Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, kommt von einer längeren,
erfolgreichen Geschäftsreise nach Babylon ins Jerusalem des 12.
Jahrhunderts zurück. Zu Hause angelangt, wird er von Daja, der
christlichen Gesellschafterin seiner Tochter Recha begrüßt. Von
ihr erfährt er, dass seine Tochter Recha während seiner Abwesenheit
beim Brand seines Hauses beinahe ums Leben gekommen wäre, wenn
sie nicht noch in letzter Minute von einem Tempelherrn vor den
Flammen gerettet worden wäre. Dieser christliche Tempelherr sei
nach seiner vordem erfolgten Gefangennahme vom moslemischen Sultan
Saladin überraschend begnadigt worden. Über dessen Beweggründe
mutmaße man, Saladin habe im Tempelherrn das Ebenbild seines verschollenen
Bruders Assad gesehen.
Allen unternommenen Versuchen Rechas
und Dajas zum Trotz habe der Tempelherr nach seiner Rettungstat
allerdings ziemlich schroff jeden Dank und jede weitere Kontaktaufnahme
abgelehnt und sei seit einiger Zeit nicht mehr zu sehen. Allerdings
sei Recha seitdem in Schwärmerei verfallen und nehme an, dass
sie von einem Engel gerettet worden sei. Nathan ist, wie aus Bemerkungen
während des Gesprächs hervorgeht, nicht Rechas leiblicher Vater.
Nach dem Bericht Dajas ist er nun entschlossen, Recha von ihrem
naiven Engelsglauben, der von Daja als Christin durchaus unterstützt
wird, durch eine vernunftgemäße, rationale Herangehensweise an
das Geschehen zu befreien. Als Recha erscheint, um ihren Vater
Nathan zu begrüßen, schildert sie unter großer emotionaler Erregung
ihre Version einer von einem Engel bewirkten Rettung. Nathan,
der um die starken Gefühle weiß, die Rechas Interpretation der
Ereignisse ermöglichen, versucht Recha Schritt um Schritt einer
rationalen Betrachtung der Dinge zugänglich zu machen.
Er will ihr verständlich und emotional
nachvollziehbar machen, dass sie von einem Menschen, einem leibhaftigen
Tempelherrn gerettet worden ist. Aus diesem Grund greift er Rechas
und Dajas Vorstellungen zunächst nicht frontal an, sondern versucht
sie für den rationalen Diskurs über den Begriff des Wunders zu
interessieren. So zeigten sich die \"wahren, echten Wunder\" ganz
anders als der naive und kindliche Wunderglaube annähme, im alltäglichen
Wunder des Lebens und der Welt. Ein derartiges Wunder, das zur
Erklärung keine übersinnlichen, metaphysischen Begründungen verlange,
sei eben die Tatsache gewesen, dass Saladin den Tempelherrn wegen
seiner vermeintlichen Ähnlichkeit mit seinem Bruder Assad begnadigt
habe. Während sich Recha augenscheinlich der rationalen Perspektive
des Vaters, die Glaube und Vernunft verbindet, nicht mehr entziehen
kann, hält Daja geradezu starrköpfig an der Engelsversion fest.
So sieht sich Nathan gezwungen, seinen Argumentationsstil zu verschärfen.
In dem von ihr vertretenen Standpunkt
sieht er nichts anderes als Unsinn, Überheblichkeit, falschen
Stolz, zuletzt gar eine Gotteslästerung. Um die begonnene Einsicht
Rechas zu vertiefen, lässt Nathan im weiteren Gespräch vor den
Augen seiner beiden mehr und mehr betroffen emotional reagierenden
Zuhörerrinnen das Bild eines menschlichen Retters entstehen, der,
weil unter Umständen schwer krank, nicht mehr auffindbar sei,
aber eigentlich dringend Hilfe benötige. Dem von Nathan damit
erzeugten Affekt des Mitleids können sich beide Frauen, besonders
aber Recha, nicht mehr entziehen. An ihrer emotionalen Anteilnahme
am Schicksal des Tempelherrn aber erkennt Nathan, dass Recha sich
in ihren Retter verliebt hat. Auf der anderen Seite hat er sich,
was den Engelsglauben anbelangt, als weiser Erzieher seiner Tochter
erwiesen, der ihr Wege zur autonomen Erkenntnis aufgezeigt hat.
Nathan erfährt von seinem alten Freund Al-Hafi, einem Bettelmönch,
der ganz unvermutet in prachtvoller Kleidung erscheint, dass er
Schatzmeister (Defterdar) des Saladins geworden ist.
Als Bettelmönch habe er der Bitte des
Sultans entsprechen müssen, rechtfertigt er sich, muss sich aber
dann von Nathan die prinzipiell vorhandene menschliche Entscheidungsfreiheit
vorhalten lassen: \"Kein Mensch muss müssen\". Al-Hafi will Nathan
dazu bewegen, Saladins leere Kassen mit einem Kredit zu füllen.
Doch auch sein Hinweis auf Saladins Freigiebigkeit kann Nathan
nicht dazu bringen. Denn dieser weiß klug zwischen der ihm freundschaftlich
verbundenen Privatperson Al-Hafi und seiner Rolle als Schatzmeister
Saladins zu unterscheiden.Was er jenem ohne weitere Bedenken gewähren
würde, gelte aber nicht für diesen. Al-Hafi, der aus seiner eigenen
Motivation für die Übernahme des Schatzmeisteramts letztlich doch
keinen Hehl macht, nämlich einmal \"den reichen Mann mit Bettlern
spielen\" zu können, räumt ein, dass er sich durch das Angebot
des Sultans geschmeichelt gefühlt habe.
Zugleich sieht er sich jedoch auch in
einem Dilemma: Er weiß nämlich, dass - selbst bei vollen Kassen
- jede Mildtätigkeit und Freigiebigkeit, Grenzen findet, \"gut\"
zu sein und zu handeln, nur in Einzelfällen gelingen kann. Nathan,
der die Zwangslage, in der sich sein Freund Al-Hafi befindet,
erkennt, rät ihm daher, sein Bettelmönchdasein wieder aufzunehmen,
denn er befürchtet, dass Al-Hafi \"grad\' unter Menschen [...]
ein Mensch zu sein verlernen\" könnte. Daja teilt Nathan mit,
sie habe den Tempelherrn erneut gesehen.
Recha lasse ihren Vater dringend bitten,
mit ihm sogleich Kontakt aufzunehmen. Als Daja den Tempelherrn
im Auftrag von Nathan einladen soll, erklärt sie, dass dies aussichtslos
sei, denn der Tempelherr komme zu keinem Juden. Nathan will daher
selbst den Kontakt herstellen. Ein christlicher Klosterbruder
soll im Auftrag des Patriarchen, der von der erstaunlichen Begnadigung
des Tempelherrn erfahren hat, den Tempelherrn aushorchen und anstiften,
die Verteidigungsanlage Jerusalems für die Armee Philipps auszuspionieren,
den Sultan Saladin gefangen zu nehmen oder zu ermorden. Im Verlauf
des Gesprächs erfährt man, dass der Tempelherr kurz vor dem Waffenstillstand
bei Tebnin als einer von zwanzig anderen Tempelherren gefangen
genommen worden und als einziger davon begnadigt worden ist. Die
Ursache dafür ist dem Tempelherrn aber nicht klar.
