geht dabei fast wie ein ,,Kulturvielfraß\", ja wie ein Bürokrat vor: er listet alles, was er besichtigt hatte, pedantisch hintereinander auf und eignet sich Kunst scheinbar mit Gewalt an.
Er geht auf sehr funktionale Weise vor. Er verspricht sich ,,Wachstum und Ausbreitung seines dichterischen Vermögens\" (S. 138).Vielleicht wird gerade deswegen Platens künstlerische Ausbeute in Venedig von vielen Wissenschaftlern als quantitativ dürftig angesehen. Qualitativ gehören einige der 12 Sonette, den ersten Fassungen der späteren sechzehn venezianischen Sonetten, zu den berühmtesten deutschsprachigen Sonetten. Wölfel bezeichnet sie als ,,Chiffern der geheimen Verbundenheit zwischen Schönheit und Tod\" (zwei Sonette aus Venedig teile ich mit aus).
Am 9. November 1924 verließ Platen Venedig und reiste nach München zurück. Als ihm dort weiterhin der Erfolg in der Dichtung wie in der Liebe versagt blieb, schrieb er: ,,Es ist höchste Zeit, daß ich Deutschland verlasse; alle Bande sind gelöst, alle Liebe hat sich ins Innerste meiner Brust geflüchtet, um nie mehr hervorzutreten.\" (S. 139)
So machte sich Platen im Jahre 1826 wieder nach Italien auf. Sein Italienaufenthalt - er war inzwischen zum Leutnant in der bairischen Armee aufgerückt - war durch eine Pension Ludwig I. abgesichert worden. Er durchquerte das Land unermüdlich. Fußmärsche von 50 bis 60 km am Tag waren nicht selten. Er merkt recht schnell, daß Reisen für ihn ,,eigentlich die zuträglichste Lebensart\" sei (S. 144). Im Jahre 1828 schreibt er in einem Brief : ,,Abgesehen davon, daß mir Italien so unbeschreiblich wohl gefällt. Rom, Neapel, Florenz und so vieles Andre ist ein Theil meiner Seele geworden\". (S. 139)
Er schreibt, daß die Deutschen zu meiden sind, denn ,,sie machen einander bloß das Leben sauer, grübeln über alles\". Das folgende Zitat aus dem Prolog zum Epos ,,Die Abbassiden\" unterstreicht diesen Nord-Süd Gegensatz:
Zitat, S. 139 vorlesen.
Ein weitere Motivation für den Aufenthalt in Italien ist für Platen die Fertigstellung von etwas poetisch Bedeutsamen. Diese literarische Produktion ist für ihn in Deutschland unvorstellbar.
Dieses Streben gründet sich sicherlich zumindest teilweise auf Ruhmsucht. So schreibt er seinem Freund Georg Friedrich Puchta: ,,Unter dem ewigschönen Himmel, in reizenden Myrtenbüschen am Ufer des Meerspiegels gedenke ich die Tage, die mir noch vergönnt sind, an die Unsterblichkeit meines Namens und hoffentlich mehr als meines Namens zu setzen.\". (S.140)
Dem italienischen Wanderleben gibt er endgültig den Vorzug vor dem deutschen Bücherleben. Ein Leben in Deutschland kommt für ihn nicht mehr in Frage. Fatal wirkte sich für Platen auch seine Auseinandersetzung mit Heine aus. Nachdem Platen Heine in dem Lustspiel Romantischer Ödipus mit antisemitischen Provokationen tief gedemütigt hatte, reagierte dieser mit dem Reisebericht ,,Die Bäder von Lucca\", einem vernichtenden Angriff auf Platens Homosexualität. Dieser Reisebericht verbitterte Platens Leben und ließ ihm Deutschland noch fremder werden.
Platen verließ am 3. September 1826 Erlangen, die Reise ging über Augsburg, Innsbruck nach Verona. Über Mantua, Parma, Reggio, Modena und Bologna erreichte er am 28. Dezember Florenz, wo er den Winter verbrachte. Dann folgen seine längeren Aufenthalte in Rom, Neapel und Venedig.
Für Platen zählten bei seinen langen und mühsamen Wanderungen vor allem die Aspekte des Kunstwerks und der Naturschönheit. Venedig und Florenz sind für ihn deshalb besonders interessant. Er glaubt in Venedig eine Symbiose von Schönheit und Geheimnis ausmachen zu können. Selbst nach drei Jahren Wanderung fällt es ihm noch schwer, sich für Neapel, Florenz, Rom oder Venedig zu entscheiden. Neapel hat den Vorzug des Klimas und der Lage, Florenz besticht durch seine Bibliotheken und die Architektur, Rom beeindruckt durch die Fülle an architektonischen, künstlerischen und historischen Zeugnissen, Venedig freilich wäre für ihn dennoch die schönste (S. 145):
Zitat, S.141 vorlesen
Sicherlich sind die Schönheit und Pracht der italienische Städte eine wichtige Antriebsfeder für Platen. Trotzdem kann man sich fragen (dies tun zumindest die Autoren meines Grundlagentextes), ob diese Begeisterung für italienische Kultur, der Platens Deutschlandüberdruß und poetischer Ehrgeiz Motivation genug sind für eine zehnjährige Wanderung in Einsamkeit, Armut und Unrast.
Dabei spielen sicherlich auch Platens Art und Weise der Annäherung an Kunstwerke eine Rolle. Es ist oft mehr Katalogisierung, Einteilung, Vergleiche anstellen als wirkliches Erleben. Oftmals wiederholt er formelhaft nichtssagende Beiwörter wie ,,schön\" und ,,herrlich\".
Um so mehr steht somit im Mittelpunkt Platens Italienerlebens der Mensch. So schreibt er in einem Brief an Fugger: ,,Überall möchte man bleiben, überall die Wunder der Natur und der Kunst genießen. Wenn mich nicht irgendwo die Menschen fesseln, so werde ich wohl so leicht keine bleibende Stätte finden.\" Auch gelangten homosexuell veranlagte Männer wie er in Italien viel leichter zur Befriedigung ihrer Wünsche. So schreibt Platen in sein Tagebuch, daß in Italien ,,die Liebe zwischen Männern so häufig ist, daß man selbst bei den kühnsten Forderungen keinen Korb zu gegenwärtigen hat.\" (S. 131) In Italien, nicht in Deutschland fühlt sich Platen wirklich frei. Platen schwebt scheinbar andauernd in einem Zustand des Verliebtseins. Zumindest im privaten Bereich findet er die Freiheit, die ihm in Deutschland als Außenseiter verwehrt bleibt. Daß laßt sich an folgender Textstelle aus seinem Tagebuch verdeutlichen: ,,So viel ist gewiß, daß man ein Jahr in Deutschland reisen kann, ohne so viele reizende Gesichter zu sehen, als an einem Abend in Italien. Dazu trägt nun freilich auch das öffentliche Leben der Italiener bei. Alles ist, alles geschieht auf der Straße. Die Handwerker treiben ihr Geschäft vor aller Welt; man ißt, man trinkt, man spielt bei offenen Thüren. Wie bequem ist es besonders für den Fremden, in jeder Kirche, vor jedem Kaffeehaus Platz zu nehmen, ausruhen, lesen oder ein Gespräche anfangen zu können. Nichts fällt hier auf, wo die persönliche Freiheit (un)-gestört ist.\"(S. 151)
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