Er glaubt nur kurz vor seiner angesetzten
Hinrichtung eine tiefe Rührung des Sultans beobachtet zu haben,
die diesen offenbar zur Begnadigung veranlasst habe.Als der Tempelherr
das Ansinnen des Patriarchen entschieden zurückweist und den Klosterbruder
fortschickt, geht dieser unverrichteter Dinge, aber innerlich
erleichtert, davon. Daja richtet dem Tempelherrn die Einladung
Nathans aus. Um den erwarteten Stolz des Tempelherrn zu mäßigen,
berichtet sie ihm, dass sie selbst als Christin ihrem später gefallenen
Mann nach Palästina gefolgt und seitdem Erzieherin Rechas sei.
Der Tempelherr lehnt die Einladung brüsk ab, indem er betont,
dass er sich an die Rettungstat und das gerettete Mädchen kaum
mehr erinnere und er mit einem Juden nichts zu tun haben wolle.
Im Palast spielen der Sultan Saladin und seine Schwester Sittah
Schach.
Saladin ist in Gedanken aber bei ganz
anderen Dingen, so dass er fast ständig verliert. Geschieht dies,
erhält seine Schwester tausend Dinar als Preis, gewinnt er, dann
bekommt sie das Doppelte quasi zum Trost. Saladins Gedanken, so
teilt er Sittah mit, kreisen die ganze Zeit um die politische
Lage in Jerusalem. Saladin, der den abgelaufenen Waffenstillstand
gerne verlängert sähe, hofft irgendwie noch immer den Frieden
dynastisch durch seine wohl kalkulierte Heiratspolitik absichern
zu können. Seinen Vorstellungen nach sollte Sittah mit Prinz Johann,
einem Bruder des englischen Königs Richard Löwenherz, und sein
eigener Bruder Melek mit einer Schwester des englischen Königs
vermählt werden. Seine Vision von der dynastischen Verbindung
der \"besten Häuser in der Welt\" und der aus dieser Verbindung
der christlichen und moslemischen Herrscherhäuser hervorgehenden
besonderen Menschen, wird von Sittah freilich kritisch kommentiert.
Sie hält das Ganze Gerede von einem moslemisch-christlichen
Mischstaat für einen geradezu lächerlichen Traum, der auf einer
völligen Verkennung der orthodoxen und missionarischen Grundeinstellung
der Christen beruhe. Deren Stolz lasse eine dynastische Verbindung
ohne vorherigen Übertritt zum christlichen Glauben nicht zu. Saladin,
der darin allerdings keine unüberbückbaren Gegensätze sieht, macht
dagegen allein die machtpolitischen Interessen der Tempelherrn
für das Scheitern seiner Heiratspläne verantwortlich, die die
Festung Akka, das Brautgeschenk der Schwester von Richard Löwenherz
für ihre Heirat mit Melek, nicht herausgäben. Außer diesen Gedanken
treibt Saladin auch die Sorge um die leere Kriegskasse um, die
jetzt angesichts der wiederauflebenden Kämpfe zumindest vorübergehend
mit Krediten aufgefüllt werden muss, die zu besorgen Al-Hafis
Geschäft sei.Saladin erfährt von seinem Schatzmeisters Al-Hafi,
dass die ersehnten Tributzahlungen aus Ägypten auch in absehbarer
Zeit nicht eintreffen werden. Als er dessen ungeachtet Al-Hafi
auffordert, Sittah ihren Gewinn beim Schachspielen auszuzahlen,
schenkt ihm Al-Hafi reinen Wein ein.
Sittah ist es gewesen, die mit den von
Saladin erhaltenen Geschenken und Gewinnsummen schon seit längerem
die gesamte Hofhaltung im Palast bestritten hat. Angesichts dieser
prekären Lage fordert der Sultan Al-Hafi auf, wo immer nur möglich
nach möglichen Kreditgebern zu suchen. Dabei stellt er eigene
Bedürfnisse der höfischen Repräsentation hinten an. Für sich selbst
beansprucht er nur Kleidung, ein Schwert und ein Pferd und darüber
hinaus nur noch seinen Glauben an einen Gott. Als Sittah Al-Hafi
auf seine Freundschaft zu seinem \"hochgepriesenen\" und gleichermaßen
reichen Juden Nathan anspricht und diesen damit als möglichen
Kreditgeber ins Spiel bringt, will Al-Hafi, der ja schon um Nathans
ablehnende Haltung seit seinem Gespräch mit ihm weiß, ablenken.
Von ihm jedenfalls, so seine Antwort, sei kein Kredit zu erwarten.
Denn Nathan, der nun wirklich kein Geldverleiher
sei, sondern nur als Kaufmann Waren verkaufe, setze sein Vermögen
für die Gabe von Almosen an alle möglichen Bedürftigen ein. Und
gerade mit dieser Einstellung strebe er aus Eifersucht und Neid
auf die Freigiebigkeit Saladins danach, diesen darin zu übertreffen.
Mit dem Hinweis, er wolle sich wegen des Kredits an einen dunkelhäutigen
Kreditgeber (Mohren) wenden, kann sich Al-Hafi weiteren bohrenden
Nachfragen nach Nathan entziehen.Saladin will von Sittah Näheres
über Nathan erfahren. Diese schildert ihn als einen sehr reichen
Geschäftsmann, dem man, wie Al-Hafi ihr zugetragen habe, Größe,
Edelmut und vorurteilsfreie Klugheit nachsage. Ihr sei zwar das
Ablenken von Nathan durch Al-Hafi aufgefallen, doch könne sie
sich letztlich auf Al-Hafis widersprüchliche Aussagen auch keinen
Reim machen.
Allerdings seien die Charakterzüge Nathans
auch nicht weiter von Belang, entscheidend sei nur, ob er die
erforderlichen finanziellen Möglichkeiten zur Kreditgewährung
besitze. Als Saladin mutmaßt, sie könne dafür plädieren, Nathan
gegenüber Gewalt anzuwenden, beruhigt sie ihn mit dem Hinweis,
sie wolle sich einen \"Anschlag\" auf Nathan einfallen lassen,
mit dem sie nur dessen Schwächen auszunützen beabsichtige.. Nathan
wartet mit Recha vor seinem Haus, wo es an die Palmen anstößt,
auf das Erscheinen des Tempelherrn. Er will ihn jetzt einfach
direkt anzusprechen. Recha ist deshalb sehr aufgeregt und Nathan
nutzt die Gelegenheit, Recha vorsichtig auf ihre Gefühle für den
Tempelherrn anzusprechen.
Diese ist sich aber offensichtlich (noch)
nicht darüber im Klaren, dass sie sich in ihren Retter verliebt
hat. Ohne weiter in sie zu dringen, bittet Nathan Recha nur, ihm
die weitere Entwicklung ihrer Gefühle offen mitzuteilen. Als Daja
zu den beiden stößt, um zu verkünden, dass der Tempelherr jeden
Augenblick um die Ecke komme, zieht sie sich mit Recha ins Haus
zurück, wo die beiden der Begegnung Nathans mit dem Tempelherrn
zusehen können. Bei ihrer ersten Begegnung versucht Nathan mit
dem Tempelherrn, der ihm irgendwie bekannt vorkommt, höflich ins
Gespräch zu kommen. Seine Dankesgeste für die Rettung Rechas wird
allerdings von dem Tempelherrn brüsk abgelehnt. Was er für die
Tochter Nathans getan habe, hätte für jede x-beliebige andere
auch getan, selbst wenn es sich \"nur\" um eine Jüdin gehandelt
hätte.
Nathan, der die vorurteilsbehafteten
Äußerungen herunterspielt und entschuldigt, will dennoch wissen,
ob er etwas für den gefangenen Tempelherrn tun könne. Doch wird
er auch damit im Kern zurückgewiesen, wenngleich der Tempelherr
einräumt, bei der Anschaffung eines neuen Mantels auf ihn zurückzukommen.
Seit seiner Rettungstat ist dieser nämlich an einer Stelle versengt,
was Nathan zum Anlass nimmt, den Mantel an dieser Stelle zu küssen.
Erstmals muss der Tempelherr erkennen, dass ihn die emotionale
Rührung Nathans betroffen gemacht hat. Fortan spricht er diesen
nicht mehr einfach als Jude an, sondern mit Namen und seine zögerlichen,
fast stotternden Äußerungen signalisieren die eigene Betroffenheit.
Schließlich räumt er ein, dass Nathan offenbar genau wisse, nach
welchen Grundsätzen die Tempelherrn zu handeln hätten.
Als Nathan dagegen einwendet, diese Grundsätze
seien allen \"guten Menschen\" gemeinsam, will der Tempelherr
von dieser Gleichmacherei zunächst nichts wissen. Auch Nathans
Bild, das ihm das Miteinander verschiedener Bäume im Wald vor
Augen führt, kann ihm seine religiösen Vorurteile und seine Vorbehalte
gegen die von den Juden eingeführte religiöse Intoleranz, den
Stolz nämlich, \"nur sein Gott sei der rechte Gott\", nicht nehmen.
Und genau diese \"fromme Raserei\" stünde hier in Jerusalem wie
an keinem anderen Ort der Welt auf der Tagesordnung. Als er sich
zum Gehen wendet, bietet ihm Nathan seine Freundschaft an, da
er erkennt, dass ihnen die Ablehnung von Intoleranz gemeinsam
ist. Der Tempelherr gibt zu, sich in Nathan getäuscht zu haben
und nimmt die Freundschaft an.Gleichzeitig kann er sich nun auch
zu seinen verdrängten Gefühlen für Recha bekennen, die er unbedingt
wiedersehen will.
Daja platzt in das Gespräch zwischen Nathan
und dem Tempelherrn mit der Nachricht herein, Saladin wolle Nathan
sprechen. Sie ist ganz aufgeregt, während Nathan zunächst annimmt,
der Sultan interessiere sich vielleicht für die von ihm mitgebrachten
Waren. Letzten Endes sieht er dem Treffen relativ gelassen entgegen,
ohne sich von Dajas Panikmache anstecken zu lassen. Nachdem Daja
gegangen ist, setzen Nathan und der Tempelherr ihr Gespräch fort.
Nathan ist jetzt, da ihn freundschaftliche Bande mit dem Tempelherrn
verbinden, auch bereit, Saladin für die Begnadigung des Tempelherrn
einen Dienst zu erweisen. Dabei ist er nun auch zur Gewährung
eines Kredits bereit.
Ferner ist er entschlossen, sich bei
dem Sultan für den Tempelherrn einzusetzen. Als der Tempelherr
ihm dafür seinen Namen, Curd von Stauffen, nennt, reagiert Nathan
gänzlich überrascht und schaut sich den Tempelherrn sehr genau
an. Sein zögerlicher Einwand, es gebe doch wohl mehrere Träger
dieses Familiennamens, beantwortet der Tempelherr damit, dass
schon mehrere Mitglieder des Geschlechts der von Stauffen , darunter
sein Onkel, im Heiligen Land umgekommen seien. Seine Richtigstellung,
er meine nicht seinen Onkel, sondern seinen Vater, verstärkt noch
Nathans argwöhnisch prüfenden Blick auf ihn. Als der Tempelherr
gegangen ist, glaubt Nathan an Wuchs, Gang und Gestik Wolf von
Filnek zu erkennen und erinnert sich an die Beziehung zwischen
den beiden Namen Filnek und Stauffen. Er beschließt, der Sache
nach seinem Besuch bei Saladin auf den Grund zu gehen.
Daja soll Recha auf Anweisung Nathans
mitteilen, dass einem Treffen mit ihrem Tempelherrn nichts mehr
im Wege stehe. Gleichzeitig bittet Nathan sie, weiter stillzuhalten,
um seine Pläne in Ruhe verfolgen zu können. Und selbstverständlich
sei er auch bereit, ihre Gewissensnöte mit gebührenden materiellen
Gegenleistungen zu verringern. Daja, die auf die Bestechungsgeste
überhaupt nicht eingeht, weist jeglichen Zweifel an ihrer Loyalität
gegenüber Nathan entschieden zurück. Al-Hafi, der zu Nathan gekommen
ist, um sich nach der Aufgabe seines Schatzmeisteramtes an den
Ganges zu verabschieden, erfährt zu seinem Erstaunen, dass Nathan
nun offenbar doch gewillt ist, Saladin einen Kredit zu gewähren.
Ganz entschieden widerspricht er möglichen Erwartungen Nathans,
Saladin sei danach auch eher bereit, Rat von Nathan anzunehmen.
Mit Ironie begleitet Nathan die äußerst
erregte Schilderung des Verhaltens Saladins beim Schachspiel im
Palast, wird aber mit seiner Anspielung auf den unter Umständen
verletzten Stolz Al-Hafis, von diesem entschieden abgeblockt.
Da ihm die Erfolglosigkeit seines Unterfangens, \"bei allen schmutz\'gen
Mohren\" Geld zu leihen, ganz offensichtlich die Motivation genommen
hat, auch weiterhin Schatzmeister zu bleiben, hat er sich für
die Wiederaufnahme seines Lebens als Bettelmönch entschieden.
Es ziehe ihn an den Ganges, wo nur der Mensch an sich, ohne weiteres
Ansehen von Person und Stellung, etwas gelte. Seine Aufforderung
an Nathan, ihn dahin sofort zu begleiten, kann Nathan zumindest
im Augenblick nicht nachkommen, denn er will zunächst noch zu
Saladin und danach noch Abschied nehmen. Al-Hafi, der ihm ins
Wort fällt, ehe Nathan diesen Gedanken zu Ende ausführen kann,
will einen solchen Zeitaufschub nicht gelten lassen und betont,
dass nur in der spontanen Entscheidung die Freiheit des Handelns
sichtbar werde. Als sich Al-Hafi verabschiedet hat, ist Nathan
von Al-Hafis Spontaneität, die er im Einklang von Herz und Verstand
sieht, sichtlich beeindruckt.
Während Nathan auf dem Weg zu Saladin
ist, fiebert Recha im Beisein von Daja dem unmittelbar bevorstehenden
Treffen mit dem Tempelherrn entgegen. Recha kann nicht verstehen,
weshalb Daja hofft, der Tempelherr nehme sie und Daja selbst mit
nach Europa. Sie überhöht dabei in ihrem Eifer die Aufgabe des
Tempelherrn quasi zur heiligen Mission, die er kriegerisch, aber
auch damit erfülle, dass er Recha in das Land führen könne, für
welches sie geboren sei. Recha, dadurch zum Widerspruch gereizt,
kann nicht glauben, dass Gott für sich kriegerisch streiten lasse,
indem er sich von einem Menschen bzw. einer Menschengruppe für
sich vereinnahmen lasse. Und überhaupt nicht einleuchten will
ihr, dass ihre Vorbestimmung sie ins christliche Abendland führen
solle.
Denn ungelöst bliebe in einem solchen
Denkmodell schließlich auch, wie der einzelne Mensch denn erkennen
könne, für welchen \"Erdkloß\", welchen religiös umgrenzten Kulturkreis
er vorbestimmt sei. Im Übrigen, so hält sie Daja entschieden entgegen,
sei sie ihre andauernden Christianisierungsversuche endgültig
leid, denn wohin sie deren unvernünftiges Denken und Fühlen geführt
habe, habe ihr die \"Engelsgeschichte\" schließlich gezeigt, die
ihr im Nachhinein wie eine Posse vorkomme. Daja, die sich so angegriffen
kaum noch die Wahrheit verkneifen kann, muss sich schließlich
anhören, dass ihre bisherigen Christianisierungsversuche mit Legenden
christlicher \"Glaubenshelden\" nur insoweit die Erkenntnis Rechas
gefördert hätten, \"dass Ergebenheit in Gott von unserem Wähnen
über Gott so ganz und gar nicht abhängt.\" Als der Tempelherr
eintrifft, beenden die beiden Frauen dieses Gespräch. Recha, die
dem eintretenden Tempelherrn zu Füßen fallen will, muss ihre Dankesgeste
angesichts des zurückweichenden Tempelherrn abbrechen. Da sie
vermutet, dass die Vorstellungen von Männlichkeit, denen der Tempelherr
folgt, dafür verantwortlich sind, betont sie zunächst, mit ihrer
Geste lediglich Gott erneut für ihre Rettung danken zu wollen.
Gleichzeitig nimmt sie die vom Tempelherrn
ausgehende männliche Unnahbarkeit zum Anlass, sein Verhalten bei
ihrer Rettung als eine Verquickung bloßer Zufälligkeiten mit dem
Pflichtbewusstsein eines Tempelherrn ironisch zu kommentieren.
Mit einer gezielten Provokation, dass Tempelherren in derartigen
Situationen \"wie etwas zugelernte Hunde\" gar keine andere Wahl
hätten, versucht sie den Tempelherrn aus der Reserve zu locken
und gleichzeitig die Zügel in der Hand zu halten. Ein kleiner
Seitenhieb auf Daja wegen ihrer Geschwätzigkeit ist alles, was
der Tempelherr zunächst herausbringt. Sein erstaunter und aufgeregter
Blick bleibt auf Recha gerichtet, deren Anblick ihn in Bann zieht.
Erst jetzt wird ihm die Attraktivität Rechas so recht bewusst
und dies stürzt ihn wegen seines Keuschheitsgelübdes in einen
inneren Zwiespalt. In diesem Zwiespalt werden ihm Nathans Worte
\"Kennt sie nur erst!\" in ihrer Tragweite bewusst.
Als er erfährt, dass Nathan noch immer
bei Saladin ist, entzieht er sich unter Hinweis auf mögliche Gefahren
der Situation und verschafft sich damit zunächst einmal eine Atempause.
Recha zeigt sich nach dem etwas abrupten Weggang des Tempelherrn
verunsichert, wird aber von Daja beruhigt. Diese ist sich klar,
dass Recha sich in den Tempelherrn verliebt hat und der Tempelherr
diese Gefühle bis zu einem gewissen Grad erwidert. Daher rät sie
Recha, behutsam vorzugehen. Recha kann aber mit diesen Andeutungen
zunächst nichts anfangen, sondern muss sich erst einmal über die
Gefühle klar werden, die die Erwartung und der tatsächliche Verlauf
der Begegnung mit dem Tempelherrn bei ihr ausgelöst haben. Jetzt,
nachdem sie dem Tempelherrn begegnet sei, spüre sie nicht mehr
die starken Gefühle (\"Sturm des Herzen\"), die sie zuvor gehabt
habe.
Als Daja aber weiter in sie hineinhorcht,
räumt Recha ein, dass nicht alle ihre Gefühle für den Tempelherrn
verschwunden seien. Und doch versucht sie ihre Gefühle ein wenig
zu rationalisieren, wenn sie erklärt, der Tempelherr sei ihr \"ewig
wert [...], ewig werter, als mein Leben\". Mit ihrem Ausruf \"Was
schwatz\' ich?\" zeigt sie aber dazu an, dass für sie noch nicht
alles geklärt ist.
In einem Audienzsaal des Palasts warten
Saladin und Sittah auf Nathan. Saladin ist über den von Sittah
ersonnenen Plan, Nathan eine Falle zu stellen, offenkundig nicht
glücklich. Weder behagt ihm die Methode, noch will er sich selbst
darum kümmern, bei einem Juden Geld zu bekommen. Seine Skrupel
bestehen auch deshalb, weil er nicht weiß, ob Nathan nicht doch
ein guter und vernünftiger Mann ist. Sittah sieht gerade darin
kein Problem, denn in einem solchen Falle könne man ohnehin mit
Nathans Unterstützung rechnen. Und für die von Saladin gezeigte,
typisch männliche Geringschätzung ihrer Ränkeschmiede hat sie
ihrerseits nur wenig übrig.
Mit ihrem Vergleich, dass auch der Löwe
bei der Jagd gerne auf die Listigkeit des Fuches zurückgreift,
kann sie ihren Bruder letztlich beruhigen. Dieser weist sie an,
ihn im Gespräch mit Nathan allein zu lassen und auch das Horchen
vom Nebenzimmer aus zu unterlassen. Im Sitzen empfängt Saladin
den eintretenden Nathan. Saladin, der die Unterredung im Gestus
des Fragenden und Antwort Gebietenden zunächst dominieren will,
provoziert Nathan mit der Frage, ob er sich selbst den Beinamen
der Weise gegeben habe. Im anschließenden Gespräch über Weisheit
und Klugheit kann Nathan der gezielten Provokation ruhig, geschickt
und sehr bescheiden den Wind so aus den Segeln nehmen, dass Saladin,
offensichtlich sehr erregt, aufspringt und nun ohne weitere Umschweife
zur Sache kommen will. Nathan, der immer noch annimmt, der Sultan
interessiere sich für seine mitgebrachten Waren oder für seine
Beobachtungen der Kriegslage während seiner zurückliegenden Reise,
erhält zu seiner Überraschung die Frage gestellt, welche Religion
ihm in seinem Leben am meisten eingeleuchtet habe.
Nathans Einwand, er sei Jude, lässt Saladin
nicht gelten, denn ihm gehe es um die bewusste Erkenntnis und
damit um die rationale Beantwortung seiner gestellten Frage. Um
Nathan eine kurze Bedenkzeit zu gewähren, begibt sich Saladin
für eine kurze Zeit ins Nebenzimmer. Nathan, für einen Moment
von Saladin allein gelassen, zeigt sich vom Verhalten Saladins
überrascht. Dass dieser statt auf Geld, in so einer Frage einfach
auf Wahrheit aus ist, hat er nicht erwartet. Die Art allerdings,
wie der Sultan diese Wahrheit eingefordert hat, macht ihn aber
doch mehr als misstrauisch. Er vermutet, dass ihm von Saladin
mittels der Frage, welche Religion ihm in seinem Leben am meisten
eingeleuchtet habe, eine Falle gestellt werden soll.
Dabei ist er sich bewusst, dass keine
Antwort, die die eine oder die andere Religion als die einleuchtendste
auswiese, ihn vor den Angriffen des Mächtigen schützen könnte.
Erst als ihm einfällt, seine Antwort in Form eines Märchens zu
geben, gewinnt er wieder Zuversicht und befreit sich damit aus
dem vordergründig unauflöslichen Dilemma. Nathan erzählt Saladin
die Geschichte von den drei Ringen. Vor langer Zeit habe im Osten
ein Mann gelebt, der einen außerordentlichen Ring besessen habe.
Der Ring, der stets vom Vater auf seinen liebsten Sohn vererbt
worden sei, habe vor Gott und den Menschen angenehm machen können.
Der Mann habe sich aber nicht für einen seiner drei Söhne entscheiden
können.
Aus diesem Grunde habe er zwei originalgetreue
Kopien anfertigen lassen und kurz vor seinem Tode jedem seiner
Söhne einen dieser Ringe mit der Aussicht auf die Führung des
Hauses übergeben. Im guten Glauben, den echten Ring zu tragen,
habe danach jeder von ihnen die ihm versprochene Stellung beansprucht.
Aber trotz aller Versuche habe man den echten Ring nicht herausgefunden.
Saladin besteht jedoch darauf, dass man die Religionen in ihren
äußerlichen Gepflogenheiten sehr wohl unterscheiden könne. Nathan
wendet dagegen ein, dass diese Unterscheidbarkeit nicht für die
Wahrheitsfrage gelte. Denn was man letzten Ende glaube, gründe
auf geschichtlichem Herkommen und auf den kulturellen und religiösen
Traditionen der Umgebung, unter der man aufwachse.
Als er mit der Ringgeschichte fortfährt,
hat er Saladin schon überzeugt. In einem Prozess habe man den
Streit um den Ring zu klären gehofft. Der Richter habe aber keine
Entscheidung gebracht, sondern lediglich einen Rat gegeben. Die
Praxis nämlich solle erweisen, wer den Ring mit der Wunderkraft
trage. Indem die \"Tyrannei des einen Rings\" womöglich absichtlich
von ihrem Vater beendet worden sei, sei der Weg frei für jeden
der drei Brüder, die Eigenschaften des Ringes zum Vorschein zu
bringen. Was aber wirklich wahr und richtig sei, entscheide Gott
eines Tages selbst.
Saladin ist tief betroffen, ergreift
die Hand Nathans und bittet ihn um seine Freundschaft. Dieser
bringt nun freiwillig das Gespräch auf den von Saladin gewünschten
Kredit und verbindet damit geschickt die Frage nach der Zukunft
des Tempelherrn. Saladin wünscht daraufhin, den Tempelherrn, dessen
Ähnlichkeit mit seinem Bruder er Sittah noch vorführen will, erneut
zu sehen. Mit der Vergewisserung, dass Saladin das Kreditangebot
Nathans annimmt, verlässt Nathan den Palast. Unter den Palmen,
in der Nähe des Klosters, wartet der Tempelherr auf Nathan. In
einem Selbstgespräch will er die Gefühle, die ihn seit der Begegnung
mit Recha nicht mehr loslassen, verarbeiten und sich über deren
Bedeutung Klarheit verschaffen.
Klar sieht er nun, dass er diese Gefühle
nicht mehr verleugnen kann. Da er sich aber noch immer durch sein
Ordensgelübde, das ihm sexuelle Enthaltsamkeit abverlangt, gebunden
sieht, erwägt er nüchtern, welche Bindewirkung sein Gelübde nach
den jüngsten Ereignissen noch besitzt. Dabei kommt er zum Schluss,
dass ihn Gefangennahme, Todesurteil und anschließende Begnadigung
durch Saladin von seinem Gelübde entbindet. Das Problem, dass
seine Liebe einem jüdischen Mädchen gilt, erinnert ihn an das,
was man über seinen Vater erzählt habe. Mit ihm jedenfalls fühlt
er sich im Einklang, wenn er seinen Neigungen für Recha folgt,
und Nathans Zustimmung zu dieser Verbindung gilt ihm als sicher.
Als Nathan bei seiner Rückkehr vom Palast unter den Palmen mit
dem Tempelherrn zusammentrifft, hält der Tempelherr, der sich
durch Nathans Verhalten darin ermuntert sieht, um die Hand Rechas
an.
Nathan reagiert so zurückhaltend darauf,
dass der Tempelherr darin eine klare Zurückweisung sieht. Und
daran kann auch der Hinweis auf die von Recha erwiderte Liebe
nichts ändern. Nathan, der von der Entwicklung überrascht zu sein
scheint, will aber zunächst einmal die Identität des Tempelherrn
geklärt wissen, da er offenbar vermutet, dass zwischen Recha und
dem Tempelherrn verwandtschaftliche Beziehungen herrschen könnten.
Der Tempelherr hat keinerlei Verständnis für das von ihm als reine
\"Ahnenprobe\" gedeutete Ansinnen Nathans. Dennoch erklärt er
auf Nathans Hinweis, er habe einmal einen Tempelherrn namens Conrad
von Stauffen genannt, dass sein Name Curd von seinem Vater Conrad
abgeleitet sei. Nathan zeigt sich zunächst beruhigt, denn ihm
scheint es gänzlich unwahrscheinlich, dass ein an das Keuschheitsgelübde
gebundener Tempelherr gleichen Namens, einen Sohn gezeugt haben
könnte.
Über diese Art, die Legitimität seiner
Herkunft zu überprüfen, entrüstet sich der Tempelherr, indem er
Nathan entgegenhält, dass er durchaus auch ein uneheliches Kind,
ein Bastard oder Bankert, dieses Tempelherrn sein könne. Als das
Gespräch zu einem Streit zu werden droht, beschwichtigt Nathan
den Tempelherrn zunächst einmal damit, dass er seinen Antrag ja
noch keineswegs abgelehnt habe, nur sofort sehe er sich außerstande,
ihm eine Antwort zu geben. Die Antwort Nathans will der Tempelherr,
der die Einladung in Nathans Haus ablehnt, draußen abwarten. Daja,
die weiterhin hofft, mit Hilfe des Tempelherrn nach Europa zurückzukommen,
kann bei ihrem heimlichen Zusammentreffen mit dem Tempelherrn
hören, dass dieser Recha liebt. Dadurch sieht sie sich ermuntert,
diesem die Wahrheit über Rechas Herkunft mitzuteilen, zumal sie
sich über die vermeintliche Zurückweisung des Heiratsantrags durch
Nathan empört. Auf ihre Enthüllung, Recha sei Christin, kann der
Tempelherr, sichtlich enttäuscht, zunächst nur spöttisch reagieren,
da er offenbar vermutet, Daja habe Recha heimlich zum Christentum
bekehrt.
Erst als Daja erklärt, Recha sei ein
Christenkind und getauft, und ihm bestätigt, dass Nathan nicht
der Vater Rechas ist, kann der Tempelherr die ganze Tragweite
der Enthüllungen erkennen. Die Vorstellung, der \"weise, gute
Nathan\" habe sich in dieser Weise gegen Gott und die Natur versündigt,
stürzt ihn so sehr in Verwirrung und erschüttert sein Bild von
Nathan derart, dass er dem jeden Augenblick möglichen Wiederzusammentreffen
mit Nathan aus dem Weg geht. Er bittet Recha, ihm auszurichten,
dass sie sich bei Saladin wieder sehen würden. Als Daja dem Tempelherrn
am Ende das Versprechen abringen will, sie selbst neben Recha
nach Europa mitzunehmen, weicht dieser allerdings aus. In den
Kreuzgängen des Klosters findet der Tempelherr den Klosterbruder,
den er längere Zeit gesucht hat. Dieser hat gerade noch in einem
kurzen Selbstgespräch seinem Unbehagen Luft gemacht, ständig im
Auftrag des Patriarchen irgendwelche Intrigen oder Machenschaften
auf den Weg zu bringen, als ihn der Tempelherr anspricht.
In der irrigen Annahme, der Tempelherr
habe seine Meinung über den ihm ehemals zugetragenen Mordplan
des Patriarchen doch noch geändert, ist ihm die erneute Begegnung
mit dem Tempelherrn mehr als suspekt. Erleichtert, aber nicht
minder verwundert, nimmt er zur Kenntnis, dass der Tempelherr
den Patriarchen wegen einer anderen Sache um Rat fragen will.Offenbar
fürchtet er noch immer, dass der persönliche Kontakt mit dem Patriarchen,
den Tempelherrn dazu bringen könnte, seine Meinung zu revidieren.
Der Tempelherr, rundum enttäuscht von dem seiner Ansicht nach
nur vordergründig toleranten, auf reinen Lippenbekenntnissen beruhenden
Verhaltens von Nathan, hat die Überzeugung gewonnen, dass \"Religion
[...
] auch Partei\" ist. Als er beginnen will,
sich von dem Klosterbruder statt dem Patriarchen den gewünschten
(geistlichen) Beistand zu holen, unterbricht das Kommen des Patriarchen
das Gespräch der beiden. Bei seinem Zusammentreffen mit dem im
ganzen Pomp auftretenden Patriarchen von Jerusalem in den Kreuzgängen
des Klosters muss sich der Tempelherr zunächst die verhohlen vorgetragene
Kritik des Patriarchen wegen seiner Verweigerung des Mordplans
gegen Saladin anhören. In diesem Zusammenhang stellt der Patriarch
klar, dass er keine Kritik am Machtanspruch der Kirche und keinen
Zweifel an der Übereinstimmung kirchlichen Handels mit der göttlichen
Theodizee gestatte. Als ihm der Tempelherr im Anschluss daran,
den Fall Recha ohne Nennung irgendeines Namens vorträgt, lässt
er keinen Einwand des Tempelherrn mehr gelten, sondern wiederholt
stereotyp, dass ein Jude, der einen Christen zum Abfall vom rechten
Glauben (Apostasie) verleitet habe, auf dem Scheiterhaufen brennen
müsse. Der Tempelherr, der diese letzte Konsequenz nicht annehmen
will, wird, als er sich vom Patriarchen verabschieden will, von
diesem aufgefordert, ihm den Namen des Juden preiszugeben.
Denn er wähnt sich darin sogar mit Saladin
über die Grenzen der Religion hinweg einig, dass Staat und Gesellschaft
in ihren Grundfesten erschüttert würden, wenn das integrierende
Band des Glaubens zerrissen würde. Mit dem Hinweis, er müsse vor
Saladin erscheinen, kann der Tempelherr weiteren insistierenden
Fragen des Patriarchen ein Ende setzen und erklären, es habe sich
nur um einen hypothetischen Fall gehandelt. Nach seiner Verabschiedung
beauftragt der Patriarch, der dieser Beteuerung misstraut, den
Klosterbruder der Sache auf den Grund zu gehen. Während Sklaven
die Geldstücke von Nathans Kredit in den Palast tragen, macht
sich Saladin Gedanken über seinen weiteren Umgang mit den neuen
Finanzmitteln. Bis die erwarteten Tribute aus Ägypten eintreffen,
nimmt er sich vor, äußerst sparsam damit umzugehen und seine Gaben
für die Armen einzustellen. Einzige Ausnahme: Die Spenden, die
am Heiligen Grabe eingehen, sollen weiterhin zur Versorgung der
christlichen Pilger eingesetzt werden.
Sittah zeigt Saladin ein Gemälde ihres
gemeinsamen verschollenen Bruders Assad, dessen Aussehen sie mit
dem des zum Sultan bestellten Tempelherrn vergleichen wollen.
Der Bruder der beiden ist vor langer Zeit von einem Ausritt nicht
mehr zurückgekehrt. Gegen den Willen seiner Schwester Lilla hatte
Saladin ihm erlaubt, alleine auszureiten. Aus Gram über den Verlust
des Bruders sei die ältere Schwester Sittahs danach gestorben.
Sittah tröstet Saladin, der sich für dieses Geschehen verantwortlich
sieht, mit dem Hinweis, dass man ja gar nicht wisse, was mit ihm
geschehen, ob er nicht letzten Endes noch am Leben sei. Ihm könne
widerfahren sein, was jedem Mann in so einer Lage passieren könne.
Ehe sie ihre diesbezüglichen Andeutungen
fortsetzen kann, erscheint der Tempelherr vor dem Sultan. Während
Sittah verschleiert auf dem Sofa liegt, empfängt Saladin den Tempelherrn,
in dem er erneut Züge seines verschollenen Bruders Assad zu erkennen
glaubt. Nachdem er ihm erklärt hat, dass er nicht nur begnadigt,
sondern auch frei sei, bietet ihm der Tempelherr aus Dankbarkeit
seine Dienste an, eine Geste, die Saladin um das Angebot seiner
Freundschaft erweitert. Für Saladin stellt es kein Problem dar,
einen Christen in seinen Dienst und zu seinem Freund zu haben,
denn er sieht sich als in religiösen Dingen tolerant. Als das
Gespräch auf Nathan kommt, bringt der Tempelherr, dem seine tiefe
Enttäuschung über dessen Verhalten noch immer anzusehen ist, seine
Klage gegen Nathan vor. Auch wenn er vorgibt, sich mehr über sich,
denn über Nathan zu ärgern, trägt das Bild von Nathan, das er
nun vor Saladin entwirft, alle Züge der Verbitterung.
Dass er sich Hals über Kopf in Recha,
das Judenmädchen verliebt habe, sei sein eigener Fehler, dass
er aber von Nathan hinters Licht geführt worden sei, habe eine
andere Qualität. Nathans Verhalten gegenüber Recha, zeige \"diesen
Ausbund aller Menschen\" als \"toleranten Schwätzer\". So in die
Sache hineingesteigert, muss sich der Tempelherr gefallen lassen,
von Saladin zurechtgewiesen zu werden. Seine Warnung, Nathan nicht
der christlichen Obrigkeit zu denunzieren, kommt allerdings zu
spät. So muss der Tempelherr um Vergebung dafür bitten, in seiner
Wut zunächst zum Patriarchen gegangen zu sein. Am Ende des Gesprächs
fordert Saladin, der ihm Recha verspricht, den Tempelherrn auf,
Nathan zu suchen und mit ihm wieder vor ihm zu erscheinen.
Sittah, die während des ganzen Gesprächs
von Saladin mit dem Tempelherrn schweigend zugehört hat, bestätigt
ihm die große Ähnlichkeit mit Assad. Zugleich hält sie ihm vor,
dass er die Gelegenheit nicht hinreichend genutzt habe, sich nach
den Eltern des Tempelherrn zu erkundigen. Es sei doch nicht auszuschließen,
so deutet sie an, dass bei den ihrem Bruder Assad seinerzeit nachgesagten
besonderen Vorlieben für \"hübsche Christendamen\" noch eine Überraschung
ans Tageslicht kommen könne. Einig sind sich beide, dass Nathan
Recha dem Tempelherrn zur Frau geben muss. Und Sittah fordert
ihren Bruder auf, Recha unter seine eigene Vormundschaft zu nehmen,
wofür sich Saladin allerdings nicht recht erwärmen kann. Dennoch
erlaubt er Sittah, Recha in den Palast zu beordern, allerdings
müsse dabei jeder Eindruck vermieden werden, man wolle Nathan
von Recha gewaltsam trennen.
Daja konfrontiert Nathan mit Tätigkeiten
zur Vorbereitung der Hochzeit Rechas mit dem Tempelherrn.Gleichzeitig
gibt sie ihm zu verstehen, dass sie ihr Schweigen über die Herkunft
Rechas brechen werde, wenn Nathan sich ihrer Verbindung mit dem
Tempelherrn widersetzen sollte. Ihre Belehrungen über die Sünde,
die er begangen habe, will Nathan freilich nicht hören. Was den
Tempelherrn betreffe, so habe er im Prinzip überhaupt nichts gegen
ihn, benötige aber einfach noch ein paar Tage Zeit, die sie ihm
gewähren müsse. Ehe es zu Verabredungen zwischen Daja und Nathan
über diesen Zeitaufschub kommen kann, betritt der Klosterbruder
die offene Flur in Nathans Haus. Vom Klosterbruder erfährt Nathan,
dass er wegen seines Verhaltens gegenüber Recha von irgendjemandem
beim Patriarchen denunziert worden ist.
Der Klosterbruder gibt Nathan deutlich
zu verstehen, dass er sich vom Patriarchen für dessen christlichen
Fanatismus missbraucht sieht. Als ehemaliger Eremit sei er sei
nur notgedrungen in den Dienst des Patriarchen gelangt. Nathan,
der sich offenbar von der christlichen Obrigkeit entdeckt wähnt,
wird vom Klosterbruder deswegen schnell beruhigt. Dieser verrät
ihm, dass er es gewesen sei, der ihm als Reiterknecht vor achtzehn
Jahren in Darun ein Kind im Auftrag ihres Vaters, Wolf von Filnek,
übergeben habe. Die Mutter des Kindes, eine Stauffin und Schwester
des Tempelherrn Conrad von Stauffen sei zu diesem Zeitpunkt schon
verstorben gewesen, der Vater nicht viel später im Kampf um Askalon
ums Leben gekommen. Erst als der Klosterbruder Nathan zu verstehen
gibt, dass er dessen über die langen Jahre wirkende väterliche
Liebe zu Recha höher einschätze als christliche Orthodoxie, hat
er Nathans Vertrauen gewonnen.
Dieser erzählt ihm, daraufhin sein bisher
niemand anderem anvertrautes Schicksal. Nathans Familie, seine
Frau und seine sieben Kinder, waren wenige Tage vor der Übergabe
Rechas während eines von Christen durchgeführten Judenpogroms
in Darun, im Hause seines Bruders, verbrannt. Die Übergabe Rechas
sei für ihn eine Prüfung Gottes gewesen, die er dankbar auf sich
genommen habe. Als der tief beeindruckte Klosterbruder ausruft,
Nathan habe sich dadurch als wahrer Christ erwiesen, weist dieser
darauf hin, dass sein Verhalten solcher religiöser Etikettierung
und einseitiger Vereinnahmung nicht bedürfe. Was die Problematik
um Rechas Herkunft anbelangt, ist Nathan aber durchaus bereit,
seine formellen Vaterrechte möglichen Verwandten zu überlassen.
Und um diese Fragen endgültig zu klären, bittet er den Klosterbruder,
das in dessen Besitz befindliche Brevier Wolf von Filneks zu holen,
in dem die Verwandtschaftsverhältnisse aufgezeichnet sind.
Mit der Vermutung Daja könnte ihn beim
Patriarchen angezeigt haben, sieht er Daja wieder auf sich zukommen.
Daja teilt Nathan ganz aufgeregt mit, dass Sittah Recha zu sich
bringen lasse. Trotz der Tatsache, dass Nathan von der Schwester
des Sultans eigentlich nichts Bedrohliches erwartet, will er doch
sicherheitshalber selber bei den Boten Sittahs Genaueres erfahren.
Zuvor allerdings will er von Daja wissen, ob sie hinter der Denunziation
beim Patriarchen steckt. Doch als Daja auf seine direkte Frage
gänzlich überrascht und sichtlich empört reagiert, scheint er
seine Vermutung fallen zu lassen. Während Nathan zu den Boten
unterwegs ist, schwant Daja schon weiteres Unheil: Sie befürchtet,
dass auch Saladin Interesse an einer Verbindung mit der Tochter
des reichen Nathan haben könnte.
Da sie damit ihre eigenen Interessen,
mit Hilfe des Tempelherrn nach Europa zurückzukehren, in höchstem
Maße gefährdet sieht, entschließt sie sich nun, ihr Versprechen
Nathan gegenüber ein weiteres Mal zu brechen und Recha bei nächstbester
Gelegenheit reinen Wein einzuschenken. In einem Zimmer des Palastes
nimmt Saladin die Meldung seiner mameluckischen Reiter entgegen,
dass die längst erwarteten Tribute aus Ägypten endlich eingetroffen
sind. Der erste, der diese erfreuliche Nachricht meldet, lehnt
die Belohnung durch Saladin trotzig ab, weil er seinen Sultan
erst darauf aufmerksam machen muss. Der zweite Reiter wird dafür
um so mehr belohnt, auch wenn die Nachricht, die er bringt, für
Saladin nichts Neues mehr darstellt. Zugleich aber lässt dessen
Bereitschaft, seine Belohnung mit einem dritten Reiter, der im
Wettstreit um die Überbringung der guten Nachricht gestürzt war,
zu teilen, Saladin daran glauben, dass seine Männer seinem Vorbild
an Freigiebigkeit zu folgen trachten. Emir Mansor, der die Karawane
mit den Tributen aus Ägypten nach Jerusalem geführt hat, trifft
bei Saladin ein und berichtet von den Schwierigkeiten, die die
Karawane auf ihrem Weg überwinden musste.
Nachdem Saladin ihn belohnt hat, befiehlt
er ihm, mit neuen Truppen sofort in den Libanon aufzubrechen,
um den Großteil des Geldes seinem Vater zu bringen. Dabei müsse
er unterwegs mit Angriffen der Tempelherren rechnen. Damit alles,
wie gewünscht geregelt wird, will sich Saladin persönlich darum
kümmern. Von seiner Audienz bei Saladin zurückgekehrt, wartet
der Tempelherr unter den Palmen vor Nathans Haus, um Nathans verbindliche
Antwort auf seinen Heiratsantrag zu erhalten. Die Belehrung, die
ihm Saladin erteilt hat, wirkt noch deutlich nach, so dass er
sich darüber ärgert, wie er sich Nathan gegenüber verhalten hat.
Er will es nicht wahrhaben, dass er selbst, mehr als er in seiner
Wut noch Nathan zugeschrieben hat, von blindem religiösen Fanatismus
und Intoleranz getrieben worden sein könnte.
Klar steht ihm vor Augen, dass gerade
das, was ihn an Recha so fasziniert, Einflüsse ihres jüdischen
Vaters und einer jüdischen Erziehung sind. Denn der rein äußerlichen
Attraktivität christlicher Frauen, das weiß er aus Erfahrung,
ist er bis dahin niemals erlegen. Während er sich selbst beschwört,
endlich seine Enttäuschung zu überwinden und auf Saladins Vermittlung
zu vertrauen, sieht er Nathan mit dem Klosterbruder kommen. Er
nimmt daher an, dass Nathan doch vom Patriarchen entdeckt worden
sei und er dies verschuldet habe. Er macht sich deshalb Vorwürfe,
will sich aber auf die neue Situation einstellen und mit Nathan
noch einmal unter vier Augen sprechen. Nathan bedankt sich bei
dem Klosterbruder für die Überlassung des Büchleins, in dem Rechas
leiblicher Vater, Wolf von Filnek, seine verwandtschaftlichen
Beziehungen aufgezeichnet hat.
Er lässt sich darüber hinaus noch einmal
von seinem Gesprächspartner versichern, dass der Tempelherr, den
Nathan für einen jungen, edlen und offenen Mann hält, ihn beim
Patriarchen angezeigt hat. Enttäuscht, aber noch immer ohne diesen
im weiteren Gespräch irgendwie zu verurteilen, vertraut Nathan
auf die Wahrheiten, die das Büchlein Wolfs von Filnek enthält.
Mit diesem macht er sich auf den Weg zu Saladin. Dabei ist er
mit sich einig und seiner Sache offenbar so sicher, dass ihn die
Tatsache, der Patriarch könne seinen Namen erfahren, noch kurzem
Zögern, nicht mehr schreckt. Der Klosterbruder versichert ihm
allerdings trotzdem, seinen Namen nicht dem Patriarchen zu verraten.
Nathan und der Tempelherr begeben sich dem Wunsch Saladins gemäß
gemeinsam zum Palast.
Auf dem Weg dahin gesteht der Tempelherr
Nathan, dass er den Fall dem Patriarchen vorgetragen habe, weil
er sich durch das, wie er sagt, \"kalte\" Verhalten Nathans nach
seinem Heiratsantrag zutiefst gekränkt gefühlt habe. Als ihm dann
in dieser Situation auch noch Daja das Geheimnis um Recha gelüftet
habe, habe er eigensüchtige, von jüdischem Fanatismus herrührende
Motive bei Nathan vermutet. Nathan, der es dem Tempelherrn zunächst
nicht leicht macht, nimmt allerdings dessen Entschuldigung an.
Der Tempelherr, der befürchtet, der Patriarch könne Nathan Recha
wegnehmen und ins Kloster schicken, wiederholt seinen Heiratsantrag
erneut. Dabei ist es ihm ausdrücklich gleich, welche Religionszugehörigkeit
Recha besitzt. Ja darüber hinaus, fordert er Nathan auf, auch
in Zukunft das Geheimnis ihrer Abstammung vor Recha zu wahren.
Zuletzt zieht er noch seinen letzten
Trumpf, um Nathans Einverständnis zu erlangen: Nur er könne Recha
für Nathan - und für sich selbst wohlgemerkt - noch retten. Doch
auch dieses Mal hält Nathan den Tempelherrn hin und verweist darauf,
dass seine Nachforschungen ergeben hätten, dass Recha einen Bruder
habe, von dessen Einwilligung alles abhinge. Der Tempelherr sieht
dadurch neue Verwicklungen auf sich zukommen und dreht nun das,
was er zuvor noch gegen Nathans Verhalten vorgebracht hat, einfach
um. Wenn Recha diesem christlichen Bruder übergeben werde, verliere
Recha, dieser von Nathan erzogene \"Engel\" alles und werde schließlich
christlich \"verhunzt\". Als der Tempelherr daraufhin erwägt,
mit Recha zu fliehen, macht ihn Nathan darauf aufmerksam, dass
sie sich ebenfalls schon im Palast Saladins, bei Sittah, aufhalte.
In Sittahs Harem im Palast finden Sittah, die Schwester Saladins,
und Recha schnell zu einem offenherzigen und freundschaftlichen
Verhältnis zueinander.
Sittah zollt der jungen Frau Anerkennung
für deren kluges und frommes Wesen, das sie auf häufiges Lesen
von Büchern zurückführt. Recha erklärt ihr dagegen, dass sie ihr
Wissen nicht \"kalter Buchgelehrsamkeit\", sondern ihrem Vater
Nathan verdanke, der es immer verstanden habe, ihr den Sinn der
von ihm vermittelten Wertvorstellungen und Wissenstatbestände
rational einsichtig und nachvollziehbar zu machen. Jetzt aber,
so müsse sie sich endlich Luft verschaffen, habe sie große Angst,
ihren Vater zu verlieren. Inständig bittet sie Sittah zu verhindern,
dass ihr ein anderer Vater aufgezwungen werde. Als Sittah Näheres
erfahren will, teilt ihr Recha mit, dass sie von Daja auf dem
Weg in den Palast damit konfrontiert worden sei, dass Nathan überhaupt
nicht ihr Vater und sie selbst eine Christin sei. In ihrer Verzweiflung
wirft sie sich Sittah zu Füßen, wird aber sogleich von dieser
gebeten, sich wieder zu erheben, da Saladin Sittahs Harem betritt.
Als Saladin zu Sittah und Recha kommt,
fällt Recha vor ihm zu Boden und erhält dessen Versprechen, ihr
Nathan nicht als Vater zu nehmen. Dabei stimmt er mit ihr auch
darin überein, dass die Blutsverwandtschaft nicht allein maßgebend
sein könne. Zugleich bietet er sich selbst als einen Ausweg aus
einem möglichen Dilemma an. Sollte es tatsächlich zum Streit kommen,
dann sei er bereit, die Stelle ihres Vaters zu übernehmen, wenn
sie dies wünsche. Doch im Grunde sieht Saladin darin angesichts
der künftigen Verbindung Rechas mit dem Tempelherrn kein ernsthaftes
Problem. Seine diesbezüglichen Andeutungen kann die völlig aufgewühlte
Recha aber in diesem Moment, als eine Sklavin die Ankunft Nathans
und des Tempelherrn meldet, nicht recht verstehen.
Nach seiner Begrüßung durch Saladin sieht
Nathan, dass Recha offenbar geweint hat. Er will daher von ihr
wissen, ob sie ihn noch immer als Vater und er sie als Tochter
ansehen könne. Als Recha dies in einer Form bejaht, dass der Tempelherr
glaubt, ihr eigentlich gar nichts zu bedeuten, bittet er Saladin,
weitere Vermittlungsversuche einzustellen. Dieser fordert Recha
auf, dem Tempelherrn ihre Liebe zu bekennen, um die Verbindung
der beiden herbeiführen zu können. Doch Nathan schreitet mit dem
Hinweis ein, dass dazu zunächst Rechas Bruder gehört werden müsse.
Darauf erfährt der Tempelherr nun seine wahre Identität.
Sein Name sei, so bedeutet ihm Nathan,
nicht Curd von Stauffen, sondern Leu von Filnek. Sein Vater Wolf,
der kein Deutscher gewesen sei, sei mit einer Schwester des Tempelherrn
Curd von Stauffen verheiratet gewesen, habe mit ihr einige Zeit
in Deutschland gelebt, sei aber wegen des rauen Klimas dort wieder
nach Palästina zurückgekehrt. Ihn aber habe Wolf zur Erziehung
dem Bruder seiner Frau, Curd von Stauffen, in Deutschland überlassen.
Als Nathan desweiteren enthüllt, dass der Tempelherr der Bruder
Rechas ist, erregt er damit allgemeines Erstaunen und der Tempelherr
ringt sichtlich um seine Fassung. Während Recha, alias Blanda
von Filnek, die neue Lage offenbar sogleich akzeptiert, muss Leu
sich einmal mehr von Saladin zurechtweisen lassen, ehe er in der
Lage ist, diese Umdeutung seiner Beziehung zu Recha hinzunehmen,
in der Geschwisterbeziehung gar eine Aufwertung der Bande zu erblicken,
die ihn nun mit Recha verbinden. Saladin, der wegen den Ausführungen
Nathans über Wolf von Filnek ins Nachdenken gekommen ist, kann
mit Hilfe des Breviers des Klosterbruders, das Nathan mit sich
führt, die wahre Identität Wolfs von Filnek lüften: Es handelt
sich um seinen verschollenen Bruder Assad und Leu und Blanda sind
nichts anderes als dessen Kinder.
In gegenseitigem Einverständnis, das
sich gestisch in Umarmungen aller Beteiligten ausdrückt, löst
sich der lange mögliche Konflikt.
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